Berliner Str 120/121
13187 Berlin
Deutschland
<p>Das Waisenhaus wurde als Reaktion auf die Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung nach dem Attentat auf Zar Alexander II. von Russland gegründet. Im Zuge dessen holte das Berliner Hilfskomitee 1882 39 jüdische Jungen im Alter von 6 bis 11 Jahren aus Russland nach Berlin. Für deren Unterbringung wurde ein Grundstück in Pankow auf der Berliner Straße 121 gekauft, das am 22.10.1882 bezogen wurde. Freie Plätze wurden mit Waisen aus der jüdischen Gemeinde zu Berlin besetzt. Finanziell wurde das Waisenhaus durch zahlreiche Stiftungen unterstützt, eine davon erlaubte 1901 den Kauf des Nebengebäudes, wodurch Kapazitäten für weitere Jungen geschaffen wurde.</p><p>Der Alltag im Waisenhaus war streng gegliedert. Der Tag war von 6 bis 21 Uhr mit Hausdienst, Unterricht und Sport ausgefüllt. In den Pausen standen ein Musikschrank, Bibliothek und Garten zur Verfügung. Des Weiteren konnten sich die Kinder in Orchester, Chor und Schülerzeitung betätigen. Im Alter von 14 Jahren wurden die Jungen an Handwerker zur Lehre vermittelt, z.B. als Tischler, Gärtner und Schneider. Nach vollendeter Ausbildung wurden die Zöglinge bei Bedarf noch finanziell unterstützt. Bis 1910 erhielten 198 Kinder einen Platz in dem Waisenhaus, 114 davon hatten ein Handwerk erlernt.</p><p>Nachdem 1911 ein Brand das Gebäude zerstört hatte, wurde zwischen 1912/13 ein neues Gebäude unter der Leitung Alexander Beers erbaut und am 21.09.1913 eingeweiht. Ab 1935 wurde die Schule im Zuge des zunehmenden Ausschlusses jüdischer Schüler aus dem allgemeinen Schulbetrieb vergrößert, ab 1936 wurden erstmals Mädchen aufgenommen. Nachdem bereits im Sommer 1938 das Waisenhaus von Nazis gestürmt wurde, konnten noch im gleichen Jahr einige Kinder mit Kindertransporten fliehen. Nach 1940 wurde das Waisenhaus mit dem Auerbachschen Waisenhaus im Prenzlauer Berg zusammengelegt, von dort aus fanden Deportationen in Vernichtungslager statt. 1942 wurde das Gebäude durch die SS beschlagnahmt, womit die jüdische Nutzung des Gebäudes ihr Ende nahm.</p>
"II. WAISENHAUS
DER JÜDISCHEN GEMEINDE
IN BERLIN.
ERBAUT IM JAHRE 1912-13."
"Dieses ehemalige Jüdische Waisenhaus in Pankow wurde in den Jahren 1912/1913 nach Entwürfen des Baumeisters der Berliner Jüdischen Gemeinde Alexander Beer errichtet. Es ersetzte ein älteres "Erziehungshaus" für jüdische Knaben, das 1911 nach einem Dachstuhlbrand abgerissen wurde. Die einzigartige Innenarchitektur orientierte Alexander Beer an den Bedürfnissen der jungen Bewohner, ihrer Unterbringung und ihrer schulischen und beruflichen Bildung. Ein besonderes Schmuckstück war die Synagoge, der Betsaal im zweiten Obergeschoss. Ende 1940 haben die Nazis das Waisenhaus zwangsgeräumt, sehr viele der jüdischen Bewohner wurden in Konzentrationslagern ermordet. Im Jahr 1999 hat die Dr. Walter und Margarete Cajewitz-Stiftung das Haus erworben und umfassend saniert. Heute dient es als Ort der Begegnung, Bibliothek und Schule. Alexander Beer wurde am 10. September 1873 in Hammerstein/Westpreußen geboren und schuf beeindruckende Bauwerke, Synagogen, soziale Einrichtungen und Friedhofsanlagen. Am 18. März 1943 wurde er nach Theresienstadt deportiert, wo er am 8. Mai 1944 starb."
Neuen Kommentar hinzufügen