Westendorf 15 und 15a
38820 Halberstadt
Deutschland
Auf Grundlage einer privaten Stiftung des Halberstädter Kaufmanns Hirsch (Zwi) Köslin (gest. 1795) wurde im Mai 1796 die allgemeinbildende jüdische Schule "Hascharath Zwi" gegründet. Sie sollte vor allem Kindern aus armen Familien sowohl religiöses als auch weltliches Grundwissen vermitteln - ein für die traditionellen jüdischen Gemeinden des ausgehenden 18. Jahrhunderts innovatives Konzept. Nach eher bescheidenen Anfängen in der Judenstraße 27 (ab 1797) wurde die "Hascharath Zwi" nach 1824 reformiert. 1827 konnte eine erste Mädchenklasse eingerichtet und ein weiteres Schulhaus in der Judenstraße 18 bezogen werden. Nach Umbau des Areals der Klaussynagoge zog auch die "Hascharath Zwi" 1858 in den Fachwerkbau im Rosenwinkel 18 um.
Zum 100jährigen Gründungsjubiläum 1896 begannen die Planungen für einen modernen Schulneubau, der im August 1899 im Westendorf 15 eingeweiht werden konnte. Das eigentliche Schulgebäude befand sich auf dem Hinterhof (heute Westendorf 15a), im Vorderhaus waren Rabbiner- und Lehrerwohnung untergebracht, zeitweise auch der Israelitische Kinderhort und die Geschäftsstelle der Synagogengemeinde.
Die Halberstädter "Hascharath Zwi" blieb bis ins 20. Jahrhundert hinein neo-orthodox ausgerichtet. Um 1924 hatte sie noch bis zu 300 Schüler*innen, dann ging ihre Zahl zurück. 1931 wurde Jakob Lundner zum Schulleiter berufen, und er sollte auch der letzte bleiben. Nach 1933 verstärkten die NS-Behörden den Druck, bis die traditionsreiche "Hascharath Zwi" im Sommer 1941 - 145 Jahre nach ihrer Gründung - endgültig geschlossen wurden musste.
Am Palmsonntag, 12. April 1942, wurden Jakob und Klara Lundner mit sechs ihrer Kinder nach Warschau deportiert. Nur der ältesten Tochter, Beate, gelang zuvor die Flucht. Nach der jüngsten, Miriam (geb. 1938), wurde 2001 die Halberstädter Grundschule "Miriam Lundner" benannt. Am sanierten Wohnhaus Westendorf 15 erinnern heute eine Gedenktafel neben der Hofdurchfahrt und ein Davidstern am Hinterhaus an die einstige Nutzung.
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