Klein Quenstedter Straße
38820 Halberstadt
Deutschland
Mitte des 19. Jahrhunderts etablierte sich in Halberstadt – im Gegensatz zu den meist reformorientierten jüdischen Gemeinden in größeren Städten – die neo-orthodoxe Richtung. Die Zahl der Mitglieder wuchs, und so wurden diverse Um- und Neubaumaßnahmen nötig. Dazu gehörte die Einrichtung von gleich zwei neuen Friedhöfen: zunächst „Am Berge“ (1844), unmittelbar neben dem ältesten jüdischen Begräbnisplatz „Am Roten Strumpf“ (1644), dann im Norden Halberstadts, an der Klein Quenstedter Chaussee.
Dort, unmittelbar östlich des ab 1872 neu angelegten kommunalen Friedhofs, konnte am 2. Dezember 1895 der dritte jüdische Friedhof Halberstadts eingeweiht werden. Das langgestreckte Grundstück (ca. 1.360 qm) verläuft von der Straße Richtung Norden und ist von einer Mauer umgeben. Den Eingang im Süden schmückt bis heute ein schmiedeeisernes Tor mit Blüten und zwei Davidsternen.
Die Anlage folgte der orthodoxen Tradition: Eine Zufahrt führte zunächst zur Trauerhalle. Sie wurde 1895 vom Halberstädter Zimmermeister Krug als quadratischer Ziegelbau mit Kuppel im neo-romanischen Stil errichtet – in Anlehnung an die benachbarte Friedhofskapelle. Eine Vorhalle im Süden führte in den verputzten Innenraum. Davon war die Apsis im Norden durch einen „Ritualschlitz“, d. h. eine breite Fuge in der Dachkonstruktion getrennt. So konnten auch die Kohanim der Gemeinde den Trauerfeiern quasi von einem separaten Gebäude aus beiwohnen.
Entsprechend wurde der Eingangsbereich nach Süden nicht belegt, sondern an eine Gärtnerei verpachtet. Nur nach Norden finden sich rund 380 Grabstellen, in fünf Feldern gruppiert. Etwa 300 Steine haben sich erhalten. Sie sind nach Osten ausgerichtet, meist sehr schlicht gestaltet und zweisprachig (Hebräisch / Deutsch) beschriftet.
Während die Gräber das Novemberpogrom 1938 nahezu unbeschadet überstanden, wurde die Trauerhalle niedergebrannt und die Ruine ein Jahr später auf Kosten der Gemeinde abgerissen. Einzelne Beisetzungen fanden bis 1942 wohl noch statt.
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