Juttastraße 4
49377 Vechta
Deutschland
Spätestens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden jüdische Gottesdienste in der Stadt abgehalten. 1784 wird eine Synagoge genannt, wobei es sich vermutlich um einen Betraum in einem der jüdischen Häuser gehandelt hat. Als 1803 die Vechtaer Juden dem neuen Landesherrn (Herzog von Oldenburg) den Huldigungsleid leisten mussten, wurde zu diesem Zweck eine Torarolle aus der Synagoge geholt.
1825/26 wurde an der Stelle des abgebrochenen Gemeindedienerhauses am Klingenhagen (heute Juttastraße 4) eine Synagoge erbaut. Es handelte sich um ein einstockiges Gebäude mit einem Krüppelwalmdach.
Bereits um 1900 war die Zahl der jüdischen Einwohner so zurückgegangen, dass zum Gottesdienst kaum mehr das erforderliche Minjan (zehn religionsmündige Männer) zustande kam. Dennoch wurden weiterhin Gottesdienste nach einem vereinfachten Ritus abgehalten; gerne wurden auch Nichtjuden in die Synagoge eingeladen. Die Vechtaer Juden galten als tief religiös.
Als nach 1933 die Zahl der jüdischen Einwohner nur noch klein war, entschlossen sich die Gemeinde 1935 zum Umbau des Synagogengebäudes. Anlass war, dass dem ehemaligen Viehhändler Max Marx, der zugleich Synagogendiener war und der mit seiner Familie bei einer christlichen Familie zur Miete wohnte, die Wohnung gekündigt worden war. Hierauf wurde das Synagogengebäude umgebaut, eine Wohnung eingerichtet und dahinter ein kleiner Betsaal neu gestaltet. Der alte Toraschrein wurde dort aufgestellt, auch die Kanzel, das Vorlesepult, das Vorbeterpult und sogar eine - mehr symbolische - Frauenempore wurden eingebaut.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Synagogengebäude geschändet und demoliert. SA-Männer drangen in der Nacht zum 10. November 1938 in das Haus ein, durchstöberten es, warfen einen Teil des Hausrates auf die Straße und zündeten ihn an. Die im Haus lebende Familie Marx war zur Familie Gerson geflohen. Am Abend des 10. November 1938 kamen erneut SA-Männer mit einem LKW nach Vechta, stürmten nochmals das Gebäude und warfen die Einrichtung des Betraumes samt der Torarolle, dem noch vorhandenen Hausrat und die ausgehobenen Fenster und Türen auf den LKW. Auf dem Neumarkt wurden zwei Scheiterhaufen errichtet und angezündet.
Das Synagogengrundstück wurde von der Stadt beschlagnahmt und im folgenden Jahr 1939 verkauft. Nach 1945 musste die Stadt im Zusammenhang des Restitutionsverfahrens eine Entschädigung für das von ihr verkaufte Synagogengebäude bezahlen.
Seit 1981 befindet sich an der Ecke Juttastraße / Klingenhagen / Burgstraße ein durch den Vechtaer Künstler Albert Bocklage entworfener und von Steinmetz Werner Pufahl ausgeführter Gedenkstein, den ein Davidstern und das Wort Schalom in hebräischer Schrift zieren. Die Inschrift lautet: "In dieser Straße stand die Synagoge, das Gotteshaus unserer jüdischen Mitbürger, frevelhaft geschändet am 9. November 1938. Zur Erinnerung und Mahnung".
Enno Meyer: Die Synagogen des Oldenburger Landes. Im Auftrage der Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit Oldenburg herausgegeben. 1988 (= Oldenburger Studien Bd. 29). S. 197-200.
Enno Meyer: Die Synagogen des Oldenburger Landes. Im Auftrage der Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit Oldenburg herausgegeben. 1988 (= Oldenburger Studien Bd. 29). S. 197-200.