Friedrichsgracht/Schloßplatz 1
10178 Berlin
Deutschland
Jeanette Schwerin (geb. Abarbanell) wurde am 21. November 1852 in eine sozial engagierte, wohlhabende jüdische Familie in Berlin hineingeboren. Sie besuchte die Akademie zur wissenschaftlichen Fortbildung junger Damen und belegte Kurse in Nationalökonomie und Geschichte an der Universität. 1872 heiratete sie den Arzt und Sanitätsrat Ernst Schwerin, ihre Berliner Wohnung wurde zu einem Zentrum des kulturellen Lebens.
1888 trat Schwerin dem Verein „Frauenwohl Groß-Berlin“ bei. Ihre Ziele: die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen und Mädchen und die Zulassung von Frauen als Arbeitskräfte in der öffentlichen Wohlfahrt. Sie wollte Hilfe zur Selbsthilfe geben und zudem Frauen gleichrangig in die Armenfürsorge einbinden, da sie erkannt hatte, dass das ineffiziente System der Armenpflege auf der gesetzlichen Benachteiligung der Frauen in gesellschaftsrelevanten Bereichen beruhte. Soziales Engagement konnte zugleich zu einem Werkzeug der Emanzipation werden.
1893 war Schwerin Gründungsmitglied der „Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit“, die sie ab 1897 leitete. Hier konnten sich bürgerliche Frauen und Mädchen den sozialen Problemen widmen, die die Industrialisierung ausgelöst hatte. Um fehlgeleitete Wohltätigkeit auszuschließen, vermittelte Schwerin 1895/96 das nötige theoretische Wissen in einem Vortragszyklus, den sie 1899 zu einem Jahreskurs weiterentwickelte. Schwerins Verbindung von praktischer und theoretischer Ausbildung legte den Grundstein für die Professionalisierung der Sozialen Arbeit, ihre Konzeption des Jahreskurses ist noch heute die Basis des Studiums.
Gleichfalls 1893 übernahm Schwerin die Leitung der Wohlfahrtskommission in der 1892 gegründeten „Deutschen Gesellschaft für ethische Kultur“ (DGeK). Sie bekannte sich zum Judentum, sah aber die soziale Verantwortung der Gesellschaft als konfessionsübergreifende Aufgabe.
Schwerin nahm in der Frauenbewegung eine gemäßigte, vermittelnde Rolle ein. Sie propagierte schwesterlichen Zusammenhalt und lehnte Klassenkampf ab. In Reden, Publikationen und Petitionen wies sie unermüdlich auf gesellschaftliche Missstände hin, sie wurde im In- und Ausland zu einer begehrten Referentin. Alice Salomon wurde von ihrer Schülerin zu ihrer rechten Hand und schließlich zu ihrer Nachfolgerin.
Am 14. Juli 1899 starb Jeanette Schwerin. Die Blüte dessen, was sie in so kurzer Zeit gesät hatte, erlebte sie nicht mehr.
Autorin: Filiz Çakır
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