Lou Albert-Lasard

Lou Albert-Lasard war eine der Künstlerinnen, die als Töchter aus assimilierten jüdischen Familien lange nicht die Anerkennung erhalten hatten, die ihnen zustand. Nach dem Ersten Weltkrieg prägte sie wesentlich die Kunst der Moderne in vielerlei Hinsicht. Vom Expressionismus der Münchner Kunstgruppe „Blauer Reiter“, über das Umfeld der Pariser École de Paris und letztlich den Berliner Jahren in der Novembergruppe - sie machte vielfältige Erfahrungen und trug selbst zur Entwicklung und Verbreitung prägender Kunststile des 20. Jahrhunderts bei.

 

Diese Biografie ist im Rahmen der Ausstellung "Paris Magnétique" entstanden. Mehr Informationen finden Sie in den weiterführenden Links.

Beruf
Künstlerin
Geburtsdatum
10.11.1885
Geburtsort
Metz
Literatur
Berlinische Galerie, Lou Albert-Lazard. Gemälde, Aquarelle, Grafik, Berlin 1983.
Schramm, Hanna, Menschen in Gurs. Erinnerungen an ein französisches Internierungslager (1940 - 1941), Verlag Georg Heintz, Worms 1977.
Stationen
Titel
Metz
Adresse

Place Lou Albert-Lasard
57000 Metz
Frankreich

Geo Position
49.10256738854, 6.1816870159319
Stationsbeschreibung

Lou Albert-Lasard wurde am 10. November 1885 in Metz geboren, was damals dem Deutschen Reich zugehörig war (heute Frankreich). Ihre Mutter Jenny war Amerikanerin, ihr Vater Leopold ein französischer Bänker. Sie wuchs überaus behütet auf und ihre Eltern waren sehr um ihre Ausbildung und musischen Talente bemüht. Für ihren ersten Malunterricht wurde eigens aus dem 150 Kilometer entfernten Straßburg ein Mallehrer für Lou und ihre Schwester Ilse herbeigerufen, um für deren Ausbildung zu sorgen.

Titel
München
Adresse

Briennerstraße 52
80333 München
Deutschland

Adressbeschreibung
ehemalige Adresse der Galerie Caspari
Geo Position
48.147717306116, 11.559775111902
Stationsbeschreibung

Mit 19 Jahren zog Lou Albert-Lasard mit ihrer Schwester Ilse nach München um Malerei zu studieren. Da die staatlichen Akademien zu dieser Zeit noch keine Frauen aufnahmen, besuchten die zwei jungen Frauen stattdessen Zeichenkurse und private Kunstschulen. Lou hatte außerdem den Zauber von Paris entdeckt. Sie reiste regelmäßig in die Stadt an der Seine, wo sie meist in einem Atelier am Boulevard Raspail wohnte.

1909 heiratete sie in München den deutschen Erfinder Dr. Eugen Albert aus Augsburg, der ein fotomechanisches Reproduktionsverfahren erfand. Er war bedeutend älter als sie. Ihr Mann erkannte und förderte ihr Talent, und ermöglichte ihr viele Reisen und eine künstlerische Ausbildung.

Gemeinsam bereisten sie Paris, Berlin, Südfrankreich, die Bretagne, Spanien, die Schweiz und Italien, und Lou hielt die Eindrücke in zahlreichen Landschaftsaquarellen fest. Wenige Jahre nach der Hochzeit kam ihre gemeinsame Tochter Ingo zur Welt.

1912 begann sie in Frankreich im Atelier von Fernand Léger zu arbeiten, in München wiederum hatte sie Umgang mit Alexej Jawlensky, Marianne von Werefkin und dem Personenkreis der Gruppe „Blauer Reiter“. Ihre liebsten Sujets blieben Landschaften, aber auch Porträts malte sie oft und gerne, und bald schon erntete sie erste Anerkennung für ihre technische Versiertheit und stilistische Eigenständigkeit. In der Galerie Caspari des Kunsthändler-Ehepaars – Georg und Anna Caspari – zeigte Lou Albert-Lasard 1917 eine ihrer ersten Einzelausstellungen.

Die Ehe mit Eugen bestand 1914 nur noch auf dem Papier, als Lou den Schriftsteller und Dichter Rainer Maria Rilke kennenlernte. Die geteilte Liebe zu Frankreich und die Sorge vor den Schrecken des ausgebrochenen Ersten Weltkriegs verbanden sie, und schon bald wurde aus den beiden ein Liebespaar. Sie zogen gemeinsam in die Münchner Pension Pfanner und beflügelten sich nun auch gegenseitig in ihrer Arbeit. Rilke beteiligte Lou Albert-Lasard an seiner neu gegründeten Zeitschrift „Das Forum“, für das auch die Schriftsteller Heinrich Mann und Romain Rolland schrieben. Durch Rilke lernte sie zahlreiche Künstler*innen und Schriftsteller*innen kennen, die sie oftmals auch porträtierte. Ihr Mann Eugen Albert jedoch war nicht einverstanden mit der Beziehung der beiden und ließ sich infolgedessen von Lou scheiden. Diese Entscheidung kam für Lou höchst überraschend, hatte sie doch die Großzügigkeit und Nachsichtigkeit ihres Gatten unterschätzt, und ihre Verbindung zu Rilke auch gern als eher praktische Arbeitsverbindung abgetan.

Titel
Ascona
Adresse

Monte Verità
6612 Ascona
Schweiz

Geo Position
46.160241097435, 8.7624532457991
Stationsbeschreibung

Während des Ersten Weltkriegs reiste Lou Albert-Lasard immer wieder in die Schweiz. Besonders Zürich und Ascona hatten es ihr angetan. Im Dorf Ascona traf sie immer wieder auf den Künstler und Freund Arthur Segal, der von Berlin aus in die Schweiz (Tessin) geflüchtet war, um den Fängen des Krieges zu entgehen. Er hatte sich den Aussteiger*innen am Monte Verità – dem „Wahrheitsberg“ - angeschlossen, einer kommunitären Arbeits- und Lebensgemeinschaft mit Kunstaffinität. In der Tradition der Lebensreformbewegung fanden in den Jahren 1900 bis 1920 viele Künstler*innen und Intellektuelle einen Ort um der Moderne, die mit Beschleunigung assoziiert wurde, zu entfliehen und alternative Lebensmodelle zu erproben (z.B. Veganismus, Nudismus, Ausdruckstanz).

Es stießen mit der Zeit auch immer wieder Künstlerfreunde aus München zu der kleinen Gemeinde in der Südschweiz, wie Paul Klee, Alexej Jawlensky und Marianne von Werefkin. Lou Albert-Lasards Malerei bewegte sich daher weiter im Kontext der Münchner Künstlerkollegen und auch mit deutlichem Einfluss von Cézanne: ihre Farben wurden intensiver und die Form - zu Farbflecken vereinfacht - ordnete sich unter. Außerdem wurde Farbe zugleich zu einem materiell erfahrbaren Element, sie wurde dick aufgetragen und bekam eine haptische Qualität. Trotzdem hat Albert-Lasard den Bezug zur Gegenständlichkeit nie vollends verloren, auch wenn Kandinskys Einfluss und Abstraktionsbezug beizeiten eine Rolle in ihrem Werk spielten.

Titel
Berlin
Adresse

Nürnbergerstraße 5
10787 Berlin
Deutschland

Adressbeschreibung
Atelier
Geo Position
52.50460214556, 13.340299869697
Stationsbeschreibung

Nach Kriegsende verließ Albert-Lasard ihre Kreise in Ascona und München und ging nach Berlin, wo ein großer Teil ihrer Kunstwerke entstand. In der Stadt hatte sie durch Rilke bereits einige Bekannte. Nachdem sie zunächst im Grunewald lebte, bezog sie 1923 ein Atelier in der Nürnberger Straße 4. Es wurde bald darauf zum Treffpunkt der Berliner Bohème und verschiedenster Künstler*innen und Literat*innen. Hier richtete sie stadtbekannte Feste für viele Gäste aus.

Sie freundete sich mit Dadaist*innen und Mitgliedern der Novembergruppe an, mit denen sie auch zusammen ausstellte. Diese Künstlergruppen waren Abbild und Motor des gesellschaftlichen Aufbruchs dieser Zeit im Kulturbereich. Die Malerin stand in Kontakt zur Zeitschrift „Querschnitt“, eine damals bekannte kulturelle Zeitschrift, in der sie regelmäßig Grafiken veröffentlichte. 1922 organisierte El Lissitzky in der Galerie von Diemen eine große Ausstellung russischer Künstler*innen - die „Erste Russische Kunstausstellung“. Dort lernte Lou Albert-Lasard den Künstler Marc Chagall kennen, dessen Porträt sie zeichnete.

1925 stellte sie in der Galerie Flechtheim unter Anderem ihre „Montmartre“-Mappe aus (siehe nächstes Kapitel). Den Galeristen Alfred Flechtheim lernte sie noch in Paris kennen. Er ermöglichte Lou ihre bis dato größte Ausstellung. 1921 zeigte sie einige Arbeiten in der Galerie Fraenkel, 1923 in der Galerie Nierendorf und immer wieder auch in der Malschule ihres langjährigen Freundes Arthur Segal.

Ihre Kunst dieser Zeit verschafft den Betrachter*innen einen Eindruck in das Berliner Leben in den Weimarer Jahren, das für eine kleine bürgerliche Schicht kulturellen Aufbruch, neue Freiheiten und künstlerisches Experimentieren bedeutete. Die als exzentrisch beschriebene Albert-Lasard lässt sich als Vertreterin des Typus der „Neuen Frau“ einordnen. Ab den 1920er Jahren waren jene selbstbewussten Frauen immer häufiger anzutreffen: sie trotzten der ihnen zugewiesenen Rolle als Hausfrau und Mutter, und beanspruchten neue Berufe für sich. 

Die Sujets von Albert-Lasards Bildern bezeugen, dass sie in Kreisen rund um das Varieté, die Theater, Zirkusse und Tanzbars der Stadt verkehrte. Zu jener Zeit boomte die Revue. Die Scala war eine der berühmtesten Varieté-Bühnen Deutschlands und inspirierte Lou zu ihrem Kunstwerk „Ball in der Scala“. Auch die weltberühmte Tänzerin Josephine Baker trat in Berlin auf und wurde von Albert-Lasard gemalt. Ihr Kunststil passte sich wiederum ihrem erstarkten Selbstbewusstsein an. Ihre ehemals recht helle Farbpalette wurde dunkler und satter, ihre Farbflecken wurden konstruktiver, fast schon bauklotzartig, und bauten das Bild in strenger Komposition auf.

Titel
Paris
Adresse

Boulevard Raspail
75014 Paris
Frankreich

Adressbeschreibung
Wohn- und Arbeitsort
Geo Position
48.83477726925, 2.3324612913638
Stationsbeschreibung

1928 siedelte Lou Albert-Lasard endgültig nach Paris über. 1927 starb ihr Vater und hinterließ ihr ein Erbe, das ihr die finanziellen Mittel für den Umzug ermöglichte. Das Paris der späten 1920er Jahre war noch immer erfüllt von der überbordenden Auswahl diverser Vergnügungsangebote und dem intellektuellen Geist der kosmopolitischen Kunst- und Literatenszene. Die privaten Salons, beispielsweise der Geschwister Leo und Gertrude Stein, versammelten die intellektuelle Elite einer ganzen Generation. Hier trafen die Vordenker*innen der Avantgarde verschiedenster Sparten aufeinander, diskutierten ihre großen Ideen und Pläne und beflügelten sich gegenseitig.

Mit ihrer „Montmartre“-Serie, in der sie mit Schwung und Frivolität das Pariser Nachtleben der Nachkriegszeit festhielt, verschaffte sie sich 1926/27 eine Ausstellung in der Galerie Fabre. Auch in Paris war sie schon bald festes Mitglied der lokalen Bohème. Die Künstlerinnen und Künstler Jean Cocteau, Fernand Léger, Henri Matisse, Alberto Giacometti, Robert Delaunay, André Breton, Nathalie Clifford-Barney, Kiki und Thèrése Treize konnte man zu ihrem engsten Bekanntenkreis zählen. 1933 gesellten sich auch immer mehr aus Deutschland emigrierte Freund*innen dazu: der Literat Mynona, der Reporter Egon Erwin Kisch, die österreichische Künstlerin Alma Mahler, Julius Maier-Graefe sowie die Schriftsteller Lion Feuchtwanger und Franz Werfel. Anfangs war Lou Albert-Lasard sicher in Paris. Sie unternahm große Reisen, wie zum Beispiel 1934 nach Marokko und Spanien.

Ab Mai 1940 wurden Personen deutscher und österreichischer Herkunft in Paris, unabhängig davon, ob es sich um NS-Verfolgte, Emigrant*innen oder Nationalsozialist*innen handelte, als „unerwünschte Ausländer“ interniert, auch Lou und ihre Tochter Ingo. Lou Albert-Lasard und ihre Tochter wurden mit anderen Frauen im Velodrôme d'hiver zusammengetrieben und in das am Fuße der Pyrenäen gelegene französische Internierungslager Gurs gebracht.

Die dortige Mitgefangene Hanna Schramm, Pädagogin und Autorin, schrieb später über Albert-Lasards Alltag im Lager, den sie dazu nutzte, in Zeichnungen und Aquarellen Porträts ihrer Mitgefangenen und Szenen aus dem Lagerleben festzuhalten:

„Im Sommer 1940 hatten wir Lou Albert-Lazard, […] mit dem Skizzenblock unterm Arm herumwandern und nach Modellen fahnden sehen. Die Frauen waren zuerst irritiert, aber dann gewöhnten sie sich an die ‘verrückte Malerin’, wenn sie sie, in einer Ecke der Waschbaracke hockend, als Aktmodelle benutzte. So entstanden zahllose Blätter mit rasch hingeworfenen, sehr reizvollen Skizzen.“ (Schramm 1977, S. 124)

Im August 1940, nach der Kapitulation Frankreichs am 22. Juni 1940, konnten Lou und ihre Tochter nach etwa drei Monaten das Lager verlassen, und nach Paris zurückkehren.

Titel
Reisen & Rezeption
Stationsbeschreibung

Lou Albert-Lasard unternahm gemeinsam mit Tochter Ingo viele Reisen: Es verschlug sie beispielsweise im Jahr 1938 nach Indien, China und Indochina. Trotz einer Gehbehinderung gelangte sie sogar bis nach Tibet. Die Besteigung des Himalayas wurde durch die Hilfe eines Tragstuhls oder eines Pferdes möglich. Als alleinstehende Frauen in den 1930er Jahren bedeutete das Reisen für sie, sich über Vorurteile und gesellschaftliche Grenzen hinwegzusetzen.

Sie hielt diese Orte künstlerisch in Aquarellen fest, die sehr beliebt bei Galeristen waren. Die Galerie Charpentier in Paris stellte sofort eine Ausstellung auf die Beine. In ihrem Leben musste Lou Albert-Lasard stets mit vielen Krankheiten kämpfen. Ihre Tochter Ingo unterstützte und pflegte sie für viele Jahre. Lou Albert-Lasard starb am 21. Juli 1969 in Paris.

Erst ab den 1980er Jahren, als in der Bundesrepublik Deutschland ein Wandel in der Erinnerungskultur zum Nationalsozialismus einsetzte, und die Zweite Frauenbewegung auch in Bereichen wie der Kunst nachwirkte, wurde die Geschichte der Künstlerin wiederentdeckt. Im Jahr 1983 zeigte die Berlinische Galerie eine Ausstellung, die sich unter dem Titel „Gemälde, Aquarelle, Grafik“ allein ihr und ihrem Werk widmete. Das Museum hatte nunmehr seine Aufgabe darin erkannt, „Kunst wiederzuentdecken“, die vor dem Nationalsozialismus entstanden und danach „vergessen“, das heißt, gesellschaftlich verdrängt worden war, was als „Spätfolgen der nationalsozialistischen Kulturbarbarei“ verstanden werden kann (s. Roters in Gemälde, Aquarelle, Grafik., 1983, S. 7).

Bis zu diesem Zeitpunkt war Lou Albert-Lasard der kulturinteressierten Öffentlichkeit lediglich als Korrespondentin und Partnerin/Geliebte von Rainer Maria Rilke bekannt. Er hatte ihr viele künstlerische Impulse und geistig anregende Gespräche zu verdanken. Wie so viele Frauen, die an der Seite von Kulturschaffenden und Intellektuellen die damalige Zeit mitprägten, war auch Lou Albert-Lasard lange nur eine Nebenrolle im Schatten von Rilke beschieden. 

Sterbedatum
21.7.1969
Sterbeort
Paris

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Autor
Nina Fischäss,
Sarah von Holt
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