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In Nürnberg bestand im 19./20. Jahrhundert (von 1874 bis 1943) unter dem Dach der liberal geprägten Hauptgemeinde der orthodox-jüdische Verein Adas Israel („Adaß Jisroel“, „Israelitische Religionsgesellschaft“).
  
Die Entstehung des Vereins geht auf die in den 1860er-Jahren starke liberale Einstellung der Mehrheit der Nürnberger jüdischen Familien zurück. Deutsche Gebete, die Einführung eines dreijährigen statt traditionell einjährigen Zyklus der Toralesungen in der Synagoge, die in der neuen Synagoge geplante Orgel und anderes mehr führten dazu, dass sich ein Teil der jüdischen Familien im Sommer 1874 entschloss, einen Separatgottesdienst einzuführen, in dem die Gebete nach altem Ritus verrichtet, die traditionellen Gebräuche eingehalten und der einjährige Zyklus der Toralesungen beibehalten wurde. Die Initiative zur Gründung von Adas Israel ist wesentlich von dem seit 1874 in Nürnberg ansässigen Lehrer Salomon Ansbacher ausgegangen (1843 - 1911). An seiner Seite stand vor allem Berthold Horwitz, der in den folgenden fast 25 Jahren Leiter des Vereins wurde (siehe unten Bericht zu seinem Tod 1919). Die amtliche Anerkennung als Verein wurde am 17. März 1876 erteilt. Rabbiner Dr. Levin von der Kultusgemeinde unterstützte weitgehend die Bemühungen des Vereins Adas Israel.            
     
An Einrichtungen des Vereins bestanden ein Betsaal, seit 1902 eine Synagoge, eine Schule (seit 1875 Religionsschule, seit 1920 auf Grund der Bemühungen von Rabbiner Dr. Klein Israelitische Volksschule - für die ganze Gemeinde) und ein rituelles Bad (auf Grund einer Forderung der orthodoxen Gemeindeglieder 1865 im Wildbad - Hintere Insel Schütt 15 - gleichfalls für die ganze Gemeinde eingerichtet). Ein separater orthodoxer Friedhof wurde nicht eingerichtet. Zur Besorgung religiöser Aufgaben war zunächst ein Lehrer (Religionslehrer) angestellt, der zugleich als Vorbeter tätig war. Daneben wurde ein von orthodoxen Rabbinern empfohlener Schochet angestellt: seit 1875 war dies der zuvor in Bad Kissingen tätige und vom Würzburger Rabbinat empfohlene Herr Schatt. Lehrer Salomon Ansbacher blieb bis 1909 beziehungsweise bis zum seinem Tod 1911 für den Verein tätig. Da er als „Rabbinatskandidat“ zugleich rabbinische Funktionen für den Verein wahrgenommen hatte, bemühte sich Adas Israel nach seiner Zurruhesetzung um die Anstellung eines eigenen Rabbiners. Auf Grund eines zwischen der Kultusgemeinde und Adas israel geschlossenen Vertrages vom 12. Januar 1908 wurde dies dem Verein erlaubt (im Unterschied zum Rabbiner der Kultusgemeinde hieß der Rabbiner von Adas Israel auch „Vereins-Rabbiner“). 1909 konnte mit Rabbiner Dr. Arnold Klein die Stelle des Rabbiners der Adas Israel besetzt werden. Zusätzlich stellte der Verein einen Kantor an: bereits seit 1902 oder wenige Jahre später war - bis 1919 oder zu seinem Tod 1923 - in dieser Funktion der aus Nikolsburg (heute Mikulov, Südmähren) stammende Kantor Adolf Neufeld bei Adas Israel tätig. Von 1919 bis zu seinem Tod 1931 war Oberkantor der Adas Israel Jakob Steinfeld.   
 
Nachdem 1920 auf Grund der Bemühungen von Rabbiner Dr. Klein eine Israelitische Volksschule in den Räumen der Adas Israel eingerichtet werden konnte (für jüdische Schülerinnen und Schüler aus der ganzen Nürnberger Gemeinde), übernahm Dr. Isaak Bamberger (geb. 1874 in Lengnau, gest. 1950 in Jerusalem) die Leitung dieser Schule.
 
Um 1924, als zu Adas Israel (beziehungsweise Israelitische Religionsgesellschaft) fast 400 Personen gehörten, waren die Vorsteher Nathan Goldberger (gest. 1935), Prof. Dr. Josef Tachauer, Baruch Marx, Maier Stern, Hirsch Weißmann, Bermann Adler, Alfred Klugmann, Benjamin Wolff und Moritz Uhlmann. Verschiedene Kommissionen arbeiteten dem Vorstand zu, insbesondere eine Finanzkommission, eine Kaschrut-Kommission (Vorsitz: Rabbiner Dr. Klein) und eine Schulkommission (Vorsitz: Prof. Dr. J. Tachauer). Die Volksschule der Israelitischen Religionsgesellschaft besuchten 1924 150 Kinder (aus der ganzen jüdischen Gemeinde Nürnbergs), die neben Dr. Isaak Bamberger vor allem durch Lehrer Emanuel Heß (seit 1921 Oberlehrer und Obmann an der Adass-Schule, gest. 1933) unterrichtet wurden. 
  
An eigenen jüdischen Vereinen hatte Adas Israel den Wohltätigkeitsverein Gemilus chesed (1924 unter Leitung von Bermann Adler), den Männerverein Agudas Jisroel (verwaltet von Dr. Lazarus Eisemann und Herrn Sichel; Zweck und Arbeitsgebiet: u.a. zinsfreie Darlehen für kleine Geschäftsgründungen), die jüdische Frauenvereinigung Esras Noschim (gegründet 1915; 1924 unter Leitung von Mathilde Goldberger; zu den Zwecken und Arbeitsgebieten), den Jünglingsverein („Bachurim“; 1924 unter Leitung von Jakob Kohn). Als Stiftung bestand die „Krankenheimstiftung“ von Nathan Goldberger.  
  
Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Gemeindezentrum der Adas Israel mit der Synagoge zerstört. 
 
Unter den Ermordeten der NS-Zeit ist auch der langjährige Gemeindevorsteher Lehmann (Leo) Katzenberger (geb. 1873 in Massbach), der am 3. Juni 1942 als Opfer der NS-Rassenjustiz nach einem Schauprozess des Sondergerichts Nürnberg schuldlos verurteilt und hingerichtet wurde. 

Literatur
http://www.alemannia-judaica.de/nuernberg_adas_israel.htm#Zur%20Geschichte%20der%20Synagoge
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