<p>Mingolsheim und Langenbrücken das heutige Bad Schönborn, gehörten vom 13. Jahrhundert bis 1803 zum Hochstift Speyer. Der jeweilige Bischof von Speyer war zugleich weltliches und geistliches Oberhaupt seines Territoriums. Der für beide Orte zuständige Amts- und Verwaltungssitz der Fürstbischöfe war bis 1722 das Schloss Kislau. Bald nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges wurden in Mingolsheim Juden in größerer Zahl aufgenommen. 1720 lebten hier fünf jüdische Familien, doch scheint es bereits früher jüdische Einwohner am Ort gegeben zu haben. Als "Schutzjuden" mussten sie den Fürstbischöfen hohe Abgaben entrichten und dienten diesen vor allem als Einnahmequelle.</p><p>Mit der Gründung des Großherzogtums Baden änderte sich allmählich die Rechtsstellung der Juden, 1862 erhielten sie schließlich das volle Staatsbürgerrecht. Die Gleichstellung ermöglichte ihnen endlich die freie Berufswahl, Handwerk und Landwirtschaft zu betreiben und die Zulassung zur Allmende (Nutzungsrecht an Gemeindewiesen und Brennholz, sowie Anrecht auf Armenfürsorge). Zuvor stand ihnen nur der Gebrauchtwaren- und Viehhandel offen und einigen wenigen auch der Geldverleih. In der Gemeinde gründeten jüdische Bürger mehrere Zigarrenfabriken und in Langenbrücken war die Möbelfirma Basnizki ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.</p><p>1875 erreichte der jüdische Bevölkerungsanteil in Mingolsheim 77 Personen (3,9% von insgesamt 1972 Einwohnern), in Langenbrücken zog damals die erste jüdische Familie zu. Die jüdischen Bürger lebten hauptsächlich vom Vieh- Hopfen- und Getreidehandel.</p><p>An Einrichtungen gab es eine Synagoge, eine jüdische Religionsschule, ein rituelles Bad, sowie ab 1878 einen eigenen Friedhof.</p><p>Aufgrund der allgemeinen Verarmung der Kleinbauern wanderten- mit der freien Wohnortwahl- nun immer mehr jüdische Einwohner in die Städte ab.</p><p>1933 lebten noch 14 jüdische Bürger in Mingolsheim und acht in Langenbrücken. Mit der Machtergreifung der Nazis begann in ganz Deutschland der Boykott und mit ihm die systematische Entrechtung, Ausgrenzung, Kriminalisierung und Enteignung der jüdischen Bevölkerung. Die zunehmenden Repressalien zwangen sie ihre Heimat zu verlassen. Die meisten wanderten nach Argentinien, Frankreich, USA und Plästina aus.</p><p>Die letzten fünf jüdischen Einwohner, denen eine Flucht nicht möglich war, wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert.</p><p> </p>
Complete profile
70
Koordinate
49.2203025, 8.6577054413339
Bundesland
Baden-Württemberg
Ereignisse
Titel
Erste namentliche Erwähnung von Jüdinnen*Juden in Bad Schönborn- OT Mingolsheim
Ereignisart
Datum Von
1530-01-01
Datum Text
1530
Datum bis
1530-12-31
Epoche universalgeschichtlich
Titel
Ansiedlung von fünf jüdischen Familien am Ort mit 26 Personen
Ereignisart
Datum Von
1720-01-01
Datum Text
1720
Datum bis
1720-12-31
Epoche universalgeschichtlich
Titel
Die Ansiedlung von Jüdinnen*Juden erreicht die Höchstzahl von 77 Personen in 18 Familien
Ereignisart
Datum Von
1800-01-01
Datum Text
19. Jahrhundert
Datum bis
1899-12-31
Epoche universalgeschichtlich
Titel
Es entstehen Handels- und Gewerbebetriebe. Mingolsheim wird Knotenpunkt des regionalen Viehhandels
Ereignisart
Datum Von
1800-01-01
Datum Text
19. Jahrhundert
Datum bis
1899-12-31
Epoche universalgeschichtlich
Titel
Am Ort leben noch 13 jüdische Personen, weitere acht Personen im OT Langenbrücken
Ereignisart
Datum Von
1933-01-01
Datum Text
1933
Datum bis
1933-12-31
Epoche universalgeschichtlich
Titel
Alle jüdischen Unternehmen werden geschlossen, oder "zwangsarisiert"
Ereignisart
Datum Von
1935-01-01
Datum Text
1935-1938
Datum bis
1938-01-01
Epoche universalgeschichtlich
Titel
Demolierung der Wohnungseinrichtung von Familie Östreicher und Falk. Die Synagoge blieb verschont
Ereignisart
Datum Von
1938-11-10
Datum Text
10. November 1938
Datum bis
1938-11-10
Epoche universalgeschichtlich
Titel
Die letzten fünf jüdischen Einwohner wurden nach Gurs deportiert
Ereignisart
Datum Von
1940-10-22
Datum Text
22. Oktober 1940
Datum bis
1940-10-22
Epoche universalgeschichtlich
Weiterführender Link
Literatur
Gaßner, Klaus, Bad Schönborner Geschichte- Die Chronik der wiedervereinigten Dörfer Mingolsheim und Langenbrücken, Bd. 2: Vom Großherzogtum Baden bis zur Gemeindefusion 1971, Bad Schönborn 2015.
Messmer, Willy, Juden unserer Heimat, Bad Schönborn 1986.
Messmer, Willy, Der jüdische Friedhof, Bad Schönborn 1988.
Messmer, Willy, Judenschicksale in Bad Schönborn- Mingolsheim, in: Jahrbuch des Landkreises Karlsruhe, Karlsruhe 1988. S. 61-81.
Stude, Jürgen, Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, Karlsruhe 1990.
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