Husener Straße 13
33098 Paderborn
Deutschland
<p>In den 1850er-Jahren ließ sich Fanny Nathan (1803-1877) von der desolaten Situation jüdischer Waisenkinder des Paderborner Landes bewegen, ein Waisenhaus für die Provinz Westfalen zu gründen. Am 1. März 1856 eröffnete die Anstalt in ihrem Haus am Domplatz 14. Bereits 1857 wurde das Einzugsgebiet auf das Rheinland ausgedehnt. Wegen steigender Kinderzahl entstand in der Leostraße 3 das neue „Jüdische Waisenhaus für die Provinzen Westfalen und Rheinland“, das am 1. August 1863 bezogen wurde. Mit der NS-Machtübernahme 1933 begann für die jüdische Bevölkerung eine Zeit der Diskriminierung und Ausgrenzung, die in Verfolgung und Vernichtung mündete. Die „Nürnberger Gesetze“ des Jahres 1935 sorgten dafür, dass die Ausbildungs- und Lehrmöglichkeiten jüdischer Jugendlicher nahezu ausgeschlossen waren. Das Waisenhaus sah sein Erziehungsziel nun in der Förderung einer „Berufsausbildung nach der Entlassung aus der Anstalt im Hinblick auf eine Auswanderung“.</p><p>Insbesondere nach der Zerstörung der Synagoge 1938 und der Auflösung der jüdischen Vereine, wird das Waisenhaus mit seinem Synagogenraum religiöses Zentrum der verbliebenden jüdischen Gemeinde. Kinder und Jugendlichen werden zunehmend auf eine Auswanderung vorbereitet. Nach 1939 ist das Waisenhaus besonders für Kinder und für ältere Menschen, die im Zuge der „Arisierungsmaßnahmen“ aus ihren Häusern und Wohnungen vertrieben worden waren, letzter Zufluchtsort, ehe die Deportationen einsetzen.</p><p>Seit Oktober 1941 war Juden die Auswanderung verboten. Bereits im Dezember 1941 zeigten sich im Waisenhaus erste Auflösungszeichen, indem einige Kinder die Einrichtung verließen. Die verbliebenen Bewohner des Waisenhauses erhielten zum 31. Mai 1942 die Räumungsaufforderung. Einige Kinder und Beschäftigte gingen zunächst zurück in ihre Heimatorte, die meisten reisten jedoch in die Gartenbauschule nach Ahlem bei Hannover, von wo aus sie in Ghettos oder Vernichtungslager deportiert wurden.</p>
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