Stadtspaziergang Frankfurt am Main: Hinaus aus dem Ghetto

Der Spaziergang „Hinaus aus dem Ghetto“ vollzieht den Verlauf der Mitte des 15. Jahrhunderts von der Stadt Frankfurt eingerichteten Judengasse nach und bewegt sich dabei vom Leben in der engen und stickigen Gasse hinaus ins Fischerfeldviertel, in dem sich viele Jüdinnen und Juden nach Ende des Ghettozwangs niederließen. Mehr als 300 Jahre lang, von 1462 bis zur napoleonischen Zeit, hatten die Frankfurter Juden in der 330 Meter langen und durchschnittlich drei Meter breiten Gasse leben müssen. Entlang der staufischen Stadtmauer gebaut, zog sich die Judengasse von der Bornheimer Pforte im Norden bis zum Rechneigraben im Süden. Im Laufe der Zeit wurde die Bebauung immer enger und höher; Anfang des 18. Jahrhunderts lebten hier etwa 3000 Menschen. Drei Tore, die abends sowie an Sonn- und Feiertagen geschlossen wurden, sperrten die Gasse ab und die Bewohner ein. 1796 wurde das Frankfurter Ghetto – eher zufällig – während der Revolutionskriege durch den Beschuss französischer Artillerie teilweise in Brand gesetzt und damit gleichzeitig die Mauern niedergerissen, welche die jüdische von der christlichen Bevölkerung trennten. Von der Aufhebung des Ghettozwangs 1812 bzw. 1824 war es aber noch ein langer Weg bis zur vollständigen bürgerlichen Gleichstellung im Jahr 1864 bzw. 1871. Vom Willen der jüdischen Gemeinschaft Teil der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft zu werden, zeugen zahlreiche Lebenswege und Interventionen. Das 19. Jahrhundert ist auch die Zeit der Auseinandersetzung um das Wesen der Gemeinde. Die teilweise erbittert geführten Konflikte zwischen Reformern und Orthodoxen führten unter anderem zur Abspaltung der „neo-orthodoxen“ Israelitischen Religionsgesellschaft. Nicht zuletzt wird im Rahmen des Spaziergangs „Hinaus aus dem Ghetto“ auch der Themenkomplex der Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden behandelt. Die 11.908 Metallblöcke, die 1996 und 2010 entlang der Außenmauer des Alten Jüdischen Friedhofs angebracht wurden, erinnern an die als Juden verfolgten und ermordeten oder sonst zu Tode gekommenen Bürgerinnen und Bürger mit biografischem Bezug zur Stadt Frankfurt am Main. Die Forschungsergebnisse zur nationalsozialistischen Judenverfolgung in Frankfurt sind seit 2022 auch online abrufbar über www.shoah-memorial-frankfurt.de.

Adresse

An der Staufenmauer 11
60311 Frankfurt am Main
Deutschland

Dauer
60.00
Literatur
Fritz Backhaus, Raphael Gross, Sabine Kößling und Mirjam Wenzel (Hrsg.), Die Frankfurter Judengasse : Katalog zur Dauerausstellung des Jüdischen Museums Frankfurt : Geschichte, Politik, Kultur, C.H. Beck Verlag, München 2016.
Fritz Backhaus, Raphael Gross, Sabine Kößling und Mirjam Wenzel (ed.), The Judengasse in Frankfurt : catalog of the permanent exhibition of the Jewish Museum Frankfurt : history, politics, culture, C.H. Beck Verlag, München 2016.
Wolfgang Treue, Judengasse und christliche Stadt : Religion, Politik und Gesellschaft im frühneuzeitlichen Frankfurt am Main, Campus Verlag, Frankfurt/New York 2023.
Länge
0.70
Stationen
Adresse

Judengasse (heute: An der Staufenmauer 11)
60311 Frankfurt am Main
Deutschland

Geo Position
50.113866519912, 8.6866411249299
Titel
Goldener Apfel
Literatur
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Best. S5 Nr. 644-1.
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Best. S5 Nr. 644-2.
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Best. S2 Nr. 6252.
Paul Arnsberg, Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution, Bd. 3, S. 239-241.
Stationsbeschreibung

Das Haus Goldener Apfel wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erbaut und befand sich am nördlichen Ende der Judengasse. Über die Jahrhunderte hinweg lebten in dem Gebäude Familien, die in den überlieferten Visitationslisten als Krämer und Hausierer, Kleiderhändler oder Verkäufer von Leinwand geführt wurden. Im Zuge der Bombardierung Frankfurts durch französische Artillerie wurde der nördliche Teil der Judengasse 1796 schwer beschädigt, so auch das Haus Goldener Apfel. Joseph Moses Rindskopf erwarb im Jahr 1809 die Liegenschaft und baute ein repräsentatives Haus aus Stein, welches sich über fünf Grundstücke erstreckte. Die Keller waren weitgehend erhalten geblieben und wurden in das neue Gebäude integriert. Die Spuren des Bauherrn sind noch heute dort zu finden. Eine Bauinschrift, ein sogenannter Schlussstein, nennt seine Initialen und das Baujahr „IMR 1809“. 1860 erwarb der Antiquar Isaac Kauffmann das Gebäude und betrieb hier ab 1861 eine hebräische Buchhandlung. Nach Kauffmanns Tod im Jahr 1884 betrieben sein Sohn Ignatz Kauffmann und später der Enkel Felix Kauffmann Buchhandlung und Verlag weiter. 1900/01 kam die Buchdruckerei M. Lehrberger & Co. hinzu, die ebenfalls im Besitz von Ignatz Kauffmann war. Der Kauffmann’sche Buchverlag avancierte zu einem der größten und bekanntesten seiner Sparte im Deutschen Reich. Joseph Rindskopf und seine Söhne wie auch Isaac und Ignatz Kauffmann mussten darum kämpfen, in Frankfurt als gleichberechtigte Bürger anerkannt zu werden. Denn nach dem Sieg über die französischen Revolutionstruppen und der folgenden Reaktion nach 1815 hatte die Stadt Frankfurt Jüdinnen und Juden bereits zugestandene Rechte wieder genommen. Erst 1864 bzw. 1871 trat die rechtliche Gleichstellung in Kraft. Im Keller des Goldenen Apfels (An der Staufenmauer 11) wird seit 2024 eine Ausstellung zur Geschichte des Gebäudes, zu seinen Eigentümern sowie über den Kampf der Frankfurter Juden für Emanzipation im 19. Jahrhundert gezeigt. Die Öffnungszeiten entnehmen Sie bitte der Homepage des Jüdischen Museums https://www.juedischesmuseum.de/besuch/goldener-apfel/.

Adresse

Judengasse (heute: Kurt-Schumacher-Straße 41)
60311 Frankfurt am Main
Deutschland

Geo Position
50.1135112, 8.6875621
Titel
Hauptsynagoge
Literatur
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Best. S3 Nr. 5454.
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Best. S3 Nr. 5458.
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Best. H.17.10 Nr. 139.
Paul Arnsberg, Bilder aus dem jüdischen Leben im alten Frankfurt, Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1970, S. 85-92.
Paul Arnsberg, Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution, Bd. 2, Struktur und Aktivitäten der Frankfurter Juden, Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1983, S. 21-27.
Cornelia Berger-Dittscheid, Die Frankfurter Synagogen des 19. Jahrhunderts. Ringen um religiöse Identität und Integration in die großstädtische Gesellschaft, in: Christian Wiese/Mirjam Wenzel et al. (Hrsg.), Das jüdische Frankfurt – Von der Emanzipation bis 1933, De Gruyter, Berlin/Boston 2023, S. 329-351.
Aron Freimann/Isidor Kracauer, Frankfort, The Jewish Publication Society of America, Philadelphia 1929, S. S. 262-274.
Rahel Heuberger/Helga Krohn, Hinaus aus dem Ghetto… Juden in Frankfurt am Main 1800-1950, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1988, S. 71-73.
Salomon Korn, Synagogen und Betstuben in Frankfurt am Main, in: Hans-Peter Schwarz (Hrsg.), Die Architektur der Synagoge, Klett-Cotta, Stuttgart 1988, S. 347-395.
Stationsbeschreibung

Bereits vor der 1860 eingeweihten Hauptsynagoge befanden sich an dieser Stelle die Synagogen der Jüdischen Gemeinde. Die älteste Synagoge auf dem Gebiet der Judengasse war 1711 bei einem Großbrand zerstört worden. Unter Leitung des Maurermeisters Daniel Kayser wurde innerhalb weniger Monate ein neuer Synagogenkomplex errichtet. Der barocke Bau mit flach geneigten Dächern und Rundbogenfenstern beherbergte den großen Betsaal, eine Jeschiwa, eine Frauensynagoge sowie einen Versammlungsraum der Baumeister (d.h. des Gemeindevorstands). 1854 wurde die Synagoge abgerissen. Die Gemeinde ließ an derselben Stelle einen modernen und voluminösen Neubau errichten nach Entwürfen des Frankfurter Architekten Johann Georg Kayser in maurisch-byzantinischem Stil. Im Saal waren knapp 600 Sitzplätze für Männer, auf den Emporen 500 Plätze für Frauen vorhanden. Die zum damaligen Zeitpunkt größte und prächtigste Synagoge der Stadt war auch ein Symbol der Dominanz des Reformjudentums in Frankfurt. Gebetet wurde in deutscher Sprache. Rabbiner Leopold Stein hatte zudem Orgel und Chor eingeführt. Bei der Einweihungsfeier am 23. März 1860 kam es zum Eklat, als Rabbiner Stein den Abriss der „abscheulichen Judengasse“ forderte. Die langjährigen Konflikte zwischen Gemeindevorstand und dem Rabbiner endeten mit dem Rücktritt Steins im Jahr 1862. Sein Nachfolger wurde Abraham Geiger. Heute erinnert eine Granittafel an die Hauptsynagoge, die in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 von SA-Männern und ihren Mitläufern in Brand gesteckt wurde. Die ausgebrannte Ruine wurde im Folgejahr abgerissen. Auf Initiative der US-Militärregierung wurde 1946 eine Gedenktafel installiert. Seit 2024 erinnern Bild- und Texttafeln im Durchgang zwischen Kurt-Schumacher-Straße und An der Staufenmauer an die Hauptsynagoge.

Adresse

Battonnstraße 47
60311 Frankfurt am Main
Deutschland

Geo Position
50.1123833, 8.6889541
Titel
Museum Judengasse
Literatur
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Best. S3 Nr. 28993.
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Best. A.63.03 Nr. 354.
Fritz Backhaus/Gisela Engel/Robert Liberles/Margarete Schlüter (Hrsg.), Die Frankfurter Judengasse. Jüdisches Leben in der frühen Neuzeit, Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 2006.
Fritz Backhaus/Raphael Gross/Sabine Kößling/Mirjam Wenzel, Die Frankfurter Judengasse. Geschichte, Politik, Kultur (Katalog zur Dauerausstellung des Jüdischen Museums Frankfurt), C.H.Beck, München 2016.
Michael Best (Hrsg.), Der Frankfurter Börneplatz. Zur Archäologie eines politischen Konflikts, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1988.
Thorsten Burger, Frankfurt am Main als jüdisches Migrationsziel zu Beginn der Frühen Neuzeit. Rechtliche, wirtschaftliche und soziale Bedingungen für das Leben in der Judengasse, Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, Wiesbaden 2013.
Wolfgang Treue, Judengasse und christliche Stadt. Religion, Politik und Gesellschaft im frühneuzeitlichen Frankfurt am Main, Campus Verlag, Frankfurt/New York 2023.
Egon Wamers/Markus Grossbach, Die Judengasse in Frankfurt am Main. Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen am Börneplatz, Thorbecke, Stuttgart 2000.
Stationsbeschreibung

Die Frankfurter Judengasse zählte einst zu den wichtigsten Zentren jüdischen Lebens in Europa. Die Dauerausstellung im Museum Judengasse präsentiert ihre Geschichte und fokussiert dabei auf jüdisches Alltagsleben in der frühen Neuzeit. Im Mittelpunkt des Museums stehen archäologische Überreste von fünf Häusern der Frankfurter Judengasse. Im Jahr 1460 hatte der Frankfurter Rat beschlossen, die jüdische Bevölkerung aus der Altstadt im Bereich südlich des Doms in ein neu anzulegendes Ghetto umzusiedeln. Bis 1462 mussten die Frankfurter Jüdinnen und Juden in die durch Mauern und von außen abschließbaren Tore vom Rest der Stadt getrennte Judengasse umziehen. Dort verwalteten sie sich selbst; ehrenamtliche Gemeindevorsteher regelten das Zusammenleben. Es gab Synagogen, Ritualbäder, Betschulen und sonstige Einrichtungen des religiösen Lebens. Wohltätige Vereine unterstützten ärmere Bewohner*innen. Die Frankfurter Rabbiner waren wegen ihrer Gelehrsamkeit weit über die Grenzen der Stadt hinaus geachtet. Die Bewohner*innen der Judengasse sprachen Jiddisch, sie lebten und arbeiteten gemäß jüdischer Traditionen und des jüdischen Kalenders. Die jüdische Lebenswelt war durch einen engen Austausch mit der christlichen Stadtgesellschaft geprägt, von der aber auch regelmäßig antijüdisches Ressentiment bis hin zu Pogromen ausging. Zuletzt lebten hier auf engstem Raum etwa 3.000 Personen. In den Revolutionskriegen zerstörten französische Truppen 1796 den nördlichen Teil des Ghettos; im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde die Judengasse niedergelegt. Anhand der Fundamente der Gebäude Steinernes Haus, Warmes Bad, Sperber, Roter und Weißer Widder wird das Leben und die Lebensbedingungen der Bewohnerinnen und Bewohner nachempfunden. Ein besonderes Highlight ist die historische Mikwe im Keller des Steinernen Hauses. Teil der Ausstellung ist auch die von Protesten begleitete Gründungsgeschichte des Museums. Jüdische und nichtjüdische Aktivisten kämpften 1987 mit Baustellenbesetzungen und Demonstrationen dafür, dass die Fundamente in ihrer Gesamtheit und Authentizität erhalten werden.

Adresse

Battonnstraße 47
60311 Frankfurt am Main
Deutschland

Geo Position
50.112238, 8.689877
Titel
Alter Jüdischer Friedhof
Literatur
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Best. S3 Nr. 8207
Michael Brocke, Der alte Jüdische Friedhof zu Frankfurt am Main. Unbekannte Denkmäler und Inschriften (Herausgegeben von der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Frankfurter Juden), Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1996.
Michael Lenarz, Der alte jüdische Friedhof zu Frankfurt am Main, Jüdisches Museum Frankfurt, Frankfurt am Main 1996.
Klaus Meier-Ude/Valentin Senger, Die jüdischen Friedhöfe in Frankfurt am Main, 3. überarb u. erw. Auflage, Fachhochschulverlag, Frankfurt am Main 2004.
Stationsbeschreibung

Der Friedhof an der Battonnstraße ist einer der ältesten jüdischen Begräbnisplätze in Europa. Er besteht seit dem 13. Jahrhundert. Die Grabsteine sind Zeugen für die reiche Tradition jüdischen Lebens in der Stadt. In den Inschriften werden Berufe oder weltliche Handlungen fast nie erwähnt, wohl aber Gelehrsamkeit und Wohltätigkeit. Frömmigkeit gilt als höchste Tugend. Über 2000 Grabsteine sind erhalten. Der weitaus größte Teil wurde von der nationalsozialistischen Stadtverwaltung in den 1940er Jahren zerstört. Das Museum Judengasse bietet regelmäßig Führungen über den Alten Jüdischen Friedhof an. Ein Highlight stellt hierbei der Grabstein für Channa bat Alexander (= Channa, Tochter von Alexander) mit dem Sterbedatum 12. Juli 1272 dar. Es handelt sich um den ältesten noch lesbaren Grabstein auf dem Friedhof. Wenige Meter weiter befindet sich der Grabstein von Mayer Amschel Rothschild (1744-1812), dem Gründer des berühmten Bankhauses. Bemerkenswert sind die schlichte Ausführung des Steins und der Verzicht auf jegliche Ornamentik. Die Pforte im südwestlichen Bereich des Friedhofs diente bis zum Bau der Börneplatzsynagoge 1881-82 als Haupteingang. Auf den beiden Torflügeln ist in hebräischer Schrift „Beth HaChaim“ (= Haus des Lebens) zu lesen. Hierbei handelt es sich um eine poetische Umschreibung für „Friedhof“. Unmittelbar vor dem Tor verläuft der frühere Umriss der Börneplatzsynagoge, als Teil der Gedenkstätte (Neuer) Börneplatz erkennbar am dunklen Bodenbelag und der Einfassung. Die Synagoge bestand von 1882 bis 1938 und diente den orthodoxen Gemeindemitgliedern als Gotteshaus.

Adresse

Neuer Börneplatz
60311 Frankfurt am Main
Deutschland

Geo Position
50.111574, 8.689703
Titel
Gedenkstätte Neuer Börneplatz
Literatur
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Best. A.02.01 Nr. 1380.
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Best. A.06.01 Nr. 256.
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Best. S3 Nr. 13730.
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Best. 502 Nr. 18086.
Michael Best (Hrsg.), Der Frankfurter Börneplatz. Zur Archäologie eines politischen Konflikts, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1988.
Heike Drummer, Jutta Zwilling: „Und keiner hat für uns Kaddisch gesagt …“ Deportationen aus Frankfurt am Main 1941 bis 1945 (Hrsg. vom Jüdischen Museum der Stadt Frankfurt am Main im Auftrag des Dezernats für Kultur und Freizeit der Stadt Frankfurt am Main), Stroemfeld Verlag, Frankfurt am Main/Basel 2004.
Felicitas Heimann-Jelinek, Ort der Erinnerung: Von der Judengasse zum Börneplatz, in: Fritz Backhaus/Raphael Gross/Sabine Kößling/Mirjam Wenzel (Hrsg.), Die Frankfurter Judengasse. Geschichte, Politik, Kultur, C.H.Beck, München 2016, S. 40-61.
Roswitha Nees/Dieter Bartetzko, Stationen des Vergessens. Der Börneplatz-Konflikt (Hrsg. im Auftrag des Dezernats für Kultur und Freizeit, Amt für Wissenschaft und Kunst der Stadt Frankfurt am Main, Jüdisches Museum Frankfurt), Jüdisches Museum Frankfurt, Frankfurt am Main 1992.
Hans-Otto Schembs, Der Börneplatz in Frankfurt am Main. Ein Spiegelbild jüdischer Geschichte, Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1987.
Stationsbeschreibung

Börneplatzes an der Ecke Battonnstraße/Kurt-Schumacher-Straße sowie die Einrichtung einer Gedenkstätte auf dem über Jahrzehnte brachliegenden südlichen Börneplatz an der Rechneigrabenstraße. Beim 1988 durchgeführten Wettbewerb zur Gestaltung der Gedenkstätte Neuer Börneplatz gewannen die damaligen Architekturstudenten Andrea Wandel, Wolfgang Lorch und Nikolaus Hirsch. Den Mittelpunkt des Konzeptes bilden heute 11.908 Metallblöcke mit den Namen der während des Nationalsozialismus als Juden verfolgten und ermordeten Frankfurter. Die Namensblöcke laufen als Fries entlang der Außenmauer des Alten Jüdischen Friedhofs. Die über viele Jahre recherchierten biografischen Informationen über die zwischen 1933 und 1945 ermordeten Frankfurter Juden konnten bis 2022 über die nicht-öffentliche „Datenbank Gedenkstätte Neuer Börneplatz“ abgerufen werden. 2022/23 wurden die Biografien aktualisiert, ergänzt und auf der Homepage www.shoah-memorial-frankfurt.de veröffentlicht. Der Sandstein-Kubus in der Mitte des Platzes wurde aus baulichen Überresten der Judengasse zusammengesetzt. An die von den Nationalsozialisten zerstörte Börneplatz-Synagoge erinnert der Grundriss des früheren Gebäudes, welcher durch Metallschienen vom umliegenden Gelände abgesetzt ist. Fünf Straßenschilder an der Rechneigrabenstraße rufen die zahlreichen Umbenennungen des Platzes ins Gedächtnis. Die Gedenkstätte konnte 1996 der Öffentlichkeit übergeben werden.

Adresse

Rechneigrabenstraße 18-20
60311 Frankfurt am Main
Deutschland

Geo Position
50.1115241, 8.6905742
Titel
Hospital der Israelitischen Krankenkassen ("Kippestub")
Literatur
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Sammlung Ortsgeschichte, Best. S3 Nr. 5565.
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Magistratsakten, Best. A.02.01 Nr. V-428.
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Magistratsakten, Best. A.02.01 Nr. V-505.
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Stiftungsabteilung, Best. A.30.02 Nr. 224.
Satzungen der Israelitischen Männer- und Frauenkrankenkasse zu Frankfurt am Main. 1826-1886, Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg, Ffm F 175.
Paul Arnsberg, Die Geschichte der Frankfurter Juden seite der Französischen Revolution, Bd. 2: Struktur und Aktivitäten der Frankfurter Juden, Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1983, S. 122f.
Elias Ullmann, Die israelitische Männer-Krankenkasse in Frankfurt am Main, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde in Frankfurt am Main, Band 6 (1880), Seite 185-195.
Josef Unna, Die israelitische Männer- und Frauen-Krankenkasse („Kippestub“) in Frankfurt a.M., in: Bulletin des Leo-Baeck-Instituts, Nr. 31, 1965, S. 227-239.
Stationsbeschreibung

Die Bezeichnung „Kippestub“ geht auf das hebräische Wort „Kuppa“ zurück und bedeutet „Kasse“. Zweck dieser 1738 gegründeten Kasse war die Pflege unbemittelter Gemeindemitglieder. Im Laufe des 18. Jahrhunderts kam eine weitere Männerkrankenkasse für wohlhabende Kreise hinzu. 1761 wurde die Israelitische Frauenkrankenkasse gegründet. Die beiden Männerkrankenkassen wurden in den 1820er Jahren auf Veranlassung des Prokuristen und Philanthropen Siegmund Geisenheimer zusammengelegt. Schließlich war es die Familie von Rothschild, die die geldlichen Mittel in Höhe von 100.000 Gulden für einen modernen Krankenhausbau zur Verfügung stellte. Der Neubau an der Rechneigrabenstraße konnte 1829 eröffnet werden. Eine Gedenktafel am Gebäude erinnerte damals an die Stifterfamilie: „Die Freiherren Amschel, Salomon, Nathan, Carl, Jakob von Rothschild erbauten im Sinne ihres verewigten Vaters dieses Haus; Kranken zur Pflege, der Gemeinde zum Frommen, der Vaterstadt zur Zierde; ein Denkmal kindlicher Ehrfurcht und brüderlicher Eintracht.“ Auch aufgrund des prachtvollen Interieurs der Kippestub-Synagoge avancierte das Gebäude bald zu einer Frankfurter Sehenswürdigkeit. Ab den frühen 1920er Jahren wurde das Gebäude an der Rechneigrabenstraße als Altenheim der Israelitischen Gemeinde genutzt. Im Jahr 1940 – mehr als 200 Jahre nach ihrer Gründung – wurde die Israelitische Krankenkasse in die „Reichsvereinigung in der Juden in Deutschland“ eingegliedert und somit dem direkten Zugriff der Geheimen Staatspolizei ausgeliefert. Während der Deportationen der Frankfurter Jüdinnen und Juden in Konzentrations- und Vernichtungslager diente das Hospitalgebäude als Sammellager. Auf dem Bürgersteig erinnern mehrere Stolpersteine und ein Kopfstein an die Deportationen.

Adresse

Rechneigrabenstraße 3-5
60311 Frankfurt am Main
Deutschland

Geo Position
50.111138, 8.6916017
Titel
Real- und höhere Mädchenschule der Israelitischen Religionsgesellschaft
Literatur
Rachel Heuberger/Helga Krohn, Hinaus aus dem Ghetto… Juden in Frankfurt am Main 1800-1950, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1988, S. 74-77.
Kommission zur Erforschung der Geschichte der Frankfurter Juden (Hrsg.), Die Samson-Raphael-Hirsch-Schule in Frankfurt am Main. Dokumente, Erinnerungen, Analysen, Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 2001.
Matthias Morgenstern, Jüdische „Mustergemeinde“ im Widerstreit – Die Israelitische Religionsgesellschaft in Frankfurt am Main, in: Jüdisches Museum Frankfurt (Hrsg.), Ostend. Blick in ein jüdisches Viertel, Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 42-47.
Abraham Sulzbach, Zur Geschichte der Schulanstalten (Realschule, Vorschule, höhere Mädchenschule) der Israelitischen Religionsgesellschaft zu Frankfurt a. M., in: Festschrift zur Jubiläums-Feier des 50 jährigen Bestehens der Unterrichtsanstalten der Israelitischen Religionsgesellschaft zu Frankfurt a. M., Golde, Frankfurt am Main 1903.
Roland Tasch, Samson Raphael Hirsch. Jüdische Erfahrungswelten im historischen Kontext, De Gruyter, Berlin 2011, S. 239-244.
Stationsbeschreibung

Die Real- und höhere Mädchenschule der Israelitischen Religionsgesellschaft (IRG) wurde 1853 an der Ecke Rechneigraben-/Schützenstraße eröffnet. Gründervater der Schule und deren Rektor war Rabbiner Samson Raphael Hirsch (1808-1888), der das Prinzip „Tora im Derech Erez“ verfolgte: Demzufolge strebte die IRG die Vereinbarkeit von gesetzestreuer Lebensführung und weltlicher Bildung an. Oder wie es der Lehrer und Historiker Abraham Sulzbach ausdrückte „jüdisches Wissen Hand in Hand mit zeitgemässer Bildung, beide als gleichwertig neben- und miteinander kommen gleich zur Geltung“. Der Anteil von Religionsunterricht, Studium der Tora und Hebräisch betrug jedoch nie mehr als ein Drittel der Gesamtstundenanzahl. Besuchten die Schule bei Eröffnung am 1. April 1853 zunächst 29 Schülerinnen und 55 Schüler, so waren es zehn Jahre später bereits 259 Schüler*innen. Bald musste die Schule baulich erweitert werden; 1863 konnte hierfür das Gebäude Rechneigrabenstraße 3 gekauft und entsprechend eingerichtet werden. Nach der Annexion Frankfurts durch Preußen im Jahr 1866 wurde die Schule dem Provinzial-Schulkollegium unterstellt und die preußischen Lehrpläne eingeführt. Im Jahr 1877 ging Rabbiner und Schulleiter Samson Raphael Hirsch in den Ruhestand und dessen Sohn Mendel Hirsch übernahm die Leitung. Durch die ständige Zunahme der Schülerzahlen wurde schließlich der Bau eines neuen Schulgebäudes beschlossen. Durch eine großzügige Spende von Wilhelm Carl von Rothschild konnte ein Bauplatz am Tiergarten, dem heutigen Zoo, erworben und bebaut werden. Das neue und geräumige Schulgebäude konnte am 21. Dezember 1881 feierlich eröffnet werden. Am früheren Standort am Rechneigraben zog temporär die neugegründete Israelitische Volksschule ein, in welche größtenteils Kinder jüdischer Einwanderer aus Osteuropa aufgenommen wurden.

Adresse

Schützenstraße 14
60311 Frankfurt am Main
Deutschland

Geo Position
50.1109415, 8.6915294
Titel
Synagoge Schützenstraße / Beit Tefilat Jeschurun
Literatur
Synagogen-Ordnung für die Synagoge Bet tefilat Yeshurun der israelitischen Religions-Gesellschaft in Frankfurt am Main, Krebs-Schmitt, 1853 [online abrufbar über die digitalisierte Freimann-Sammlung der Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg].
Cornelia Berger-Dittscheid, Die Frankfurter Synagogen des 19. Jahrhunderts. Ringen um religiöse Identität und Integration in die großstädtische Gesellschaft, in: Christian Wiese/Mirjam Wenzel et al. (Hrsg.), Das jüdische Frankfurt – Von der Emanzipation bis 1933, De Gruyter, Berlin/Boston 2023, S. 329-351.
Rachel Heuberger/Helga Krohn, Hinaus aus dem Ghetto… Juden in Frankfurt am Main 1800-1950, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1988, S. 74-77.
Matthias Morgenstern, Jüdische „Mustergemeinde“ im Widerstreit – Die Israelitische Religionsgesellschaft in Frankfurt am Main, in: Jüdisches Museum Frankfurt (Hrsg.), Ostend. Blick in ein jüdisches Viertel, Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 42-47.
Roland Tasch, Samson Raphael Hirsch. Jüdische Erfahrungswelten im historischen Kontext, De Gruyter, Berlin 2011.
Stationsbeschreibung

Eine der ersten Amtshandlungen von Samson Raphael Hirsch (1808-1888), der 1851 von der Israelitischen Religionsgesellschaft (IRG) zum Rabbiner berufen worden war, galt dem Bau einer Synagoge. Nach jahrelangen Konflikten mit den Reformern, waren orthodoxe Gemeindemitglieder nicht länger gewillt, den Gottesdiensten des liberalen Rabbiners Leopold Stein in der Hauptsynagoge beizuwohnen. Im September 1852 konnte der Grundstein für die neue Synagoge in der Schützenstraße gelegt werden. Der von Architekt J. W. Renk entworfene Sakralbau war im arabisch-byzantinischen Stil gehalten und bot Sitzplätze für 250 Männer und 200 Frauen. Die Kosten wurden zu zwei Dritteln von Amschel Meyer und Wilhelm von Rothschild getragen. Die Einweihung der Synagoge erfolgte am 29. September 1853 unter Anwesenheit der städtischen Honoratioren. Die Predigten wurden in deutscher Sprache gehalten. Während des Gottesdienstes musste absolute Ruhe herrschen, das Singen mit dem Kantor war nicht erlaubt. Die Mikwe befand sich im Nebengebäude, in der auch die Schule der IRG untergebracht war. Die neo-orthodoxe Gemeinde von Rabbiner Hirsch wuchs schnell, sodass die Synagoge in den Jahren 1872/73 durch einen Anbau erweitert werden musste. Mit dem Umzug der Gemeinde in die 1907 eingeweihte Synagoge an der Friedberger Anlage verlor das alte Gotteshaus seine Funktion. In den 1920er-Jahren verkaufte die IRG die Synagoge an der Schützenstraße an einen Kunsthändler, der den Innenraum für Ausstellungen und Auktionen nutzte. Das Gebäude wurde bei Luftangriffen in den Jahren 1942-1944 zerstört. Die ausgebrannte Ruine wurde 1953 abgetragen.

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Autor
Heike Drummer, Fedor Besseler

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