Kaiser Wilhelm II. mochte seine Kunst nicht, nannte Max Liebermann gar den „Maler der Hässlichkeit“. Liebermann, aus vermögenden Familienverhältnissen stammend, wuchs in einem großbürgerlichen Palais am Brandenburger Tor auf, studierte an der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule in Weimar, hielt sich in Paris, Zandvoort und München auf. Auf der Suche nach einer neuen Ästhetik in der Bildenden Kunst gründete er im Jahr 1898 mit gleichgesinnten Kollegen die Berliner Secession und wurde deren Präsident.  

Die öffentliche Anerkennung kam für Max Liebermann spät. Erst zu seinem 50. Geburtstag im Jahr 1897 bekam er im Rahmen der Großen Berliner Kunstausstellung eine repräsentative Werkschau, man ernannte ihn zum Professor und nahm ihn als Mitglied in die Preußische Akademie der Künste auf. 1920 wurde er deren Präsident und blieb es bis zum Jahr 1932. Danach wurde er deren Ehrenpräsident. Bereits zu seinem 80. Geburtstag im Jahre 1927 hatte die Stadt Berlin ihn zum Ehrenbürger ernannt. Um nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten als jüdischer Künstler dem Ausschluss aus der Preußischen Akademie der Künste zuvorzukommen, legte er am 7. Februar 1933 die Ehrenpräsidentschaft nieder und trat tags darauf auch als Mitglied aus. Verbittert und von Depressionen geplagt, verbrachte er noch drei Jahre an der Seite seiner Frau Martha in seinem Stadtpalais am Brandenburger Tor. Direkt vor Liebermanns Wohnsitz befand sich nämlich ein Aufmarschgebiet der SA. Ein Anblick, der für ihn unerträglich war. Hier starb Max Liebermann, der in der deutschen Kunstszene den Aufbruch in die Moderne wesentlich zu verantworten hatte, am 8. Februar 1935 gegen 19 Uhr. Drei Tage später wurde er auf dem Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Straße zu seiner letzten Ruhe gebettet. 

Beruf
Künstler und Sammler
Geburtsdatum
29. Juli 1847
Geburtsort
Berlin
Gender
Mann
Literatur
Insel-Almanach 1952, Leipzig 1951.
Küster, Bernd: Max Liebermann. Ein Maler-Leben, Hamburg 1988.
Gronau, Dietrich: Max Liebermann, Eine Biografie, Frankfurt/Main 2011.
Schmalhaus, Bernd: „Ich bin doch nur ein Maler“, Hildesheim 2018.
Bröhan, Nicole: Max Liebermann: Eine Biografie, Berlin 2012.
Berchtig, Frauke: Max Liebermann, Berlin 2014.
Scheer, Regina: Max Liebermann erzählt aus seinem Leben … Berlin-Brandenburg 2010.
Scheer, Regina: Wir sind die Liebermanns. Die Geschichte einer Familie, Berlin 2008.
Fleck, Robert: Max Liebermann. Wegbereiter der Moderne, Köln 2011.
Liebermann, Max: Gesammelte Schriften, Berlin 1922.
Püschel, Walter (Hg.): Anekdoten über Max Liebermann, Hanau 1996.
Püschel, Walter: Een Anarchist is der Kerl doch! Anekdoten von Max Liebermann, Berlin 2007.
Faass, Werner: Max Liebermann (Wienand’s Kleine Reihe der Künstlerbiografien), Köln 2017.
Schütz, Chana: Max Liebermann (Jüdische Miniaturen), Berlin 2011.
Sandig, Marina: Martha Liebermann (Jüdische Miniaturen), Berlin 2019.
Stationen
Titel
Kindheit und Familie
Adresse

Burgstraße 29
10178 Berlin
Deutschland

Geo Position
52.521576310041, 13.40156181329
Stationsbeschreibung

Am 21. Juli 1847 gab in Berlin der Industrielle Louis Liebermann eine Annonce auf, in welcher er stolz verkündete: “Früh um acht Uhr erfolgte die glückliche Entbindung meiner lieben Frau Philippine von einem gesunden Knaben“. Tags zuvor war der kleine Max als zweiter Sohn in jene vermögende jüdische Kaufmannsfamilie Liebermann geboren worden. Drei Tage später tritt das „Gesetz über die Verhältnisse der Juden“ in Kraft, welches jüdischen Personen in Preußen die nahezu gleichen Rechte einräumte wie den nicht-jüdischen Preußen.  

Max Liebermanns Großvater Josef Liebermann war ein Textilunternehmer gewesen, hatte als erster in Preußen eine Maschine zur industriellen Herstellung von Baumwollstoffen entwickelt und konnte so das englische Monopol brechen. Auf diese Weise hatte er ein bedeutendes Familienvermögen erwirtschaftet und eine Industriellendynastie begründet, deren Leitung er schließlich an seine Söhne Louis und Benjamin Liebermann übertrug. Die Historikerin Chana Schütz schreibt in einer Kurzbiografie: „Gleichermaßen war Max Liebermann stolz darauf, was sein Großvater Joseph Liebermann und die Generation seines Vaters als Unternehmer in Preußen erreicht hatten. Als Künstler wählte er zwar eine andere Laufbahn als die des Kaufmanns, doch er blieb immer ein Teil dieser jüdisch-bürgerlichen Tradition, die in besonderem Maße in Berlin zu Hause war (Schütz, S. 8). An anderer Stelle zitiert die Biografin Max Liebermann, „der sich selbst einen ‚eingefleischten Juden‘“ nannte, der „sich im übrigen als Deutscher fühlt“. (Schütz, S. 11) Liebermann hat nicht nur sein Judentum nicht verleugnet, sondern „war Zeit seines Lebens stolz gewesen, einer angesehenen Berliner jüdischen Familie anzugehören“. (Schütz, S. 13) Allerdings ist kein nennenswertes Engagement Liebermanns in der Berliner Jüdischen Gemeinde bekannt. Im Gegensatz zu seiner Familie, über die seine Biografin Chana Schütz schreibt: „Über mehrere Jahre waren Familienmitglieder im Vorstand der Gemeinde vertreten und unterstützten Vereine der jüdischen Wohlfahrtspflege. Übertritte zum Christentum und Taufe kamen für keinen von ihnen jemals infrage.“ (Schütz, S. 15) 

Als Louis Liebermann die Geburt seines Sohnes Max annoncierte, lebte die Familie noch in der Burgstraße 29, unweit der alten Herkulesbrücke. Max Liebermann hatte fünf Geschwister, darunter den älteren Bruder Georg, der – wie zuvor Großvater und Vater –ein erfolgreicher Unternehmer wurde. Georg Liebermann trug im Laufe seines Lebens eine Kunst- und Antiquitätensammlung zusammen. Nach seinem Tod wurde diese im Mai 1927 im Auktionshaus Rudolph Lepke versteigert, darunter auch mehrere Ölgemälde seines Bruders Max. Der jüngere Bruder Felix machte als Historiker von sich reden und wurde von den Universitäten Oxfort und Cambridge mit Ehrendoktorwürden ausgezeichnet.  

Max Liebermann ging noch nicht zur Schule, als die Familie in die Behrenstraße umzog, in jene unscheinbare Straße, die parallel zum glamourösen Boulevard Unter den Linden verlief. Heute befindet sich hier die Komische Oper. Die Geschichte dieser Straße kannte auch damals schon viele prominente Namen als Bewohner: der Mathematiker Leonhard Euler, Wilhelm von Humboldt, Heinrich Heine und andere. Die siebenköpfige Familie des Industriellen Louis Liebermann lebte hier allerdings nur für kurze Zeit, dann zog sie etwa 800 Meter weiter in ein repräsentatives Stadtpalais direkt neben dem Brandenburger Tor. Max Liebermann ist zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alt gewesen. 

Titel
Schulbesuch und Jugend
Adresse

Kurstr. 52/53
10117 Berlin
Deutschland

Geo Position
52.514701383738, 13.398473284258
Stationsbeschreibung

Den Eltern von Max Liebermann lag viel an einer exzellenten Schulausbildung für ihre Söhne. Hierfür wählte Louis Liebermann im Anschluss an die Primärschule als weiterführendes Institut das Friedrichwerdersche Gymnasium in der Kurstraße – an jener Stelle, an der heute das Auswärtige Amt liegt. Die 1691 gegründete Schule galt beim Berliner Großbürgertum als renommierte Bildungseinrichtung. Hier wurden auch die Söhne Otto von Bismarcks unterrichtet. Auch wenn Max Liebermann sich später daran erinnern will, ein schlechter Schüler gewesen zu sein, deckt sich dies keineswegs mit der biografischen Forschung. Wie anders wäre es sonst zu erklären, dass er bei den Abiturprüfungen in der Bestenliste seines Jahrgangs den vierten Platz einnahm? Dessen ungeachtet war er während der Schulzeit von Mitschülern häufig als Träumer gehänselt worden. Aber auch im Elternhaus wurde ihm das Gefühl vermittelt, nicht sonderlich intelligent zu sein. Das lag vor allem daran, dass ihm der ältere, „vernünftigere“ Bruder Georg als Vorbild gegenübergestellt wurde. 

Im Alter von 15 Jahren besuchte er eine politische Veranstaltung, auf der der Sozialist Ferdinand Lassalle eine seiner flammenden Reden hielt. Dessen Ideen faszinierten den Millionärssohn faszinierten. Nach seiner politischen Einstellung gefragt, wird Max Liebermann zeitlebens die immer gleiche Aussage treffen: „Da ich 1847 geboren wurde, ist nicht zu verwundern, dass meine politischen und sozialen Anschauungen die eines Achtundvierzigers waren und geblieben sind.“ 

Im Jahr 1866 legte Max Liebermann sein Abitur ab. Zwar schrieb er sich an der Friedrich-Wilhelm-Universität (heute: Humboldt-Universität) für das Fach Chemie ein, doch hatte er, wie er später gelegentlich erzählte, nie die Absicht dieses Studium auch zu beenden. Warum sich der junge Max Liebermann angesichts dieses inneren Konflikts ausgerechnet am Chemischen Institut der Berliner Universität immatrikulierte, ist möglicherweise darin zu suchen, dass sein Cousin Carl Liebermann sich einige Zeit zuvor ebenfalls für dieses Fach entschieden hatte. Die Wahl des Studienfachs sollte den Vater und erfolgreichen Industriellen Louis Liebermann zunächst erstmal in der Sicherheit wiegen, dass sein Sohn ‚seriösen‘ Studien nachgehen werde. Nun nahm Max Liebermann schon als Gymnasiast Zeichenunterricht bei Eduard Holbein, was von den Eltern seinerzeit leidlich gefördert wurde. Anerkennung bekam er dafür aber nicht. Im Gegenteil! Als der 13-jährige erste Arbeiten veröffentlichen wollte, war ihm vom Vater die Nennung des Namens Liebermann verboten worden. Nun, als Chemie-Student, nahm der Zwanzigjährige Unterricht bei Carl Steffeck, der sich als Maler von Pferden einen Namen gemacht hatte. Der junge Max Liebermann widmete sich den malerischen Studien weitaus mehr als den naturwissenschaftlichen und das blieb nicht folgenlos: am 22. Januar 1868 wurde er von der Berliner Universität wegen „Studienunfleiß“ exmatrikuliert. Erwartungsgemäß führte das zu einem heftigen Konflikt mit dem Vater. Nachdem aber der Sohn vehement auf seine eigentliche Neigung zu einer künstlerischen Betätigung bestanden hatte, gaben die Eltern schließlich nach und ermöglichten ihm den Besuch der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule in Weimar. 

Titel
Kunststudium
Adresse

Am Frauenplan 8
99423 Weimar
Deutschland

Geo Position
50.977583763425, 11.327983818708
Stationsbeschreibung

Während seiner Studienzeit an der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule Weimar, die mit Unterbrechungen von 1868 bis 1873 dauerte, hatte Max Liebermann an vier verschiedenen Adressen eine Wohnung oder ein Atelier gemietet. Zunächst wohnte der Kunststudent am Frauenplan 8. Das Gebäude direkt gegenüber dem Goethehaus ist bei einem Luftangriff 1945 zerstört worden. Ein weiteres Wohnhaus in der Amalienstraße ist in den 1980er Jahren abgerissen worden. Nur das Haus in der heutigen Humboldtstraße 18 existiert noch und auch das „Prellerhaus“, ein Atelierhaus, das der Landschaftsmaler Louis Preller in den Jahren 1870/71 erbauen ließ. Heute befindet es sich auf dem Campus der Bauhaus-Universität. 

Ein wichtiger Lehrer Max Liebermanns war in jener Zeit der belgische Historienmaler Ferdinand Pauwels. Bei einem Besuch des Fridericianums in Kassel brachte ihm der Lehrer den Maler Rembrandt näher, was den Stil des jungen Liebermann nachhaltig beeinflusste. Er studierte die Genremalerei bei Ludwig Knaus, einem Vertreter der Düsseldorfer Malerschule, und auch bei dem naturalistischen ungarischen Maler Mihály Munkácsy. Insbesondere fand dessen Gemälde „Die Scharpiezupferinnen“ sein Interesse wegen jener schlichten Alltagsszene, die dem Bild als Vorlage diente. Es ist unstrittig, dass hier die Idee zu Max Liebermanns erstem großen Gemälde entstand: „Die Gänserupferinnen“. Beim Anblick des noch unfertigen Gemäldes entließ ihn sein Lehrer Pauwels mit der Bemerkung, er könne ihm nichts mehr beibringen. 1872 nahm Liebermann mit dem Bild an der Hamburger Kunstausstellung teil und entfachte einen veritablen Skandal. Es sollte in seiner Karriere nicht der einzige bleiben. Zwar lobte die Kritik seine geschickte Malweise, doch entrüstete sich etwa der Kunstkritiker Ludwig Pietsch am 5. November 1872 in der Vossischen Zeitung über die in dem Gemälde gezeigten „entstellten und verhunzten Menschenbilder“ (zitiert nach Schütz, S. 18). Max Liebermanns Image als „Maler des Hässlichen war geboren. Noch im selben Jahr wurde das Gemälde auch in Berlin gezeigt. In den hauptstädtischen Rezensionen war der kritische Tenor ähnlich. Das aber hielt den Eisenbahnmagnaten Bethel Henry Strousberg nicht davon ab, das Bild zu erstehen. Einige Jahre später, nach dessen Bankrott, gelangte das Gemälde in die Sammlung von Liebermanns Vater Louis, der es 1894 der Berliner Nationalgalerie vermachte. 

Vor den Toren seines Studienortes Weimar beobachtete Liebermann Bauern bei der Rübenernte. Es war der Herbst 1873, als er sich schließlich entschloss, diese Beobachtungen in Öl festzuhalten. Karl Gussow, Professor in Weimar, erinnerte seinen Studenten an den Hamburger Skandal im Jahr zuvor und riet ihm, das Bild besser nicht zu malen. Prompt kratzte Liebermann das begonnene Gemälde wieder von der Leinwand, was in der Folge zu einer Schaffenskrise führte. 

Max Liebermann entschloss sich, Deutschland und seiner damals von ihm als rückständig und verstaubt angesehenen Kunstszene vorerst den Rücken zu kehren. Von seinem Bruder Georg finanziert, reiste er zum ersten Mal in die Niederlande, wo er sich in Amsterdam und Scheveningen von Licht, Menschen und Landschaft begeistern ließ. 

Titel
Auslandserfahrungen
Adresse

Boulevard de Clichy 75
75009 Paris
Frankreich

Geo Position
48.884124173759, 2.33086306875
Stationsbeschreibung

In Paris, dem damaligen Epizentrum der Kunstwelt, mietete sich Max Liebermann auf dem Montmartre ein Atelier in der Rue Larochefoucault. Mit den finanziellen Mitteln, die ihm sein Bruder Georg für die Studienreisen zur Verfügung stellte, war es ihm ferner möglich, auf dem Boulevard de Clichy eine Wohnung in der Nachbarschaft von Edgar Degas, Henri de Toulouse-Lautrec und anderer Maler zu beziehen. Immer wieder aber fuhr Max Liebermann aufs Land. Ab 1874 widmete er sich in seinen Bildern verstärkt dem Leben und der Arbeit der einfachen Leute. In Barbizon, einem Dorf am Wald von Fontainebleau, folgte er den Spuren der Künstler um die „Schule von Barbizon“, die für die Entwicklung des Impressionismus von großer Bedeutung waren. Max Liebermann interessierten die Methoden der hier versammelten Künstler mehr als deren Bildmotive. Während dieses Aufenthalts fiel ihm seine in Weimer angefertigte Studie „Arbeiter im Rübenfeld“ wieder ein. In Barbizon nämlich fand er ein ähnliches Sujet und er begann die Arbeit an dem Gemälde „Kartoffelernte in Barbizon“. Offenbar aber vertraute er dem Motiv zu diesem Zeitpunkt nicht, denn er stellte das Bild erst Jahre später fertig, als er längst ein etablierter Maler geworden war. 1875 verbrachte Liebermann drei Monate im holländischen Zandvoort. In Haarlem kopierte er ausgiebig Porträts von Frans Hals aus dem 17. Jahrhundert. Die Beschäftigung mit dessen Methode des schwungvollen, undetaillierten Farbauftrags wird Liebermanns Werk in der Folge mindestens ebenso beeinflussen wie die französischen Impressionisten. Seit jenem Sommer wird Liebermann bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges regelmäßig zu mehrwöchigen Studienaufenthalten in die Niederlande fahren. Im Leben der einfachen Leute wird er seine Motive finden, wie etwa für das Gemälde „Nähende Mädchen in Huyzen“. Er selbst nannte es die „Poesie des einfachen Lebens“. Der Kontakt zu holländischen Malerkollegen wie Jozef Israëls, den Gebrüdern Jacob, Matthijes Maris und Anton Mauve wurden prägend für die Malerei von Max Liebermann. Später wird er sich erinnern: „Um diese Zeit fing ich an, Bilder vor der Natur zu malen oder wenigstens vor der Natur zu beginnen, ein Prinzip dem ich bis jetzt treu geblieben bin“ (Schütz, S. 27). 

Nach Paris zurückgekehrt, verfiel er zeitweilig in tiefe Depressionen. Auslöser war wohl die psychische Belastung, seinen Eltern gegenüber Rechenschaft darüber ablegen zu müssen, was er bisher erreicht hat. Eine Schaffens- und Lebensbilanz, die auch vor seinem eigenen Urteil zu diesem Zeitpunkt noch nicht befriedigend sein konnte. So entstanden in dieser Phase seines Lebens nur wenige Bilder. Er nahm zwar mehrfach am Pariser Salon teil, jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Von der Kunstszene der französischen Weltstadt wurde Liebermann aus chauvinistischen Gründen abgelehnt. Seine Gemälde seien nicht „französisch“ genug. Liebermann fasste nun den endgültigen Entschluss, Paris zu verlassen. 1878 reiste er erstmals nach Italien. In Venedig wollte er sich Werke der großen Renaissance-Künstler ansehen. Liebermann hoffte, aus den Bildern beispielsweise von Vittore Carpaccio und Gentile Bellini neue Orientierung schöpfen zu können. In der Lagunenstadt traf er auf eine Gruppe Münchner Maler um Franz von Lenbach, mit denen er hier einige Wochen verbrachte. Schließlich folgte er ihnen in die bayerische Hauptstadt, die mit der „Münchner Schule“ das deutsche Zentrum naturalistischer Malerei geworden war. 

Titel
Skandal in München
Adresse

Landwehrstraße (Hausnummer nicht bekannt)
80336 München
Deutschland

Geo Position
48.136552490795, 11.559279666238
Stationsbeschreibung

Unter „Münchner Schule“ wird ein Malstil verstanden, wie er am Ende des 19. Jahrhunderts im Umfeld der Königlichen Akademie der bildenden Künste entstanden war und in der akademischen Malerei schnell große Bedeutung bekommen hatte. Im Dezember 1878 nahm sich Liebermann ein Bildmotiv vor, an das sich vor ihm bereits Albrecht Dürer, Rembrandt van Rijn oder Adolph Menzel gewagt hatten: „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“. Offenbar hatte Max Liebermann die Idee zu diesem Bild schon eine ganze Weile, denn er hatte bereits in den Synagogen von Amsterdam und Venedig erste Skizzen angefertigt. Nun löste das fertige Werk einen der größten Skandale in der deutschen Kunstwelt des 19. Jahrhunderts aus. Das Jesuskind im Zentrum des Gemäldes strahlte zwar einen religiösen Anspruch aus, war jedoch ärmlich, barfuß und in einen kurzen Umhang gehüllt dargestellt. Zudem erinnerten die rötlichen Haare, an denen der Ansatz von Schläfenlocken zu erkennen war, an die jüdische Herkunft des Knaben. Und Liebermann hatte auf beschönigende Kostüme der Hohepriesterschaft und auf beeindruckende Dekorationen im Tempel verzichtet. Schon gar nicht hat er die Szene eines göttlichen Wunders dargestellt, vielmehr wurde eine aus jüdischer Sicht selbstverständliche Begebenheit eingefangen: die Bar-Mizwa eines Zimmermannsjungen.  

Als das Bild 1879 auf der Münchner Akademieausstellung ausgestellt wurde, sorgte es schlagartig für Aufsehen und das weit über die Grenzen der bayerischen Landeshauptstadt hinaus. Der spätere Prinzregent Luitpold stellte sich zwar auf die Seite Liebermanns und auch bedeutende Künstlerpersönlichkeiten wie Friedrich August von Kaulbach und Wilhelm Leibl ergriffen für sein Werk Partei. Den Zeitungsredakteuren aber, mit dem Anspruch Volkes Stimme zu repräsentieren, imponierte das wenig. Die Augsburger Allgemeine etwa schrieb, der Künstler habe „den hässlichsten, naseweisesten Judenjungen, den man sich denken kann“, (zitiert nach Wikipedia, „Max Liebermann“) gemalt. Öffentlich wurde Max Liebermann als „Herrgottsschänder“ verunglimpft. Der konservative Abgeordnete und Priester Balthasar von Daller sprach dem Künstler im Bayerischen Landtag wegen dessen jüdischen Glaubens das Recht ab, Jesus auf diese Weise darzustellen. In Berlin führte der Hofprediger Adolf Stoecker die Debatte um das Gemälde in geradezu verletzender Weise an. Später soll er gar behauptet haben, durch dieses Bild Antisemit geworden zu sein. Liebermann hat als Reaktion auf die Kritik hin das Bild übermalt. Er zog dem kleinen Jesus Sandalen an, verlängerte sein Gewand und übermalte Gesicht und Haartracht. 30 Jahre später, am 5. Juli 1911, wird Max Liebermann gegenüber Alfred Lichtwark, dem Direktor der Hamburger Kunsthalle, in einem Brief bekennen, dass er sich seinerzeit in München vorgenommen habe, „nie mehr ein biblisches Sujet zu malen.“ Und er hat sich daran gehalten. 

Titel
Rückkehr ans Brandenburger Tor
Adresse

Pariser Platz 7
10117 Berlin
Deutschland

Geo Position
52.516833019448, 13.377854384259
Stationsbeschreibung

Im Mai 1884 verlobte sich Max Liebermann mit Martha Marckwald. Sie war fast auf den Tag genau zehn Jahre jünger als er. Auch Martha kam aus großbürgerlichem Hause. Ihr Vater war der Wollhändler Heinrich Marckwald und ihre Mutter Amalie eine geborene Pringsheim, Tochter eines Oppelner Gutsbesitzers. Nach Max Liebermanns Rückkehr aus München gaben sich er und Martha im September 1884 unter dem rituellen jüdischen Traubaldachin das gegenseitige Eheversprechen. Die Hochzeitsreise führte das Paar zunächst ins holländische Scheveningen. Dort trafen sie Jozef Israëls, einen bedeutenden Vertreter der Haager Schule, der sich ihnen als Reisgefährte anschloss, um seine niederländische Heimat zu zeigen. Man reiste nach Laren, Delden und Haarlem, wo Max Liebermann zeichnerische Studien anfertigte, die später in seinen Werken auch bei anderen Motiven nachweisbar sind. 

Am nördlichen Rand des Tiergartens – In den Zelten 11 – bezog das junge Ehepaar die erste Wohnung. Zu dieser Zeit wurde Max Liebermann als Mitglied in den „Verein Berliner Künstler“ aufgenommen. Dies war eine Standesorganisation, die bereits im November 1814 auf Initiative Johann Gottfried Schadows, dem Erschaffer der Quadriga auf dem Brandenburger Tor, gegründet worden war. Für Liebermanns Aufnahme hatte auch der Historienmaler Anton von Werner gestimmt, der in seiner Ablehnung der modernen Kunst schon bald zu dessen Widersacher werden sollte.  

Am 19. August 1885 wird die Tochter Marianne Henriette Käthe geboren. Es wird das einzige Kind der Liebermanns bleiben. In den Monaten nach Käthes Geburt hat Max Liebermann kaum gemalt und sich ganz seiner Rolle als Vater gewidmet. Als sich kurz darauf der Gesundheitszustand seiner Mutter verschlechterte, bezog Max Liebermann mit seiner kleinen Familie das elterliche Palais am Pariser Platz 7. Mit bemerkenswerter Selbstdisziplin ging er einem geregelten Tagesablauf nach. Um Punkt 10 Uhr verließ er das Haus, begab sich zum Arbeiten in sein Atelier in der Königin-Augusta-Straße 19 und kehrte gegen 18 Uhr zurück. Nachdem seine Mutter 1892 verstorben war, plante Max Liebermann im Stadtpalais am Brandenburger Tor ein großes Künstleratelier einzurichten. Der von ihm beauftragte Berliner Architekt Hans Grisebach lieferte die Entwürfe. Der Kaiser hätte das Liebermannsche Stadtpalais am liebsten abreißen lassen, damit das Brandenburger Tor vollkommen freistehen würde. Zumindest hatte der Monarch mehrfach derartige Pläne geäußert. Es bedurfte einiger Prozesse, ehe es dem Künstler Max Liebermann erlaubt wurde, einen gläsernen Aufbau im Dachgeschoss seines Hauses einzurichten. Dieser wurde zum Jahreswechsel 1898/1899 realisiert. In diesem Atelier befanden sich einige herausragende Kunstwerke der Moderne, allen voran der französischen Impressionisten. Allein 17 Bilder (vorwiegend Stillleben) von Eduoard Manet hingen da, aber auch von Henri de Toulouse-Lautrec, Landschaftsbilder von Claude Monet, Paul Cézanne, Edgar Degas und Vincent van Gogh. Ferner Werke von befreundeten Künstlern wie Wilhelm Leibl und Jozef Israëls. 

Die Wohn- und Arbeitsstelle im Haus seiner Kindheit kommentierte Max Liebermann so: „Ich wohne in dem Haus meiner Eltern, wo ich meine Kindheit verlebt habe, und es würde mir schwer werden, wenn ich woanders wohnen sollte.“ (Insel-Almanach 1952, S, 82). Von seinem Fenster aus konnte er am 30. Januar 1933 den Fackelzug der SA beobachten. Überliefert ist sein im Berliner Zungenschlag gemachter Ausspruch: „Ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen möchte!“ 

Titel
Berliner Secession
Adresse

Kantstraße 12 (Ecke Fasanenstraße)
10623 Berlin
Deutschland

Geo Position
52.505845902728, 13.329080754882
Stationsbeschreibung

Durch die Beschäftigung mit den französischen Impressionisten fand Max Liebermann seit 1880 zu einer lichten Farbigkeit und einem schwungvollen Farbauftrag, der fortan sein Werk geprägt hat. Liebermanns Schaffen stand nun für den Übergang von der Kunst des 19. Jahrhunderts hin zur Klassischen Moderne. In dieser Zeit des Übergangs entstand in der Szene der Bildenden Künstler in Preußen und bald auch darüber hinaus eine Bewegung, die sich als Gegenpol zum bis dahin dominierenden akademischen Kunstbetrieb verstand. Was sie vereinte, war weniger ein gemeinsamer Stil, als vielmehr der Protest gegen die Kunstpolitik der Preußischen Kunstakademie und des Staates. Kritisiert wurden vor allem die Juryentscheidungen bei den etablierten Ausstellungen. So war etwa das Landschaftsgemälde „Der Grunewaldsee“ des Malers Walter Leistikow von der Jury der Großen Berliner Kunstausstellung 1898 zurückgewiesen worden. Damit war für viele endgültig der Beweis erbracht, dass die „moderne Kunst“ von den bestehenden Organisationen keine Unterstützung zu erwarten hatte.  

Am 2. Mai 1898 formierte sich eine Gruppe von 65 Künstlerinnen und Künstlern zur Berliner Secession, zu der auch zahlreiche aus der Münchner Szene stießen, die zum Teil in die Reichshauptstadt übersiedelt waren. Die in der Berliner Secession vereinigten Künstler und Künstlerinnen forderten vehement mehr Mitspracherecht und eigene Ausstellungssäle. In der neu gegründeten Künstlervereinigung waren viele prominente Namen zu finden, zum Beispiel Ernst Barlach, Lovis Corinth und Ernst Ludwig Kirchner, aber auch – was zu dieser Zeit ungewöhnlich war – einige Künstlerinnen wie Käthe Kollwitz, Dora Hitz oder Sabine Lepsius. Entgegen des Eigennamens hatte die Gruppe ihren Sitz nicht etwa in Berlin, sondern in der benachbarten, damals noch eigenständigen Großstadt Charlottenburg. An der Ecke Kant- und Fasanenstraße wurde am 19. Mai 1899 das „Haus Grisebach“, welches der Architekt von Liebermanns Atelier für die Secession entworfen hatte, mit einer Ausstellung von 330 Bildern und Grafiken sowie 50 Skulpturen eröffnet. Von den 187 Ausstellern lebten 46 in Berlin und Umgebung und 57 in München. Ausländische Beiträge fehlten noch, sollten aber in einer späteren Auflage der Ausstellung folgen. Das Publikum aus 2000 geladenen Gästen zeigte sich beeindruckt, die Exponate wurden als Überwindung der vorherrschenden ‚Mittelmäßigkeit‘ wahrgenommen. Max Liebermann, der bereits bei der Gründung der Berliner Secession im Vorjahr zu deren Präsidenten gewählt worden war, umriss in seiner Eröffnungsrede die inhaltlichen Grundsätze der Künstlervereinigung: „Bei der Auswahl der Werke war nur das Talent, in welcher Richtung es sich auch offenbarte, ausschlaggebend. […] Für uns gibt es keine alleinseligmachende Richtung in der Kunst, sondern als Kunstwerk erscheint uns jedes Werk, welcher Richtung es auch angehören möge, in dem sich eine aufrichtige Empfindung verkörpert. Nur die gewerbsmäßige Routine und die oberflächige Mache derer, die in der Kunst nur die milchende Kuh sehen, bleiben grundsätzlich ausgeschlossen.“ (Püschel, Gesammelte Schriften, S. 256). Die Abkehr vom etablierten Berliner Kunstbetrieb war aber nur möglich geworden, weil bereits seit den 1880er Jahren private Galerien und Kunsthandlungen Fuß gefasst hatten, die Künstlern und zunehmend auch Künstlerinnen nach anderen Auswahlkriterien ein Forum boten, ihre Werke zu präsentieren. Schnell entwickelte sich die Berliner Secession zu einer renommierten Plattform für zeitgemäße Kunst aus ganz Europa. 

Titel
Späte öffentliche Anerkennung
Adresse

Große Seestraße 24
14109 Berlin
Deutschland

Adressbeschreibung
(ab 1933: Am Großen Wannsee 42, heute: Colomierstr. 3)
Geo Position
52.429131650569, 13.164592868909
Stationsbeschreibung

Vermögende Berliner hatten in den Jahren um die Jahrhundertwende das Westufer des Wannsees als idealen Ort für ihre luxuriösen Wochenend-Domizile entdeckt. Im Jahr 1909 war dann das Ufer weitgehend bebaut. Max Liebermann konnte das buchstäblich letzte Grundstück mit einer Fläche von 7000 qm erwerben und ließ sich darauf ein Landhaus mit Atelier erbauen. Längst galt er in der Berliner Gesellschaft als ein arrivierter Künstler und er wurde mit Porträts beauftragt, so auch vom „Kohlebaron“ und Kunstmäzen Eduard Arnhold, dessen Villa nur wenige hundert Meter entfernt stand. 

Trotz, vielleicht aber auch wegen seines vehementen Engagements für die Moderne wurden Max Liebermann gegen Ende des 19. Jahrhunderts öffentliche Anerkennung zuteil, die ihm lange verwehrt geblieben waren. Man kam offenbar nicht mehr umhin zu würdigen, dass er einen maßgeblichen Anteil am Beschreiten neuer Wege in der Kunst hatte und Berlin auf diese Weise zu einem Schauplatz der Moderne geworden war. Aus Anlass seines 50. Geburtstages sind im Jahr 1897 innerhalb der Großen Berliner Kunstausstellung 31 seiner Bilder gezeigt und ihm die Große Goldene Medaille verliehen worden. Man ernannte ihn zum Professor der Berliner Königlichen Akademie, wenngleich ohne Lehramt, und im Jahr darauf wurde er Mitglied der Akademie der Künste. Für Max Liebermann waren all diese Ehrungen auch ein unausgesprochener Triumph über Anton von Werner, den erzkonservativen Direktor der königlich-akademischen Hochschule für die bildenden Künste. Anfeindungen aber kamen inzwischen von ganz anderer Seite, wie etwa durch 1907 gegründeten Werdandi-Bund. Dieses nationalistische Bündnis, welches sich nach der nordischen Schicksalsgöttin benannte, bezeichnete den Berliner Impressionismus als „Gefährdung der deutschen Kunst“. Aus der historischen Distanz sind hier bereits erste Anzeichen eines völkischen Kunstverständnisses zu erkennen, welches ein Vierteljahrhundert später einen Begriff wie den der „Entarteten Kunst“ hervorbringen sollte. Noch aber sind die Mitglieder der Berliner Secession auf dem Höhepunkt ihres Einflusses auf das europäische Kunstschaffen. Obgleich im Jahr 1902 insgesamt 16 Künstler (aber keine Künstlerin) die Gruppe verlassen haben, hatte die Berliner Secession inzwischen 97 ordentliche und 119 korrespondierende Mitglieder, darunter Claude Monet, Edgar Degas und Henri Matisse. 

Seit 1910 verbrachten die Liebermanns die Sommermonate in ihrer Villa am Wannsee. In über 200 Ölgemälden, Pastellen und Zeichnungen hat Max Liebermann seinen Garten festgehalten und machte dieses Refugium zum Hauptmotiv seines Spätwerks. Die Liebermann-Villa beherbergt heute ein Museum, wechselnde Ausstellungen und ein Café und ist, wie auch der Garten, für die Öffentlichkeit zugänglich. 

Titel
Präsident der Akademie der Künste
Adresse

Pariser Platz 4
10117 Berlin
Deutschland

Geo Position
52.515501210262, 13.379092684258
Stationsbeschreibung

1898 war Max Liebermann endlich ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Künste geworden. Zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 1917 widmete diese Institution ihrem Mitglied eine umfangreiche Retrospektive. Drei Jahre später, am 2. Juni 1920, wurde er einstimmig zu deren Präsidenten gewählt. Als er einst die Berliner Secession mitgegründet hatte, stand Max Liebermann der Akademie der Künste noch konträr gegenüber. Die Künstler und Künstlerinnen der Berliner Secession hatten mit ihren innovativen Ausstellungen maßgeblich die Entwicklung der Moderne in Deutschland beeinflusst, während die Preußische Akademie der Künste im Kaiserreich als erstarrt und rückwärtsgewandt galt. Als nun der bereits 73-jährige Max Liebermann Präsident der Akademie geworden war, hatte er sein Augenmerk umgehend auf die Reform der Frühjahrs- und Herbstausstellungen gerichtet. Ab sofort standen deren Ausstellungen sowohl Akademiemitgliedern als auch freien Einsendern offen. Mit diesem System erreichte er, dass sämtliche künstlerische Strömungen und aufstrebende Talente vertreten waren, wenngleich abstrakte, konstruktivistische und dadaistische Werke de facto weiterhin ausgeschlossen blieben.  

Präsident Max Liebermann war nun auch mit zahlreichen weiteren Themen befasst. So beschäftigte er sich mit der Berliner Kunstschulreform 1924 ebenso wie mit der Gründung der Sektion für Dichtkunst zwei Jahre später. Ein wichtiges Anliegen, die Sektion für die bildenden Künste durch Zuwahlen neuer Künstler zu verjüngen, konnte er jedoch lange nicht durchsetzen. Trotz seines intensiven Bemühens verhinderten konservative und politisch reaktionäre Mitglieder über Jahre die Aufnahme moderner Künstler. Um die Stagnation bei den Mitgliederwahlen zu beenden, griffen Liebermann und seine Verbündeten zu einem Mittel der Not: Der sozialdemokratische Kultusminister Adolf Grimme löste im August 1931 den Akademiesenat auf, ernannte dreizehn renommierte, vorher von der Akademie ausgewählte Künstler zu Mitgliedern und erließ neue Satzungen. Dies veränderte das Kräfteverhältnis innerhalb der Akademie und führte zu teils vehementen Protesten konservativer Mitglieder. Von solcherlei Querelen zermürbt, verzichtete Liebermann zum Ablauf des Jahres 1931/32 auf eine weitere Kandidatur. Am 16. Juni 1932 wurde er zum Ehrenpräsidenten ernannt. Bereits fünf Jahre zuvor hatte ihn die Stadt Berlin aus Anlass seines 80. Geburtstages zum Ehrenbürger ernannt. All dies wäre ihm, dem Juden, in der Kaiserzeit niemals vergönnt gewesen. 

Am 30. Januar 1933 musste der 85-jährige Max Liebermann auf dem Balkon seines Hauses neben dem Brandenburger Tor den Fackelzug miterleben, mit dem die SA die Machtübernahme ihres „Führers“ feierte. Um dem Ausschluss zuvorzukommen, erklärte Max Liebermann gegenüber dem Präsidium der Akademie am 7. Februar seinen Rücktritt als Ehrenpräsident und tags darauf öffentlich seinen Austritt aus der Akademie, der er 35 Jahre angehört hatte. Kaum einer seiner einstigen Weggefährten hielt den Kontakt zu ihm aufrecht. Einzig Käthe Kollwitz suchte noch den Zugang zu ihm. Erfolglos verlief 1934 der Versuch, ihn ein letztes Mal zu besuchen. Spürbar niedergeschlagen schrieb sie: “War bei ihm. Er ist krank und nicht zu sprechen“ (Schmalhausen, S. 82) 

Titel
Erniedrigung und Tod
Adresse

Schönhauser Allee 23–25 (Jüdischer Friedhof)
10435 Berlin
Deutschland

Geo Position
52.534329729183, 13.413032389182
Stationsbeschreibung

Max Liebermann starb am 8. Februar 1935 gegen 19 Uhr in seinem Haus am Pariser Platz schräg gegenüber der Preußischen Akademie der Künste. Zeitlebens ist er zahlreichen persönlichen Angriffen ausgesetzt gewesen, wobei es oft gar nicht um seine Kunst ging. Den Grund für diese Feindseligkeiten brachte Liebermann einmal so auf den Punkt: „Ich bot ja auch drei Angriffsflächen: ich war erstens Jude, zweitens reich und drittens hatte ich Talent. Eines davon hätte doch genügt.“ (Schütz, S. 52) 

Die hebräische Tageszeitung Haaretz in Tel Aviv schrieb in der Ausgabe vom 15. Februar 1935 in einem Nachruf: „Was hier vollendet ward, ist mehr als das Erdenwallen eines Menschen – es ist der Abschluss einer Epoche, das Ende einer reichen, unwiederbringlich dahingegangenen Zeit.“ Zur Beerdigung am 11. Februar 1935 auf dem Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee erschien kein offizieller Vertreter der Stadt, deren Ehrenbürger er formell noch immer war. Auch kaum einer von denen aus Kunstwelt und Gesellschaft, die in der Vergangenheit Liebermanns Nähe gesucht hatten. Unter der Beobachtung der Gestapo versammelten sich nur wenige Aufrechte um den schlichten mit weißem Flieder bedeckten Sarg, darunter Käthe Kollwitz, das Künstlerehepaar Hans und Mathilde Purrmann, die Maler Konrad von Kardorff und Otto Nagel, der Chirurg Ferdinand Sauerbruch sowie der Bildhauer Georg Kolbe. 

Kurz nach dem Novemberpogrom vom 9./10 November 1938 folgte Liebermanns Tochter Käthe mit Enkelin Maria ihrem Ehemann, dem Sozialdemokraten Kurt Riezler, nach New York in die Emigration. Über das Verhalten von Max Liebermanns Witwe Martha angesichts der antisemitischen Bedrohung durch den Nationalsozialismus gehen die Versionen der Biografen auseinander. Mehrheitlich glaubt man Hinweise darauf zu haben, dass sie sich trotz des Drängens von Freunden und Verwandten weigerte, das Grab ihres Mannes „im Stich zu lassen“ (Schütz, S. 59). Es gibt aber auch Hinweise darauf, dass sie sich, angesichts des Raubes ihres Vermögens durch die NS-Behörden, die „Reichsfluchtsteuer“ und andere erhobene Abgaben, die vor einer Emigration zu zahlen waren, schlichtweg nicht habe leisten können. Und als es Bekannten in Schweden und den USA gelungen sei, die Summen durch Spendensammlungen aufzubringen, wäre es zu spät gewesen. Da nämlich hatte man nur wenige hundert Meter von der Liebermann-Villa entfernt bereits die „Endlösung der europäischen Judenfrage“ beschlossen.  

In einem aber sind sich die Biographen einig: am 4. März 1943 hat Martha Liebermann die Mitteilung bekommen, dass ihre Deportation in das KZ Theresienstadt unmittelbar bevorstünde. Sie sah keinen Ausweg mehr und schluckte in der darauffolgenden Nacht eine Überdosis des Schlafmittels Veronal. Am folgenden Vormittag fand sie der Beamte, der sie für die Deportation abholen sollte, ohne Bewusstsein vor. Martha Liebermann wurde ins Jüdische Krankenhaus von Berlin eingewiesen, wo sie am 10. März 1943 starb. 

Sterbedatum
8. Februar 1935
Sterbeort
ebenda

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Autor
Gerhard Haase-Hindenberg
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