Hermine Wollheim, die Tochter des Berliner Kohlebarons Caesar Wollheim wuchs mit ihren beiden Schwestern in wohlhabenden Verhältnissen auf. Sie trug eine Porzellansammlung verschiedener Hersteller zusammen, die bald zur bedeutendsten ihrer Art in Europa und außerhalb von Museen wurde. Gemeinsam mit ihrem Mann Otto Feist sammelt sie zudem Werke von Joshua Reynolds, einem der wichtigsten englischen Maler des 18. Jahrhunderts. Ferner Gemälde von Jean-Baptiste Francois Pater, Reinhold Lepsius, Joseph Highmore, Franz Seraph Lenbach, sowie Bilder von Francisco de Goya. Im Jahr 1912 verwitwet Hermine Feist. Bedingt durch den Wertverlust der von ihr gezeichneten Kriegskredite, die Inflation und einen anhaltenden luxuriösen Lebensstil, geriet Hermine Feist in eine finanzielle Schieflage. Zu Beginn des Jahres 1933 war sie nahezu mittellos. Nach ihrem Tode im Herbst desselben Jahres machte die Dresdner Bank, bei der mittlerweile eine Kreditsumme von 1,1 Millionen RM und von den beiden Söhnen in Höhe von 400.000 € aufgelaufen war, von der Sicherheitsübereignung der Sammlungen Gebrauch. Das geschah ganz im Sinne der neuen nationalsozialistischen Machthaber, in dem durch die Dresdner Bank die zweifache Zwangslage der Familie Feist - als Schuldner wie als jüdisch Verfolgte – ausgenutzt wurde und die sicherungsübereigneten Kunstwerke teils weit unter dem realen Wert gegengerechnet wurden.

Beruf
Kunstsammlerin
Geburtsdatum
20.12.1855
Geburtsort
Berlin
Gender
Frau
Literatur
Augustin, Anna-Carolin: „Berliner Kunstmatronage, Sammlerinnen und Förderinnen bildender Kunst um 1900“, Göttingen 2018.
Keisch, Christiane: „Hermine Feist, Berlin (1855–1933). Eine Leidenschaft fürs Porzellan, in: Glück, Leidenschaft und Verantwortung. Das Kunstgewerbemuseum Berlin und seine Sammler, Ausstellungskatalog“, Berlin 1996, S. 32–35.
Rother, Lynn: „Kunst durch Kredit: Die Berliner Museen und ihre Erwerbungen von der Dresdner Bank 1935“, Berlin/Boston 2017.
Kuhrau, Sven: „Der Kunstsammler im Kaiserreich. Kunst und Repräsentation in der Berliner Privatsammlerkultur“, Kiel 2005.
Sonstiger Name
Wollheim
Stationen
Titel
Herkunft
Adresse

Bellevuestraße 12a
10785 Berlin
Deutschland

Geo Position
52.510209506412, 13.375458353268
Stationsbeschreibung

Hermine Wollheim wurde im Dezember 1855 in Berlin geboren. Zu dieser Zeit stieg ihr Vater Caesar Wollheim ins oberschlesische Kohlengeschäft ein, das er sehr erfolgreich betrieb. In den Judenbürgerbüchern, dem Verzeichnis der jüdischen Gemeindemitglieder, die zwischen 1808 und 1851 in Berlin eingebürgert wurden, erfolgte der Eintrag seiner Einbürgerung am 11. Oktober 1840. Bevor er zum „Kohlebaron“, wie ihn die Berliner nannten, aufstieg, hatte er erfolgreich mit Textilien, Eisen, Schrott und weniger erfolgreich auch mit Weizen gehandelt. Zu den vielfältigen unternehmerischen Aktivitäten des Caesar Wollheim gehörte auch das Versicherungsgeschäft. Von 1864 bis 1866 war er General-Agent, später Generalbevollmächtigter der Zweigniederlassung der Frankfurter Lebensversicherung in Preußen. Hermine Wollheim wuchs also in einer zu einigem Wohlstand gekommenen Unternehmerfamilie in der vornehmen Bellevuestraße im Berliner Tiergartenviertel auf. Über ihre schulische Ausbildung ist nichts bekannt. Hermine Wollheim galt Zeitgenossen zeitlebens als „exzentrisches Original“ (Klaus Mann: „Der Wendepunkt“), was sie von ihren Schwestern Martha und Else unterschieden haben soll. Ein Bruder hieß David Emil und war bereits im Säuglingsalter verstorben. Der Vorname des Knaben ließ einen Rückschluss auf ein jüdisch-deutsches Elternhaus zu, wobei die Namen der Töchter auf eine deutsch-nationale Gesinnung schließen ließen. Diese Kombination war im preußischen Judentum nicht unüblich, in jener Zeit, in der alsbald – nämlich 1870 – die gesellschaftliche Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung im Norddeutschen Bund erfolgte. Caesar Wollheims politische Einstellung machte ihn schließlich zu einem Anhänger der Nationalliberalen. 

Hermine Wollheim heiratete den Kaufmann Otto Feist (1847–1912), dem Sohn eines Handelsmannes in Frankfurt am Main. Dieser Ehe entsprangen drei Söhne: Paul, der im Alter von vier Jahren plötzlich verstarb, Ernst, der 1939 kurz nach der Entlassung aus dem KZ Oranienburg gestorben ist und Hans, der die Shoa überlebte.

Titel
Porzellane am Wannsee
Adresse

Bergstraße 5
14109 Berlin
Deutschland

Geo Position
52.423725296837, 13.159193868286
Stationsbeschreibung

Von ihrem Vater hatten Hermine Feist und ihr Mann eine Villa geerbt, die zur Colonie Alsen am Großen Wannsee gehörte. Die Colonie war von dem Bankier Wilhelm Conrad bereits 1863 gegründet worden. Hier wurden nun in den nächsten Jahrzehnten prachtvolle Villen errichtet, die in Parks eingebettet waren. Das Anwesen des Ehepaares Feist lag in der Bergstraße 5 und wurde ab 1908 von dem Architekten Alfred Breslauer nach den Vorstellungen von Hermine Feist so umgestaltet, dass sie neben dem Zweck eines Sommerwohnsitzes auch der musealen Präsentation der Porzellansammlung dienen konnte. Daher bevorzugte Hermine Feist Möbel im Rokoko-Stil, die ihrer Ansicht nach bestens geeignet seien, dies wirkungsvoll zu tun. Die Porzellane wurden regelrecht inszeniert, in dem sie „in zahlreichen in die Wand eingelassenen Vitrinen mit verspiegelten Rückwänden systematisch wie dekorativ angeordnet waren“ (Rother, S. 36). 

Hermine Feist sammelte neben Tafelgeschirr auch figürliches Porzellan und Vasen. Und das in großem Stil aus Meissner Porzellan, das im 18. Jahrhundert lange Zeit die einzige Porzellan-Manufaktur Deutschlands war. Eine weitere deutsche Porzellanmanufaktur war die „Kurfürstlich Mainzischen Porzellanmanufaktur“ (heute Höchster Porzellanmanufaktur) deren Firmenzeichen das Mainzer Rad ist. Auch aus deren Produktpallette hatte Hermine Feist einige Stücke in ihrer Sammlung. Ferner gehörten zur Sammlung Exponate aus der Porzellanmanufaktur im kurpfälzischen Frankenthal und der 1747 gegründeten Porzellanmanufaktur Nymphenburg. Wiederholt stiftete Hermine Feist dem Berliner Kunstgewerbemuseum Porzellane. So im Jahre 1908 ein Kännchen aus Meißen, 1910 dann eine Kanne aus der Nymphenburger Manufaktur, etwas später aus selbiger Produktionsstätte die bemalte Figur einer Muse, sowie 1914 eine Wiener Tasse. Der Generaldirektor der Berliner Museen, Wilhelm von Bode stellte im Jahr 1922 fest: „Eine ähnlich bedeutende und reiche Sammlung von Porzellangruppen und Figürchen, wie sie Frau Hermine Feist zusammengebracht und in ihrer Villa in Wannsee geschmackvoll ausgestellt hat, hat kein Museum aufzuweisen“ (zitiert nach Rother, S. 35).

Titel
Sammelleidenschaft
Adresse

Bellevuestraße 15
10785 Berlin
Deutschland

Geo Position
52.510516656316, 13.374218225962
Stationsbeschreibung

Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, im Frühjahr 1914, bezog die seit zwei Jahren verwitwete Hermine Feist mit ihren Söhnen eine luxuriöse Stadtwohnung in der Bellevuestraße 15, unweit ihres Elternhauses. Nach dem Tod des Vaters 1882 war dessen Geschäftspartner Eduard Arnhold eine testamentarisch verfügte Frist von zehn Jahren verblieben, in denen er den geschäftlichen Anteil der Wollheim-Erbinnen erwirtschaften und schließlich an diese ausbezahlen sollte. Somit standen Hermine Feist genügend finanzielle Ressourcen zur Verfügung, um ihre vielfältige Porzellansammlung weiter auszubauen. Hinzu kamen Mittel aus der Erbschaft ihres verstorbenen Gatten, der einer deutschen Sekt-Dynastie entstammte. Hermine Feist sammelte darüber hinaus alte Spitzen und Schmuck und sie besaß zudem eine respektable Gemäldesammlung, die sie in den gemeinsamen Ehejahren mit Otto Feist aufgebaut hatte. Diese war zwar testamentarisch den beiden Söhnen Hans und Ernst vermacht worden, blieben aber in der Verfügungsgewalt der Mutter. In der Sammlung befanden sich Werke von Joshua Reynolds, Jean-Baptiste Francois Pater, einem Schüler des Rokoko-Malers Antoine Watteau, Reinhold Lepsius, Porträtmaler und Vertreter des deutschen Impressionismus, Joseph Highmore, einem englischen Porträt- und Historienmaler, Franz von Lenbach, der sich durch Porträts prominenter Persönlichkeiten einen Namen machte, sowie von Francisco de Goya. Die finanzielle Unabhängigkeit erlitt schweren Schaden, denn nach dem Ersten Weltkrieg waren die von ihr einst gezeichneten Kriegsanleihen wertlos geworden, aber auch die einsetzende Inflation führte zu einem erheblichen Wertverlust ihres privaten Vermögens. Anfang der 1920er Jahre war sie gezwungen, mit der Sicherheit ihrer Sammlungen bei der Dresdner Bank Kontokorrent-Kredite in Anspruch zu nehmen. Da diese von Hermine Feist nicht zurückgezahlt werden konnten, galt sie spätestens ab dem Jahre 1933 als säumig.

Titel
Lebensende
Adresse

Lindenstraße 1
14109 Berlin
Deutschland

Geo Position
52.425477361958, 13.154120726276
Stationsbeschreibung

Am Ende ihres Lebens hatte Hermine Feist „beträchtliche Schulden und eine weitestgehend an verschiedene Gläubiger sicherungsübereignete Kunstsammlung“ und so „oblag es ihren Kreditgebern und ihren Erben, den Nachlass vor allem durch Kunstverkäufe zu bereinigen“ (Rother, S. 33). Diese desaströse finanzielle Situation war nicht allein den wertlos gewordenen Kriegsanleihen, den Folgen der Inflation und einem anhaltenden kostspieligen Lebensstil der Hermine Feist geschuldet. Vielmehr war ein Großteil der Schuldsumme durch Zinsberechnung aufgelaufen. Jedenfalls wies ihr Konto „ein Minus von rund 1,1 Millionen Reichsmark aus; hinzu kamen Schulden der beiden Söhne Hans und Ernst Feist-Wollheim in Höhe von rund 400.000 Reichsmark bei der Dresdner Bank“ (ebenda). Neben der Kunstsammlung verfügte Hermine Feist, bzw. nach ihrem Tod ihre Söhne als Erben des Nachlasses, über wertvolles Hausinventar, Immobilien und Aktien, jedoch nicht über ausreichend Bargeld. So sind dem Geldinstitut aufgrund der finanziellen Forderungen zwischen Januar 1930 und Juli 1932 große Teile der Sammlung sicherungsübereignet worden. Quantitativ handelt es sich um 700 Objekte unterschiedlicher Gattungen. Damit wurde die Auflösung einer Sammlung vorbereitet, die ihre Besitzerin als leidenschaftliche Expertin einst weit über die deutschen Grenzen hinaus bekannt gemacht hatte. Der Kunsthistoriker Sven Kuhrau würdigte in einer Studie das Sammeln des Otto Feist, der „in für Berlin typischer Weise italienische Möbel und Kleinbronzen, Majoliken und Steinarbeiten erworben hatte und zum anderen die Vorliebe Hermine Feists für das 18. Jahrhundert und damit für Gemälde und Möbel französischer Provenienz sowie Porzellane“ (Kuhrau, S. 90). Hermine Feist starb am 17. November 1933 und wurde auf dem Neuen Friedhof in Berlin-Wannsee bestattet.

Titel
Verstreuung der Sammlung
Adresse

Haldenstraße 19
6006 Luzern
Schweiz

Geo Position
47.055074348928, 8.3144266826427
Stationsbeschreibung

Vom 20. bis 24. Mai 1941 sind große Teile der Feistschen Sammlung in den repräsentativen Räumen der Galerie Fischer in Luzern versteigert worden. Nach Hermine Feists Ableben war die Porzellansammlung noch am Wannsee verblieben, selbst nachdem die Villa samt den Kunstwerken bereits an die Dresdner Bank und einige Privatgläubiger sicherungsübereignet worden waren. Im August 1933 war es der Dresdner Bank gelungen, in den Sicherheitsübereignungsvertrag auch alle verfügbaren Porzellane der Hermine Feist aufzunehmen. Inzwischen waren die Nationalsozialisten an der Macht und die Dresdner Bank schloss sich alleine schon wegen der Mehrheitsbeteiligung der NS-Reichsregierung der einsetzenden Verfolgungspolitik an. Zwar wurde im März 1934 noch Ernst Zimmermann, der ehemalige Direktor der Dresdner Porzellansammlung, damit beauftragt, den Gesamtwert der Porzellane zu taxieren. Aber erst „nachdem die Erben am 10. August 1935 eine verbindliche Offerte gegenüber der Dresdner Bank zu dem Verkauf der Kunstwerke abgegeben hatten und das Land Preußen daraufhin das Gros der ehemaligen Porzellansammlung Feist über die Dresdner Bank erwerben konnte, wurde die Präsentation in der Villa Feist aufgelöst“ (Rother, S. 36). Nun nutzte die Dresdner Bank die zweifache Zwangslage der Familie Feist – als Schuldner, wie als jüdische Verfolgte – schamlos aus. Man entfernte Kunstobjekte nach Gutdünken aus der Sammlung, um sie weit unter ihrem Schätzwert mit der Schuldsumme zu verrechnen. Die einzelnen Teile der Sammlung, soweit sie nicht von der Dresdner Bank an Museen, wie zum Beispiel das Berliner Kunstgewerbemuseum, direkt verkauft wurden, tauchten in den folgenden Jahren bei verschiedenen Auktionshäusern im In- und Ausland auf. 

Zunächst waren Sammlungsteile am 22. und 23. Juni 1939 im Berliner Auktionshaus des Hans W. Lange versteigert worden, der das Geschäft des jüdischen Antiquitätenhändlers Paul Graupe „übernommen“ hatte und ab Oktober 1937 unter eigenem Namen weiterführte. Im Mai 1941 aber erfolgte die Versteigerung großer Teile der Feistschen Sammlung bei Theodor Fischer in Luzern. Nach dem Ende der NS-Herrschaft stellten die Erben von Hermine Feist einen Anspruch auf Wiedergutmachung, da der Wert der Sammlungen und der Villa am Wannsee die Summe der seinerzeitigen Schulden bei Weitem überstiegen hätte. Am 8. Dezember 1959 kam es mit der kurz zuvor gegründeten Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu einem Vergleich, der besagte, dass ein kleiner Teil der einstigen Kunstsammlung restituiert, der weitaus größere Teil jedoch finanziell abgegolten werde. Doch waren von diesem Vergleich nur jene Objekte der inzwischen verstreuten Sammlung erfasst, die in preußischen Kulturbesitz gelangt waren. Zahlreiche Objekte, auch aus dem Berliner Kunstgewerbemuseum, zählen heute zu den kriegsbedingten Verlusten. Sie sind als Suchmeldungen in der Lost Art-Datenbank veröffentlicht. Dem Restitutionsanspruch der Feist-Erben auf eine Bronzebüste „Herkules“ aus dem 16. Jahrhundert kam das österreichische Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur 2013 nicht nach, weil ein Zusammenhang mit der NS-Verfolgung nicht anerkannt wurde, da der Verkauf aufgrund der angefallenen Schulden erfolgte.

Sterbedatum
17.11.1933
Sterbeort
Berlin

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Autor
Gerhard Haase-Hindenberg
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