Budapest
Belgrád rakpart 2
1056
Ungarn
An diesem Ort lebte von 1945 bis zu seinem Tod 1971 Georg Lukács, der Literaturwissenschaftler, marxistischer Philosoph und kommunistischer Parteifunktionär war.
Bereits im Dezember 1944 begab sich Georg Lukács nach Budapest, wo er eine Professur für Ästhetik und Kulturphilosophie an der Universität Budapest erhielt. Seine Schüler*innen begründeten die sogenannte Budapester Schule. Diese Strömung des ungarischen Marxismus brach mit dem real existierenden Sozialismus und sah sich als Antwort auf den Stalinismus einem „radikalen Humanismus“ verpflichtet. Zu ihnen zählte auch die weltweit bekannte Philosophin Ágnes Heller.
International wurde Lukács auch durch seine Schriften über die Entstehung des Faschismus bekannt. Vor allem in der DDR „[avancierten] Lukács´ Schriften […] zu einer Art Handbuch für die proto-faschistische Kontamination der deutschen Geistesgeschichte“ (zeitgeschichte-online.de). Einer dieser Texte ist „Die Zerstörung der Vernunft“ (DDR: 1954, BRD: 1962), in dem er Nietzsche kritisierte und damit dessen Rezeption beeinflusste. Lukács setzte sich darin mit der Entstehung des Faschismus aus der deutschen Philosophie des 19. Jahrhunderts auseinander. Er warf ihr „Irrationalismus“ vor, der unweigerlich zum Nationalsozialismus geführt habe. Von der Leser*innenschaft wurde der Text sehr unterschiedlich aufgenommen.
In den Jahren 1949 bis 1955 war Lukács Mitglied des ungarischen Parlaments. Politisch aktiv wurde er aber auch im Ungarnaufstand von 1956. Als Mitglied der KPU unterstützte die reformkommunistische Regierung unter Imre Nagy, der sich für einen „nationalen und menschlichen Sozialismus“ aussprach und damit Kritik in der Führung der Sowjetunion hervorrief. Als Nagy von der Leitung der kommunistischen Partei (MDP) aus dem Amt des Ministerpräsidenten enthoben wurde, regte sich innerparteilicher Widerstand.
Ein Ausdruck davon war der Petöfi-Kreis. Auch Lukács leitete im Sommer eine Debatte dieses heterogenen Diskussionsforums zum Thema Philosophie. Ab März 1956 war der Petöfi-Kreis wichtiger Impulsgeber politischer Veränderungen und trug der Historikerin Sabine Schön zufolge „maßgeblich dazu bei, dass sich in der ungarischen Gesellschaft ein politisches Klima des Aufbruchs und der Veränderungen etablieren konnte“ (Schön, zeitgeschichte-online.de).
Im Herbst 1956 wurde Georg Lukács Teil des Zentralkomitees und Minister für Volksbildung unter der Regierung Nagys. Doch als dieser erklärte den Austritt Ungarns aus dem Warschauer Pakt erklärte, stellte sich Lukács an die Seite der Sowjetunion und verließ aus Protest die Regierung.
Im Oktober 1956 gingen die Studierendenproteste in Budapest in einen landesweiten Aufstand über. Breite Teile der Bevölkerung forderten von der totalitär regierenden kommunistischen Partei eine Wiederaufnahme des Reformkurses. Doch die Sowjetunion griff ein und zerschlug die Proteste.
Wegen einer eintretenden Verfolgungswelle unter dem neuen sowjetfreundlichen Ministerpräsident János Kádár mussten viele Aufständige aus Ungarn fliehen. Auch Lukács wurde für mehrere Jahre nach Rumänien verbannt, verlor seinen Lehrstuhl und seine Parteimitgliedschaft. Ihm wurde ein Lehr- und Publikationsverbot auferlegt. 1957 kehrte er zurück. Während er zunächst als „revisionistisch“ und als „Abweichler“ galt, konnte Lukács im Laufe der 1960er Jahre wieder publizieren. 1969 wurde er wieder in die Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei aufgenommen.
Lukács starb am 4. Juni 1971 in Budapest an einer Krebserkrankung.
Eine ausführliche Biografie zu Georg Lukács auf Jewish Places können Sie HIER nachlesen!
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