Der moderne Maler Rudolf Levy wurde am 15. Juli 1875 in Stettin in eine jüdische Kaufmannsfamilie geboren und wuchs mit zwei Geschwistern in Danzig auf. Nach einer Maurerlehre und Ausbildung als Architekt zog es ihn zunächst nach München, wo er bei einem impressionistischen Maler lernte.
Gemeinsam mit seinem Freund Hans Purmann, der ebenfalls Maler war, machte er sich auf nach Paris, wo er sich bald in einem Freundeskreis von Künstler*innen und Intellektuellen rund um das Café du Dome bewegte. Er ging bei dem bekannten Maler und Wegbereiter des Expressionismus Henri Matisse an der neu gegründeten „Académie Matisse“ (1908-1911) in die Lehre. Levy stellte seine Werke schließlich in New York, Amsterdam und Berlin aus und wurde international zunehmend erfolgreich. Kurz nach dem Fronteinsatz für Deutschland im Ersten Weltkrieg heiratete er 1919 in München die Fotografin Eugenie Schindler.
Die Jahre der Weimarer Republik verbrachte Levy überwiegend in Berlin, wo er in seinem Charlottenburger Atelier malte, eine eigene Malschule betrieb und sich im Umfeld der Berliner Bohème in Cafés und auf Künstlerfesten sehen ließ. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten bedeutete für Levy die Verdrängung aus der Künstlervereinigung Berliner Secession und im Jahr 1934 die Emigration aus Deutschland. Nach Aufenthalten auf Mallorca, in New York und an vielen anderen Orten hielt sich Levy ab dem Jahr 1938 auf der italienischen Insel Ischia auf. Er war zunehmend auf die Finanzierungshilfe von Freunden und Familie angewiesen. Als die Aufenthaltserlaubnis erlosch, begann Levys erfolglose Suche nach einer Einreiseerlaubnis außerhalb Europas. Er begab sich nach Florenz. Doch nach dem politischen Seitenwechsel Italiens im Zweiten Weltkrieg und der anschließenden Besetzung des Landes durch die Wehrmacht im September 1943 wurde die Situation für Jüdinnen*Juden auch in Italien gefährlicher.
Am 12. Dezember 1943 wurde Rudolf Levy in Florenz vor der Pension Guadagni verhaftet und in ein Polizeigefängnis gebracht. Einen Monat später wurde er mit anderen jüdischen Gefangenen in das Vernichtungslager Auschwitz transportiert – er starb während des Transports.
Diese Biografie ist im Rahmen der Ausstellung "Paris Magnétique" entstanden. Mehr Informationen finden Sie in den weiterführenden Links.
Farna 7
70-535 Szczecin
Polen
Rudolf Levy wurde am 15. Juli 1875 in eine jüdische Familie in Stettin geboren. Der Vater, Julius Levy, stammte aus einer gutbürgerlichen Familie und war Kaufmann. Er und die Mutter, Therese Levy (geb. Rieß), kamen beide aus Pommern. Nach dem Umzug nach Danzig wurden Rudolfs Geschwister geboren. Zuerst sein Bruder Paul (geb. 17.11.1876 – gest. 1943 in Auschwitz) und danach seine Schwester Käthe (geb. 4.12.1879 – gest. 24.10.1954 in Tel Aviv).
Nach der Grundschule besuchte der junge Rudolf ein humanistisches Gymnasium, was dem Wunsch der Eltern nach einer umfassenden Bildung ihrer Kinder entsprach. Die musischen Lehrinhalte während seiner Schulzeit sollten ihn nachhaltig prägen. Für seinen weiteren Ausbildungsweg wollte sein Vater ihm ein Universitätsstudium ermöglichen, doch Rudolf wollte lieber künstlerisch tätig sein. Bald darauf verließ er das Gymnasium und begann eine Lehre zum Möbelschreiner.
Im Alter von 20 Jahren zog Rudolf Levy nach Karlsruhe, wo er an der Großherzoglichen Badischen Kunstgewerbeschule zwei Jahreskurse zu Architektur besuchte. Im Jahr 1897 zog er nach München, wo er ein Atelier besaß. Er bewarb sich für ein Studium an der Akademie der Bildenden Künste. Doch von Seiten der Lehrenden wurden seine künstlerischen Arbeiten nicht für gut befunden, weshalb er seine Ausbildung an einer der renommierten Privatschulen fortsetzte.
In dieser Zeit war Levy Teil eines Kreises von Künstler*innen, die sich im Café Stefanie in München-Schwabing trafen. Dort lernt er spätere Weggefährten kennen, wie zum Beispiel die Maler und Zeichner Albert Weisgerber und Walter Bondy. Auch im freien Verein Sturmfackel, dessen Mitglieder bürgerliche Normen mit humorvollen Mitteln hinterfragten, spielte Levy eine bedeutende Rolle.
Im Winter 1901/02 begann Levy im Freilichtatelier im Garten der Akademie des impressionistischen Malers Heinrich von Zügel zu studieren. Dort sammelte er Erfahrungen auf dem Gebiet der Ölmalerei sowie dem Zeichnen von Natur-Sujets. Obwohl Zügels Begeisterung für die französische Malerei des 19. Jahrhunderts (Delacroix, Carot, etc.) ihn beeinflussten, sah Levy an diesem Ort kein künstlerisches Fortkommen und ging nach Paris.
108 Bd du Montparnasse
75014 Paris
Frankreich
Im Herbst des Jahres 1903 zog Rudolf Levy gemeinsam mit seinem Freund Walter Bondy nach Paris. Sie kannten sich aus München und wollten die Stadt sehen, die die Moderne Kunst ihrer Zeit hervorgebracht hatte. Schon bald hatten sie das Café du Dôme in Montparnasse zu ihrem neuen Stammlokal gekürt, nicht nicht wissend, dass „Jahre später Generationen von Malern, Bildhauern, Dichtern, Journalisten aus aller Herren Länder die Ecken, an der diese bescheidene Gaststätte lag, so etwas wie [den] Mittelpunkt geistigen Geschehens" betrachten würden.
Zu ihrem kleinen Kreis gesellten sich bald schon weitere Münchner Freund*innen, wie Hans Purrmann, Alfred Weisgerber, Jules Pascin und Will Howard. Sie malten gemeinsam, stellten in den ersten Salons aus und diskutierten die Werke ihrer Vorbilder und Freunde. Einer der beiden war der Künstler Henri Matisse, der mit der Künstlergruppe „Les Fauves“ viel Aufruhr im 3. Herbstsalon 1906 verursacht hatte. Gemeinsam wurde die Idee eines Matisse-Schüler*innen-Ateliers geboren. Viele Künstler*innen aus Deutschland, Norwegen, Schweden und Ungarn schlossen sich der Schüler*innenschaft an - die Académie Matisse war geboren. 1910 arbeiteten schon über 80 Künstler*innen in den Ateliers der Académie, doch Matisse verlor zusehends das Interesse an der Lehrtätigkeit. Levy, der inzwischen erste künstlerische Erfolge feiern konnte, übernahm für kurze Zeit sogar vollständig die Lehrtätigkeit für Matisse, bevor die Académie 1912 endgültig geschlossen wurde.
Levy nutzte die freie Zeit und reiste nach Südfrankreich. Zunächst nach Sanary, Cassis und L’Estaque, und anschließend nach Stockholm. Er stellte mittlerweile weltweit seine Werke aus: unter andrem bei der Sonderbundausstellung in Köln, bei Gruppenausstellungen im Stedelijk Museum Amsterdam, auf der berühmten Armory Show in New York und 1914 bei der ersten Ausstellung der Freien Secession Berlin sowie der Neuen Münchner Secession. Sein Freund Alfred Flechtheim, ein Galerist, den er im Café du Dôme kennen gelernt hatte, zeigte 1914 in seiner Düsseldorfer Galerie die erste Ausstellung der Künstlerfreunde aus dem Café du Dôme in Deutschland. Mit dabei waren auch 16 Arbeiten von Rudolf Levy.
Durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs konnte die Ausstellung nicht wie geplant durch Deutschland reisen. Levy meldete sich freiwillig für die Deutsche Armee. Er diente als Unteroffizier in Artois und Flandern und bekam für seine Verdienste in den Schlachten um Artois und in der Champagne das Eiserne Kreuz 1. und 2. Klasse verliehen. Aufgrund seines jüdischen Glaubens wurde ihm aber eine weitere militärische Karriere versagt. Nach Kriegsende zog er zunächst nach Frankfurt am Main, siedelte aber Anfang August 1919 über nach München. Dort lernte er schon bald die Fotografin Eugenie (genannt Genia) Schindler kennen, die er noch vor Ende des Jahres heiratete.
Lützowufer 14
10785 Berlin
Deutschland
Anfang Oktober 1921 zog Levy von München nach Berlin. Er reiste durch viele Städte und baute sich ein soziales Umfeld im Kreis von Künstler*innen und Kunstbegeisterten auf. Zu diesem Umfeld gehörten unter anderem Erika und Klaus Mann, der Regisseur Erik Charell und der Schriftsteller und spätere Freund Herbert Schlüter. Für Levy begann in den späten 1920er Jahren ein Lebensabschnitt, in dem er mit seiner Kunst - auch in Deutschland - zunehmend Bekanntheit erlangte. Seine Werke wurden von immer mehr deutschen Museen angekauft sowie in Galerien von Alfred Flechtheim in Düsseldorf und Berlin gezeigt. Der Kunsthändler und -sammler Flechteim brachte in der Nachkriegszeit französische Maler*innen sowie deutschsprachige Künstler*innen des Pariser Umfelds nach Deutschland. Im Jahr 1927 zeigte er in Berlin die erste Einzelausstellung mit Bildern Rudolf Levys.
Nach zwei Jahren in denen Levy sich vorwiegen in Paris aufgehalten hatte, kam der Künstler im Jahr 1926 wieder nach Berlin. Hier hielt er sich in seinem Atelier auf dem Kurfürstendamm auf, wo er Stillleben und Bildnisse malte. Manchmal war er auch im nahe gelegenen Romanischen Café in der Lützowstraße, das damals als Künstler*innentreffpunkt schlechthin galt. Zugleich erfreute sich Levy an dem freien kulturellen Treiben im Berlin der Weimarer Jahre und besuchte beispielsweise Kostümfeste.
Im Jahr 1927 stellte der Levy gemeinsam mit weiteren deutschen Künstler*innen bei einer deutschen Sektion des Pariser Herbstsalons aus. Dies galt im Nachgang des Ersten Weltkriegs, in dem Frankreich und Deutschland Kriegsgegner waren, als kunstpolitische Zeitenwende. Auch in den jährlichen Ausstellungen des überregionalen Deutschen Künstlerbunds war Levy vertreten: So stellte er 1927 in Hannover ein Stillleben sowie das Figurenbild Freundinnen aus. Seine künstlerischen Erfahrungen, die er bei Matisse gesammelt hatte, vermittelte er nun in einer eigenen Malschule. Auch an Ausstellungen der Künstlervereinigung Berliner Secession beteiligte sich Levy in diesen Jahren weiterhin.
Via Aurelia Ponente, 16
(Villa Olimpo)
16035 Rapallo Genua
Italien
Nach der gewaltsamen Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland im Januar 1933 wurde Levy aus dem Vorstand der Berliner Secession, die nach und nach der nationalsozialistischen Politik gleichgeschaltet wurde, verdrängt. Er verließ Deutschland und reiste über Nizza nach Paris, und schließlich nach Rapallo (Italien), wo er einige Monate verbrachte.
Ab Herbst 1935 hielt sich Levy auf Mallorca in Cala Ratjada auf, wo sich einige politische Emigrant*innen versammelten. Für alle war dieser Ort eine Zwischenstation: Jeder wartete auf Nachrichten und finanzielle Unterstützung aus der Heimat. Um seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können, verkaufte Levy immer wieder einige seiner Bilder und war auf die Unterstützung von Familienangehörigen und Freund*innen angewiesen. Nach dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges im Juli 1936 verließ Levy die Insel wie viele andere Flüchtlinge in Richtung Marseille, wo er einen Pass erhielt. Er reiste nach Genua und traf dort seine Frau Genia wieder, von der er zu diesem Zeitpunkt vermutlich schon geschieden war, um sie vor antisemitischer Verfolgung zu schützen. Am 1. Oktober 1936 erreichte er New York. Doch konnte er sich kaum für die USA begeistern und kehrte im Mai 1937 nach Europa zurück. Immer begleitet von Geldsorgen, kam er Anfang des Jahres 1938 nach Aufenthalten in Neapel und Jugoslawien auf der italienischen Insel Ischia an. Zeitgleich in Deutschland wurden im Jahr 1937 auch Stillleben und Landschaftsgemälde von Rudolf Levy im Zuge der NS-Aktion „Entartete Kunst“ aus öffentlichen Sammlungen beschlagnahmt. Der Verbleib einiger seiner Bilder bleibt ungeklärt.
Auf Ischia ist Levy Teil eines Kreises aus politischen Emigrant*innen, wie zum Beispiel den Malern Karli Sohn-Rethel und Kurt Craemer – beide waren Bekannte aus Düsseldorfer Zeiten. Gemeinsam versuchten sich die Freunde Halt zu geben. Denn Levy plagten neben den ständigen Geldsorgen auch der unsichere Aufenthaltsstatus, sowie Einsamkeit und Depressionen.
Wie viele andere Emigrant*innen, die als politisch oder rassistisch Verfolgte aus Deutschland flüchten mussten, begann auch für Levy das Bemühen um eine Aufenthaltserlaubnis in Europa. Von Ischia aus beantragte er vergeblich ein Visum für Frankreich und wartete auf eine Rückmeldung des italienischen Innenministeriums, bei dem er voller Verzweiflung um ein Bleibegenehmigung ersucht hatte.
Als einige Wochen später, am 1. September 1939, der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde seine Aufenthaltsgenehmigung nicht weiter verlängert, und Levy wurde zur baldigen Ausreise aufgefordert. Mit Hilfe des in New York ansässigen Freundes Erik Charell wollte der Künstler daraufhin nach Amerika auswandern, wozu er sich nach Genua begab. Doch Versuche Visa für Chile oder Ecuador zu bekommen scheiterten - auch aus finanziellen Gründen. Levy wurde zunehmend verzweifelt.
Piazza Santo Spirito, 9
50125 Florenz Firenze
Italien
Nachdem Levys letzter Versuch ein Visum für Ecuador zu erhalten aus unbekannten Gründen scheiterte, zog er schließlich nach Florenz in die Pension Bandini über dem Deutschen Kunsthistorischen Institut. Das Institut steht auch heute noch an dieser Stelle und bietet Kunsthistoriker*innen einen Ausgangspunkt für ihre Forschungen. Levy erlebte dort seit Langem wieder einmal das Gefühl von Sicherheit und Gemeinschaft und fing wieder an zu malen. Mehr als fünfzig Arbeiten sind so zwischen 1941 und 1943 entstanden. Er konnte sogar einige Werke verkaufen, verdiente aber nicht viel daran.
Die Lage für Juden*Jüdinnen und Emigrant*innen wurde immer schlimmer. Als Italien September 1943 die Seiten wechselte, und im Zuge dessen von der Wehrmacht besetzt wurde, kam es zu Razzien und anschließenden Deportationen in das Vernichtungslager Auschwitz.
Rudolf Levy wurde in diese Zeit immer wieder von Gichtanfällen geplagt. Ende des Jahres 1942 wurde sein gesundheitlicher Zustand immer schlechter. Doch Levy fühlte sich auch wohl in Florenz. Als ein Brief an seinen seinen Bruders im Februar 1943 diesen nicht mehr erreichte, und mit dem Verweis „Empfänger unbekannt“ und „Jude“ zurückkam, konnte Rudolf Levy nur erahnen, dass sein Bruder Paul zu diesem Zeitpunkt entweder bereits verschleppt oder unbemerkt geflohen war. Auch nachdem Florenz unter deutsche Militärverwaltung gestellt wurde und die Alliierten die Stadt angegriffen wurde, blieb Levy dort und zeigte sich, gegen den Rat seiner Freund*innen, immer wieder in der Öffentlichkeit.
Eines Tages geriet Rudolf Levy in einen Hinterhalt: Als Kunsthändler getarnte Gestapo-Beamte verhafteten ihn am 12. Dezember 1943 in Florenz vor der Pension und brachten den 68-Jährigen in das Polizeigefängnis Murate, von wo aus er noch Weihnachtsgrüße an seine Pensionswirtin sendete. Auch sein Besitz wurde daraufhin beschlagnahmt. Einem Kunsthändler gelang es immerhin einige seiner Bilder zu retten. Einen Monat später war der gesundheitlich angeschlagene Levy Teil eines Deportationszuges von jüdischen Gefangenen nach Auschwitz – er verstarb vermutlich noch während des Transports. Seine Schwester Käthe war kurz nachdem Hitler an die Macht kam nach Israel emigriert. Rudolfs Bruder Paul, der als Bauingenieur in Hamburg bei der Reichsbahn gearbeitet hatte, wurde 1943 mit seiner Frau in Auschwitz umgebracht.
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