Frauenleben - Auf den Spuren jüdischer Frauen in Hamburg

Auf diesem Spaziergang lernen Sie neun jüdische Frauen kennen, die zu unterschiedlichen Zeiten in Hamburg gelebt und gewirkt haben und damit auch Spuren im Stadtraum hinterlassen haben. Begeben Sie sich auf eine Zeitreise und lernen Sie Bekanntes neu und Unbekanntes erstmalig kennen!

Wenn Sie mehr zu einzelnen Frauen erfahren oder weitere Frauen aus dem jüdischen Leben Hamburgs kennenlernen möchten, schauen Sie sich die Online-Ausstellung „Frauenleben. Werk und Wirken jüdischer Frauen in Hamburg“ unter dem Dach der Online-Quellenedition "Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte" des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg an, die zugleich den Ausgangspunkt für diesen Rundgang bildet.

Frauengeschichte(n) wurden in den letzten Jahren vermehrt (wieder)entdeckt und so soll auch dieser Spaziergang die jüdische Frauengeschichte und speziell die Geschichte der vorgestellten Frauen im Stadtraum verankern und damit bekannter machen.

Adresse

Grindelhof 30
20146 Hamburg
Deutschland

Dauer
100.00
Länge
4.80
Stationen
Adresse

Grindelhof 30
20146 Hamburg
Deutschland

Geo Position
53.568649291992, 9.9837284088135
Titel
Die erste Frau im Vorstand der Jüdischen Gemeinde Hamburg - Gabriela Fenyes
Literatur
Kowitz-Harms, Stephanie, Die Neueröffnung der Joseph-Carlebach-Schule, in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, 25.07.2017, (https://dx.doi.org/10.23691/jgo:article-211.de.v1), [16.06.2021].
Schmid, Harald, Die Novemberpogrome und die Erinnerungskultur, (das „Synagogenmonument“ von Margrit Kahl), in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, 24.01.2019, (https://dx.doi.org/10.23691/jgo:article-116.de.v1), [09.06.2021].
Stationsbeschreibung

Das Gebäude der ehemaligen Talmud-Tora-Schule wird seit 2004 wieder von der Jüdischen Gemeinde genutzt, neben dem Roland-Lauder-Kindergarten und der Joseph-Carlebach-Schule sind hier auch Räumlichkeiten der Verwaltung untergebracht. Heute zählt die Jüdische Gemeinde in Hamburg etwa 2.340 Mitglieder. Vor dem Gebäude stehend, befindet sich rechter Hand der Joseph-Carlebach-Platz, auf dem ein von der Künstlerin Margrit Kahl gestaltetes Bodenmosaik an die einstige Hauptsynagoge der Jüdischen Gemeinde Hamburg erinnert. Derzeit wird über einen Wiederaufbau bzw. Neubau der historischen Bornplatzsynagoge diskutiert.

 

Als erste in den Vorstand der Gemeinde gewählte Frau wirkte auch Gabriela Fenyes während ihrer dritten Amtszeit (2007-2008) an diesem Ort. Zuvor war die Verwaltung der Gemeinde in einem Gebäudekomplex in der Schäferkampsallee 27/29 untergebracht. Bis zu ihrem Verkauf Anfang der 2000er-Jahre besaßen die dortigen Häuser eine wichtige Bedeutung für das jüdische Leben in Hamburg, war hier doch etwa auch das von dem Architekten Hermann Zwi Guttmann errichtete jüdische Altenheim untergebracht. Informationen, die auf diese früheren Nutzungen hinweisen, gibt es nicht, durch Umbauten und Veränderungen ist das Aussehen des Gebäudes stark verändert. Seit 2008 wird es von einer Montessori-Schule genutzt. Die auf dem Gehweg eingelassenen Stolpersteine erinnern daran, dass von hier Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus deportiert und ermordet wurden – ebenso wie vor dem Gebäude der ehemaligen Talmud-Tora-Schule. Lesen Sie mehr zur Vorstandstätigkeit von Gabriela Fenyes unter: https://juedische-geschichte-online.net/ausstellung/frauenleben#station3/6

Nun gehen Sie über den rechts von der Schule liegenden Carlebach-Platz, auf dem einst die Hauptsynagoge der Jüdischen Gemeinde stand, auf den Uni-Campus zu, die nächste Station befindet sich auf der Grünfläche hinter dem „Pferdestall“-Gebäude.

Adresse

Platz der jüdischen Deportierten
20146 Hamburg
Deutschland

Geo Position
53.563549, 9.986679
Titel
Deportation nach Theresienstadt – Erinnerungen von Käthe Starke-Goldschmidt
Literatur
Apel, Linde, „Ein gutes Ende kann dies nicht nehmen“, (Käthe Starke-Goldschmidts Erinnerungen an Theresienstadt), in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, 12.05.2021, (https://dx.doi.org/10.23691/jgo:article-273.de.v1), [04.06.2021].
Starke-Goldschmidt, Käthe, Der Führer schenkt den Juden eine Stadt, (Bilder, Impressionen, Dokumente, Reportagen), Berlin, 1975.
Stationsbeschreibung

Dieser unscheinbare Trampelpfad, welcher heute zum Campus der Universität Hamburg gehört, war einmal die Beneckestraße. 1895 wurde hier die Neue Dammtor Synagoge errichtet, die 1938 während der Novemberpogrome geschändet und 1943 durch einen Bombenangriff zerstört wurde. Heute erinnert nur noch die kleine Gedenktafel an das ehemalige Gebäude. Doch es gab an diesem Ort nicht nur eine Synagoge, sondern ab 1942 auch ein „Judenhaus“, in dem die noch verbliebene Jüdische Gemeinde untergebracht war. Käthe Starke-Goldschmidt (1905-1990) und ihre Schwester Erna Goldschmidt (1902-1977) waren im September 1942 gezwungen, in den Gebäudekomplex Beneckestraße 2-6 zu ziehen. Ihr letzter (erzwungener) Wohnort war zugleich Ausgangspunkt ihrer Deportation nach Theresienstadt, die am 23.6.1943 erfolgte. In ihren 1975 veröffentlichten Memoiren schildert Käthe Starke-Goldschmidt diesen Tag:

Niemand war mehr da, der für uns hätte sorgen können, wir mußten unsre Beerdigung selber durchführen. Seit dem 11. Juni standen wir zudem unter Hausarrest, der sich auf den Komplex Benecekstraße 2-6 erstreckte. In diesen gemeindeeigenen Häusern waren die verstreut in Hamburg wohnenden Juden seit September 1942 zusammengezogen. Im Parterre von Nr. 2 befanden sich die restlichen Büros der Gemeinde, die ebenfalls seit dem 11. Juni geschlossen und versiegelt waren, nicht ohne vorher genauestens durchsucht worden zu sein. […] Beim Registrieren für die Transportliste herrschte ein ungewohnt konzilianter Ton. Keine Schläge, nicht einmal laute Kommandos, niemandem wurde aus Spaß der Kopf unter die Wasserleitung gehalten. Die Sekretärinnen der Gestapo, zwei attraktive Mädchen, reichten uns mit spitzen Fingern unsere Judenkennkarten zurück, in die sie gestempelt hatten, daß Inhaber dieses mit dem Heutigen evakuiert seien, und hakten uns auf ihrer Liste ab. Solcherart ausgestrichen aus dem Buch der Lebenden, wurde uns gegen allen Brauch gestattet, noch einmal in unser Zimmer zurückzukehren, um die restliche Wartezeit dort zu verbringen. Diese Galgenfrist benutzten wir, um Notsignale zu geben an Freunde im neutralen Ausland, flüchtige Zeilen, deren Tenor lautete: Ich verlege meinen Wohnsitz heute nach Theresienstadt, Protektorat.“ (Starke-Goldschmidt, Käthe, Der Führer schenkt den Juden eine Stadt, (Bilder, Impressionen, Dokumente, Reportagen), Berlin, 1975, S. 23f.).

          
Käthe Starke-Goldschmidt überlebte Theresienstadt und kehrte im Juli 1945 nach Hamburg zurück. Mehr zu ihren Memoiren und ihrer Biografie finden Sie unter: https://juedische-geschichte-online.net/ausstellung/frauenleben#station3/5

 

Zur nächsten Station gelangen Sie über den Universitäts-Campus, halten Sie sich rechts und laufen Sie den kleinen Pfad links der Staats- und Universitätsbibliothek Richtung Grindelallee.

Adresse

Grindelallee
20146 Hamburg
Deutschland

Geo Position
53.5645619, 9.9841059
Titel
Die Kunstförderin und Frauenrechtlerin Ida Dehmel
Literatur
Höpker-Herberg, Elisabeth, Das Dehmel-Archiv der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (Ein Bericht über die Geschichte und die Bestände sowie über einen Brief an Alfred Mombert), in: Auskunft. Zeitschrift für Bibliothek, Archiv und Information in Norddeutschland 7, 1987, S. 84-102.
Vogel, Carolin, Das Dehmelhaus in Blankenese, (Künstlerhaus zwischen Erinnern und Vergessen), Hamburg, 2019.
Vogel, Carolin, „Wir leben auf dem Meer wie auf einer anderen Erde“, (Nachtrag in Ida Dehmels Tagebuch einer Weltreise an Bord der „Reliance“ 1936), in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, 14.04.2020, (https://dx.doi.org/10.23691/jgo:article-260.de.v1), [24.06.2021].
Stationsbeschreibung

Das öffentliche Bibliothekswesen hat eine lange Geschichte in der Stadt Hamburg. Bereits Ende des 15. Jahrhunderts ist eine solche Bibliothek dokumentiert. Daraus entwickelte sich 1751 die sogenannte Stadtbibliothek, die mit der Gründung der Universität Hamburg 1919 die Aufgabe einer Universitätsbibliothek übernahm. 1945 zog die Bibliothek in das heutige Gebäude des ehemaligen Wilhelm-Gymnasiums. Den Namen Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky erhielt sie 1983 am 50. Jahrestag der nationalsozialistischen Bücherverbrennung zu Ehren des aus Hamburg stammenden Friedensnobelpreisträgers und Opfers des Nationalsozialismus Carl von Ossietzky. Aktuell umfasst der Bestand rund vier Millionen Medien (Print und elektronisch). Jedes Jahr kommen etwa 65.000 Werke hinzu. Die Staats- und Universitätsbibliothek bewahrt zudem seit 1939 das Dehmel-Archiv. Es beinhaltet Dokumente von Ida (1870-1942) und Richard Dehmel (1863-1920), darunter Manuskripte, Briefe, Musikstücke, eine Bibliothek und vieles weiteres. Das Archiv ist dem Künstler Richard Dehmel gewidmet und kann als Spiegel deutsch-jüdischer Kulturgeschichte zwischen 1890 und 1920 betrachtet werden.

 

Ida Dehmel war eine bedeutende Kunstförderin, Frauenrechtlerin und Wohltäterin. Sie stammte ursprünglich aus Bingen am Rhein, hatte einen jüdischen Salon in Berlin geführt und lebte seit 1901 in Blankenese. Gemeinsam mit ihrem Mann Richard Dehmel, der ein bekannter Dichter war, war sie Teil eines europäischen Netzwerkes namhafter Künstlerinnen und Künstler. Darüber hinaus war Ida Dehmel in diversen Vereinen und Verbänden aktiv: Sie war Mitbegründerin des Hamburger Frauenclubs, Mitglied im Norddeutschen Verband für das Frauenstimmrecht und leitete gemeinsam mit Dr. Rosa Schapire den Frauenbund zur Förderung deutscher bildender Kunst. Nach dem Tod ihres Mannes, gründete sie 1926 die spartenübergreifende Künstlerinnenvereinigung GEDOK. Da Ida Dehmel jüdischer Herkunft war, wurden ihr ab 1933 sukzessive alle öffentlichen Tätigkeiten verboten. Bis 1938 unternahm sie noch mehrere Schiffsreisen, verließ Hamburg aber nie dauerhaft. 1942 nahm sie sich das Leben. Neben dem Dehmel-Archiv kann das Wohnhaus der Familie noch heute in Blankenese besichtigt werden. Weiterführende Informationen unter: https://juedische-geschichte-online.net/ausstellung/frauenleben#station4/5

 

Laufen Sie die Grindelallee Richtung Dammtor-Bahnhof um zum Hautgebäude der Universität zu gelangen, dabei kommen Sie am "Platz der Jüdischen Deportierten" vorbei, wo eine Steinskulptur von Ulrich Rückriem und Gedenktafeln an die Deportation und Ermordung der Hamburger Jüdinnen und Juden erinnern.

Adresse

Edmund-Siemers-Allee 1
20146 Hamburg
Deutschland

Geo Position
53.5625321, 9.9890282
Titel
Agathe Lasch, die erste Germanistikprofessorin in Deutschland
Literatur
Stephan, Inge, „veraltete […] Ansichten […] einzureissen“, (Agathe Lasch, eine akademische Revolutionärin), in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, 25.04.2021, (https://dx.doi.org/10.23691/jgo:article-278.de.v1), [04.06.2021].
Schröder, Ingrid, „… den sprachlichen Beobachtungen geschichtliche Darstellung geben“, (Die Germanistikprofessorin Agathe Lasch), in: Das Hauptgebäude der Universität Hamburg als Gedächtnisort, Rainer Nicolaysen (Hg.), Hamburg, 2011, S. 81–111.
Nicolaysen, Rainer, Einleitung, in: Das Hauptgebäude der Universität Hamburg als Gedächtnisort, Rainer Nicolaysen (Hg.), Hamburg, 2011, S. 9–24.
Stationsbeschreibung

Sie befinden sich vor dem Hauptgebäude der Universität Hamburg, welches von Edmund Siemers als „Vorlesungsgebäude“ gestiftet und 1911 eingeweiht wurde. Mit dieser Stiftung wurde das Vorhaben Werner von Melles unterstützt, eine Universität in Hamburg zu errichten. Bis dahin sollte es noch ein paar Jahre dauern, aber acht Jahre nach der Fertigstellung des repräsentativen Bautes konnte im Mai 1919 die Universität Hamburg gegründet werden. Das bereits 1911 in Stein gemeißelte Motto an der Fassade über dem Eingang „DER FORSCHUNG – DER LEHRE – DER BILDUNG“ ist seit 2010 auch Teil des Logos der Universität. Ebenfalls seit 2010 befinden sich auf dem Gehweg vor dem Gebäude elf Stolpersteine. Erinnern sollen sie an Mitglieder der Universität, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft oder politischen Überzeugung von den Nationalsozialisten umgebracht wurden, darunter auch die Germanistin Agathe Lasch (1879–1942) und die Arabistin Hedwig Klein, die später noch vorgestellt werden wird.

 

Laschs Lebenslauf ist ein Abbild der eingeschränkten Bildungsmöglichkeiten für Frauen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und zugleich beeindruckendes Zeugnis der Überwindung dieser Barrieren. Während Lasch ihr Abitur in ihrer Geburtsstadt Berlin ablegte, musste sie 1907 für das Studium nach Heidelberg übersiedeln. Frauen sollten in Berlin erst im Wintersemester 1908/09 zum Studium zugelassen werden. Nach Abschluss ihrer Promotion verließ sie Deutschland und forschte und lehrte bis 1916 am Bryn Mawr College (Pennsylvania, USA) als Associate Professor, wo sie die Leitung der germanistischen Abteilung des Deutschen Seminars übernahm. Ihre Rückkehr nach Deutschland führte zu einem Karriere-Rückschritt: An dem im Aufbau befindlichen Deutschen Seminar in Hamburg musste sie zunächst als „wissenschaftliche Hilfskraft“ beginnen. Doch ihre ausgezeichnete Ausbildung und der Umstand, dass sich die Universität als junge Institution erst einen Namen machten musste, eröffneten Agathe Lasch Aufstiegsmöglichkeiten: 1926 wurde sie auf den eigens für sie geschaffenen Lehrstuhl für Niederdeutsche Philologie berufen. Damit wurde sie deutschlandweit die erste Professorin der Germanistik. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten läutete das Ende ihres (Forscherinnen-)Lebens ein. 1935 verlor sie ihre Professur und durfte nicht mehr publizieren. Auch ihre Privatbibliothek wurde beschlagnahmt. Am 15.8.1942 erfolgte die Deportation nach Riga, wo sie am 18. August ermordet wurde.

Neben dem Stolperstein vor dem Hauptgebäude der Universität gibt es einen weiteren in der Gustav-Leo-Straße 9, ihrem früheren Wohnort im Stadtteil Eppendorf. Zudem wurde 1991 der Agathe-Lasch-Preis ins Leben gerufen, er wird an Nachwuchswissenschaftler*innen für außerordentliche Arbeiten aus ihrem Forschungsgebiet vergeben. Im Hauptgebäude selbst ist seit 1999 auch ein Hörsaal (B) nach ihr benannt. Mehr über Agathe Lasch erfahren Sie hier: https://juedische-geschichte-online.net/ausstellung/frauenleben#station2/3

 

Rechter Hand am Hauptgebäude vorbei gelangen Sie über den Campus zur Rothenbaumchaussee, auf die Sie links einbiegen. Mit den Hausnummern 19 und 38 befinden sich auf diesem ersten Abschnitt zwei weitere Gebäude, die eng mit der jüdischen Geschichte Hamburgs verknüpft sind. In der Rothenbaumchaussee 19 werden heutzutage Rabbiner ausgebildet. In der Rothenbaumchaussee 38 war das Jüdische Gemeindezentrum, während des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude als Judenreferat von der Gestapo genutzt. Nach dem Krieg wurde 1945 an diesem Ort die Jüdische Gemeinde in Hamburg neu gegründet.

Adresse

Rothenbaumchaussee 99
20148 Hamburg
Deutschland

Geo Position
53.570999, 9.9878262
Titel
Erika Milee und ihre Leidenschaft für den Tanz
Literatur
Müller-Wesemann, Barbara, Theater als geistiger Widerstand, (der Jüdische Kulturbund in Hamburg 1934-1941), Stuttgart, 1997.
Stationsbeschreibung

In diesem für die Rothenbaumchaussee charakteristischen Jugendstilgebäude befand sich einst die Tanzschule von Erike Milee. Milee (1907–1996, ursprünglich Erika Michelsohn) entdeckte schon als Kind ihre Liebe zum Tanz. Ab 1926 wurde sie bei Rudolf von Laban und Albrecht Knust in Berlin und Hamburg zur Tänzerin ausgebildet. Zwei Jahre später eröffnete sie mit 21 Jahren ihre eigene Tanzschule in der Rothenbaumchaussee 99: die Milee-Schule am Rothenbaum. 1930 war sie für ein Engagement in Essen. Ab 1934/35 war sie für die Tanzsparte im neu gegründeten Jüdischen Kulturbund Hamburg zuständig. Nachdem der Kulturbund in Hamburg vorläufig aufgelöst wurde, ging sie 1939 nach Berlin und war im dortigen Kulturbund erneut als Tänzerin und Choreografin tätig. Kurze Zeit später gelang ihr mit Hilfe einer italienischen Tanzkompanie die Ausreise Richtung Italien. Weiter ging es über Portugal nach Paraguay, wo sie in Ascunción die Leitung einer von ihr gegründeten Tanzabteilung an der Akademie für Theater, Musik und Malerei übernahm. Ihre Mutter Margarethe Michelson (1877–1942) sowie ihre Schwestern Lili Michelson (1900–1940) und Hildegard Michelson (1904–?) wurden von den Nationalsozialisten ermordet. An ihr Schicksal erinnern die vor dem Haus im Gehweg verlegten Stolpersteine.

 

Erika Milee kehrte 1959 in ihre Heimatstadt zurück. In Eimsbüttel eröffnete sie erneut ein Tanzstudio. Fast vier Jahrzehnte prägte sie die Kulturlandschaft in Hamburg. Sie starb am 30.6.1996 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf unter dem Namen Erika Anita Michelson beigesetzt. Mehr über Erika Milee und ihre Tanzschule können Sie hier erfahren: https://juedische-geschichte-online.net/ausstellung/frauenleben#station4/1

 

Je nach Zeit und Lust haben Sie nun zwei Möglichkeiten: Für den längeren Rundgang gehen Sie die Rothenbaumchaussee an der Hallerstraße vorbei und laufen dann links die Hansastraße herunter bis Sie bei der Parkallee ankommen. Dort gehen Sie wiederum rechts entlang bis Sie vor der Hausnummer 26 stehen.

Für die kleinere Runde gehen Sie die Rothenbaumchaussee bis zur Binderstraße zurück, durchqueren diese rechts und verbleiben an der Ecke zur Schlüterstraße.

Adresse

Parkallee 26
20144 Hamburg
Deutschland

Geo Position
53.575099, 9.984425
Titel
Optional: Wenn die Arbeit als „kriegswichtig“ gilt: Hedwig Klein und das Arabische Wörterbuch
Literatur
Kotowski, Elke-Vera, Wissenschaftsnetzwerke, (die versuchte Emigration der Arabistin Hedwig Klein), in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, (https://juedische-geschichte-online.net/beitrag/jgo:article-280), [26.05.2021].
Stationsbeschreibung

Die Parkallee im Stadtteil Harvestehude, deren Erscheinungsbild durch herrschaftliche Villen geprägt ist, verläuft parallel zum Innocentiapark. Die Nummer 26 war das Wohnhaus der Familie Klein. Hedwig Klein wurde ursprünglich 1911 in Antwerpen geboren, seit 1914 lebte die Familie in Hamburg. Hier legte Hedwig Klein 1931 ihr Abitur ab und studierte an der Universität Hamburg die Fächer Islamwissenschaft, Semitistik und Englische Philologie. Trotz erfolgreicher Promotion 1937 wurde ihr die Verleihung des Doktortitels 1938 versagt. Durch Unterstützung von Bekannten und Wissenschaftlern des Faches erhielt sie im Sommer 1939 ein Visum für Indien, die Ausreise scheiterte jedoch im letzten Moment aufgrund des unmittelbar bevorstehenden Kriegsbeginns. In den folgenden Monaten und Jahren war das Haus in der Parkallee der Rückzugsort der Familie, in dem diese immer isolierter lebte. Hedwig Klein und ihre Schwester Therese waren hauptverantwortlich für die Sicherung des Lebensunterhaltes und der Versorgung der Mutter sowie der Großmutter. Geld verdiente Hedwig Klein mit der Arbeit an einem Arabischen Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart. Da Hitlers Mein Kampf übersetzt werden sollte, wurde diese Arbeit als „kriegswichtig“ eingestuft. Ein Arbeitsplatz in der Redaktion wurde ihr jedoch verwehrt, sodass sie ihre Tätigkeit von Zuhause aus ausüben musste.

 

Nachdem ihre Schwester Therese bereits am 6.12.1941 nach Riga deportiert und dort ermordet worden war, wurde Hedwig Klein am 11.7.1942 von Hamburg direkt nach Auschwitz verbracht. Sie wurde vermutlich wenig später dort ermordet. Heute erinnern Stolpersteine vor ihrem Wohnhaus und dem Hauptgebäude der Universität Hamburg an die Arabistin Klein. Ihre Mitarbeit am Arabischen Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart wurde bis zur 6. Auflage im Jahr 2020 verschwiegen.

 

Möchten Sie mehr wissen? Dann lesen Sie hier weiter: https://juedische-geschichte-online.net/ausstellung/frauenleben#station2/2

 

Laufen Sie jetzt wieder die Parkallee zurück, links die Hallerstraße entlang über den Hallerplatz bis zur Schlüterstraße und folgen dieser bis zur Ecke Binderstraße.

Adresse

Schlüterstraße 51
20146 Hamburg
Deutschland

Geo Position
53.56788777667, 9.9859233678202
Titel
Grete Berges, die aus Hamburg vertriebene Journalistin
Literatur
Centner, Jasmin, Das Nachleben des Exils, (Die Rückkehr der Kinderbuchautorin Grete Berges), in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, 22.12.2020, (https://dx.doi.org/10.23691/jgo:article-264.de.v1), [26.05.2021].
Stationsbeschreibung

Die Schlüterstraße, Ecke Binderstraße war bis Januar 1931 der Sitz der Norddeutschen Rundfunkanstalt (damals noch NORAG), bevor sie in in die Rothenbaumchaussee umzog, wo sich die Zentrale des NDR bis heute befindet. Grete Berges gehörte seit 1928 zur Belegschaft der Nordischen Rundfunk Aktiengesellschaft in Hamburg, kurz NORAG. Berges, die 1895 in Hamburg geboren wurde und im Stadtteil Eppendorf aufwuchs, übte einige Berufe in ihrem Leben aus: Fremdsprachenkorrespondentin, Verlagsmitarbeiterin, Autorin und Journalistin.

Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 wurde die Sendeanstalt in Reichssender Hamburg umbenannt und bereits im April desselben Jahres gleichgeschaltet. Einflussreiche Kulturinstitutionen wie der NDR schützten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jüdischer Herkunft nicht, sondern verschrieben sich sehr früh der nationalsozialistischen Ideologie. Als Folge verlor Berges aufgrund ihrer jüdischen Herkunft ihre Anstellung. Nach dem Verlust ihrer Arbeit, konnte Berges ihren Lebensunterhalt nicht mehr in Hamburg bestreiten und floh 1936 erst nach Kopenhagen und von dort mit Hilfe der schwedischen Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf 1937 weiter nach Schweden. In Stockholm, wo sie bis zu ihrem Tod lebte, baute sie sich eine Literaturagentur auf.

1953 besuchte Grete Berges ihre ehemalige Heimatstadt für wenige Tage. Darüber verfasste sie im Hamburger Abendblatt einen Beitrag, der am 22.7.1953 veröffentlich wurde. Darin erwähnt sie auch ihren Besuch beim Norddeutschen Rundfunk: „Ich war im Rundfunk, an dem ich vor 1933 jahrelang gewirkt hatte und sprach mit einem der heutigen Mitarbeiter darüber, daß sich die ersten Senderäume der ,Norag' im Postgebäude in der Binderstraße befunden hätten. Das war ihm gänzlich unbekannt.“ Auch wenn sie vorhatte, Hamburg einen erneuten Besuch abzustatten – „Und mein erster Besuch wird nicht der letzte sein“ – konnte sie dies nicht verwirklichen, sie starb 1957. Mehr zu ihrem Besuch in Hamburg: https://juedische-geschichte-online.net/ausstellung/frauenleben#station4/7

Laufen Sie nun am heutigen Postgebäude die Schlüterstraße entlang und halten sich an der Hartungstraße links bis zu den Nummern 9-11.

Adresse

Hartungstraße 9-11
20146 Hamburg
Deutschland

Geo Position
53.569934, 9.985403
Titel
Ida Ehre und das Leben fürs Theater
Literatur
Giesing, Michaela, Ida Ehre und die Hamburger Kammerspiele, in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, 16.10.2017, (https://dx.doi.org/10.23691/jgo:article-210.de.v1), [23.06.2021].
Stationsbeschreibung

Hartungstraße 11 war 1863 die Adresse, wo Otto Eduard Ferdinand Pfennig seine Villa errichten ließ. Diese wurde 1903 von der „Henry-Jones-Loge“ erworben und das Gebäude auf das Nebengrundstück erweitert.  Auf einer Gesamtfläche von 1.200m² entstand so das „Logenheim“. Nachdem das Haus zunächst Ende der 1920er-Jahre im Zuge der Weltwirtschaftskrise an die Anthroposophische Gesellschaft verkauft wurde – die jüdischen Vereine und Logen nutzten die Räume weiterhin – erwarb die „Jüdische Gemeinschaftshaus GmbH“ 1937 das Gebäude, das auf Anordnung der Gestapo zum Kauf freigegeben worden war. Durch die nachfolgende Umgestaltung entstand ein Theatersaal mit rund 450 Plätzen im ersten Stock. Noch 1939 diente das Haus als Jüdisches Gemeinschaftshaus, in welchem etwa der Jüdische Kulturbund Gastspiele oder Konzerte organisierte, und damit als Treffpunkt für die noch verbliebenen Hamburger Jüdinnen und Juden. Bereits zwei Jahre später wurde es als Proviant- und Versorgungsstelle für die einsetzenden Deportationen genutzt. Am 11.7.1942 war das Gebäude Sammelstelle für einen Transport nach Auschwitz, auch Hedwig Klein musste sich hier für ihre Deportation einfinden.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude Wirkungsort einer weit über Hamburg hinaus bekannten jüdischen Frau und damit auch Schauplatz der deutsch-jüdischen Nachkriegsgeschichte: Ida Ehre (19001989) war seit den 1920er-Jahren eine bekannte Schauspielerin. Nach einem gescheiterten Emigrationsversuch hatte sie seit Herbst 1939 mit ihrem katholischen Ehemann, dem Arzt Bernhard Heyde, und der gemeinsamen Tochter Ruth in Hamburg gelebt. Zunächst schützte sie die sogenannte „privilegierte Mischehe“. 1943 kam sie jedoch in das Polizeigefängnis in Fuhlsbüttel. Mit Hilfe ihrer Schauspiel-Kollegin Marianne Wischmann gelang es ihr, unterzutauchen und so ihrer Deportation im Februar 1945 zu entgehen. Nachdem die Alliierten Deutschland befreit hatten, verwirklichte Ida Ehre im Sommer 1945 einen lang gehegten Plan: die Gründung eines Theaters. Die Jüdische Gemeinde verpachtete ihr dafür das ehemalige Gemeinschaftshaus in der Hartungstraße. Der Name „Hamburger Kammerspiele“ war angelehnt an die 1918 von Erich Ziegel am Besenbinderhof gegründeten ersten Hamburger Kammerspiele. Innerhalb kurzer Zeit gewann das Theater ein hohes Ansehen, was gleichermaßen auf Ensemble wie Spielplan zurückzuführen war. Besondere Bedeutung erlangte das Theater durch die Uraufführung von Wolfgang Borcherts Stück „Draußen vor der Tür“ am 21.11.1947. Mehr dazu erfahren Sie unter: https://juedische-geschichte-online.net/ausstellung/frauenleben#station4/6

 

Für die letzte Station laufen Sie die Hartungstraße weiter bis zum Arie-Goral-Platz (seit 2019 benannt nach dem jüdischen Dichter, Maler und Publizisten Arie Goral) und halten sich links, anschließend dem Grindelhof Richtung Universitäts-Campus bis zur Nummer 59 folgen.

Adresse

Grindelhof 59
20146 Hamburg
Deutschland

Geo Position
53.569754, 9.984081
Titel
Sonia Simmenauer und jüdische Kultur in Hamburg heute
Stationsbeschreibung

Lesungen, Vorträge, Konzerte oder Diskussionsveranstaltungen über das kulturelle, historische und gegenwärtige jüdische Leben in Hamburg, Deutschland und der Welt, haben seit 2008 wieder einen Ort in der Hansestadt, im Jüdischen Salon in Hamburg. Der Grindel im Stadtteil Hamburg-Rotherbaum wurde um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert zum Zentrum jüdischen Lebens in Hamburg, zahlreiche jüdische Geschäfte, Schulen, Wohnstifte und Synagogen prägten das Straßenbild. Viele dieser Spuren sind heute nicht mehr vorhanden oder nur noch mit entsprechendem Wissen zu entdecken. Mittlerweile hat sich wieder eine jüdische Infrastruktur zu entwickeln begonnen, dazu gehört das Joseph-Carlebach-Bildungshaus oder die Synagoge in der Hohen Weide ebenso wie der Jüdische Salon oder das Café Leonar, vor dem Sie sich nun befinden.

Das heutige Gebäude im Grindelhof 59 wurde im September 2014 fertiggestellt und von dem Architekten Andreas Heller entworfen. Auf einem kleinen Podium, gesäumt von beigen Vorhängen, reihen sich im Veranstaltungsraum mehrere Stuhlreihen aneinander und schaffen ein einladendes Kaffeehaus-Ambiente. Zum Jüdischen Salon gehört auch das Café Leonar, in dem Speisen aus der levantinischen Küche serviert werden. Eine der Initiatorinnen dieses Ortes gelebter jüdischer Kultur war Sonia Simmenauer. Zusammen mit anderen Personen entwickelte sie die Idee, einen gemeinsamen Ort für jüdische Kultur zu schaffen. So ist das selbst gesetzte Ziel „jüdische Kultur und Traditionen im weitesten Sinne zu fördern, darzustellen und einer interessierten Öffentlichkeit zu vermitteln.“ Weiter wird der Salon als Möglichkeit gesehen, dem ehemals jüdisch geprägten Grindelviertel wieder ein Stück jüdisches Leben zurückzugeben. Eine weitere kleine Besonderheit befindet sich im hinteren Teil des Hauses. Das Hotel „Das kleine Grindel“. Mit gerade einmal zwei Hotelzimmern gehört es wohl zu den kleinsten Hotels Hamburgs. Sonia Simmenauers persönliche Gedanken zur Eröffnung des Jüdischen Salons können Sie hier nachlesen: https://juedische-geschichte-online.net/ausstellung/frauenleben#station5/6

Damit sind Sie am Ende des Rundgangs angekommen. Vielleicht lassen Sie die Eindrücke bei einem Kaffe oder kühlen Getränk im Café Leonar auf sich wirken. Es gibt noch viel mehr Geschichten über jüdische Frauen, die hier keinen Platz finden konnten. Diese finden Sie unter: https://juedische-geschichte-online.net/ausstellung/frauenleben#

Autor
Tabea Henn, IGdJ
Anna Menny, IGdJ
Sonja Dickow-Rotter, IGdJ

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