Der in Breslau geborene Samuel Steinfeld begann in Deblin, Polen, als Gemüsegroßhändler zu arbeiten. Während der deutschen Besatzung wurden seine engsten Verwandten ermordet. Nach dem Krieg hielt er sich in Berlin und Dresden auf und versuchte, sich eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Was wir über ihn wissen, stammt zumeist aus seinem Nachlass, der sich im Archiv des Jüdischen Museums Berlin befindet.

Beruf
Kaufmann
Geburtsdatum
23. Januar 1911
Geburtsort
Breslau
Gender
Mann
Literatur
Bubis, Ignatz u. Sichrovsky, Peter, “Damit bin ich noch längst nicht fertig”: die Autobiographie, Frankfurt/Main 1996.
Haury, Thomas, Antisemitismus von links. Kommunistische Ideologie, Nationalismus und Antizionismus in der frühen DDR, Hamburg 2002.
Jüdisches Museum Berlin, Sammlung Steinfeld, Schenkung von Mirjam Trökes
Sonstiger Name
Stach, Stasiek
Stationen
Titel
Kindheit und Jugend in Breslau (Wrocław)
Von
1911
Bis
den späten 1920er Jahre
Geo Position
51.109968, 17.101774
Stationsbeschreibung

Samuel Steinfeld wurde am 23. Januar 1911 in Breslau geboren. Seine Eltern waren Israel Steinfeld und Miriam Dina geb. Langleben. Die beiden heirateten kurz nach der Jahrhundertwende und zogen nach Breslau in das damalige Deutsche Reich. Sie führten dort einen Obst- und Gemüsegroßhandel, in dem Samuel ab 1925 im Alter von 14 Jahren arbeitete. Die Adresse dieses Ladens war Möwenweg 25, diese Straße heißt heute Ul. Partyzantów. Samuel zog vermutlich um 1928, also mit 17 oder 18 Jahren, nach Deblin um seinem Großvater in dessen Geschäft zu helfen. Seine Eltern folgten ihm kurze Zeit später. Auf dem Foto seiner Eltern ist eine junge Frau zu sehen, die Samuels Schwester sein könnte. Es sind keine Informationen über diese Person vorhanden.

Der Ortswechsel nach Deblin führte dazu, dass die Steinfelds die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, nachdem sie Jahrzehnte in Breslau gelebt hatten. In den Jahren 1978-1980 versuchte Samuel Steinfeld “verfolgungsbedingten Vertreibungsschaden” nach dem Bundesvertriebenengesetz geltend zu machen. Bei diesem Gesetz ging es nicht um nationalsozialistische Verfolgung, sondern um “deutsche” Vertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten. In dem Prozess war daher zu klären, ob sein Vater als deutsch anzusehen sei. Israel Steinfeld galt dem Gericht nach als Jude, nicht als Deutscher. Es erklärte, dass “sich der Vater des Klägers in Deblin weiterhin als zum jüdischen Volkstum zugehörig betrachtet hat. Ein Bekenntnis deutschen Volkstums kann hierin nicht gesehen werden.“ Aus diesem fragwürdigen Gerichtsurteil lässt sich zumindest ablesenm dass Samuel Steinfeld zwischen jüdisch-deutschen, und ab den späten 1920er Jahren auch polnischen “Sprach- und Kulturkreisen” lebte. Der Prozess, der bis vor das Bundesverfassungsgericht ging, endete mit einem Vergleich. Samuel Steinfeld bekam zwar einen Kuraufenthalt bewilligt, aber in der Sache kein Recht. 

Titel
Leben und Verfolgung in Deblin
Von
den späten 1920er
Bis
1945
Geo Position
51.562675, 21.864779
Stationsbeschreibung

In Deblin spielte Samuel Steinfeld Fußball, wir können ihn auf einem Mannschaftsfoto erkennen. Im Jahr 1933 wurde der Gemüsehandel seines Großvaters auf ihn übertragen. Die Informationen über die Zeit in Deblin stammen aus verschiedenen Anträgen auf Entschädigung, die Samuel Steinfeld in den 1950er Jahren stellte. Er beschreibt in einem Antrag, was seine Familie im Holocaust erlitt, und dass er als Einziger überlebte. Auch die Zeit- und Ortsangaben in dieser Station stammen aus Schriftstücken im Zusammenhang mit der Entschädigungsforderung.

Im September 1939 wurde Polen von der Wehrmacht besetzt, polnische Jüdinnen*Juden mussten einen Stern tragen. Die Einführung des “Sterns” wurde in der Nachkriegszeit vor Gericht als Beginn der nationalsozialistischen Verfolgung angesehen.  Im Jahr 1940 mussten die Steinfelds in das Debliner Ghetto. Inzwischen hatte Samuel anscheinend geheiratet und ein Kind bekommen. Im Ghetto arbeitete er als Zwangsarbeiter auf dem Flughafen in Deblin. Die Erkennungsmarke, die er tragen musste, befindet sich heute noch in der Sammlung des Jüdischen Museums Berlin. Vom Debliner Ghetto wurden Menschen in die Vernichtungslager Sobibor und Treblinka verschleppt und ermordet, wahrscheinlich starben so Steinfelds Frau, Kind und Mutter. Sein Vater und er wurden, hingegen, nach Tschenstochau verschleppt.

Dort waren sie von Januar 1942 bis Januar 1944 und wurden in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Israel Steinfeld starb im Konzentrationslager Mittelbau-Dora, kurz nach der Befreiung im April 1945. Samuel Steinfeld konnte von einem sogenannten “Todesmarsch” nach Auflösung des Lagers am 2. Mai 1945 fliehen und überlebte. In seiner Autobiographie beschreibt Ignatz Bubis, der spätere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, dass er mit seinen Debliner Freunden “Stasiek” Steinfeld und Cyril Stamfater nach Berlin ging. In der Vier-Sektoren-Stadt begannen die drei Überlebenden mit Hilfe von Bubis‘ Onkel ein Handelsgeschäft zu betreiben. 

Titel
„Die Zeit des ‚Legalen‘ Schwarzhandels"
Von
1945
Bis
1948
Adresse

Großhainerstraße 69
01127 Dresden
Deutschland

Geo Position
51.078889, 13.732125
Stationsbeschreibung

Im November 1945 fuhr Steinfeld zusammen mit Bubis und einem weiteren Freund über Dresden nach Berlin, wo er im Displaced-Person-Camp Schlachtensee unterkam. Die Adresse ist in seinem DP-Ausweis angegeben. Nach diesem Aufenthalt zog Samuel Steinfeld 1947/48 nach Dresden, um in der Nachkriegszeit als Kaufmann wieder Fuß zu fassen. Nach Bubis’ Aussagen führten die beiden zusammen ein Kommissionsgeschäft („Tauschzentrale“). Dieses befand sich nach seiner Bescheinigung der Gewerberaum-Zuweisung am Schillerplatz 14. Es ist naheliegend, dass die Wahl auf Dresden aufgrund von Verbindungen zu seiner späteren Verlobten Ruth Schwarz (geborene Ulbrich) fiel, die bei einem Autounfall 1949 tödlich verunglückte. 

In den Jahren 1948 bis 1950 scheint Steinfeld oft zwischen Berlin und Dresden hin- und hergezogen zu sein: In den Dokumenten wechseln seine Adressen zwischen Dresden (Großhainerstraße 69) und Berlin (Mommsenstraße 20/ Fasanenstraße 61). Bubis selbst beschreibt, dass er Waren aus der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR nach Westberlin gebracht hatte, wodurch er ein lukratives Geschäft aufgebaut hatte. An den Schiebergeschäften, die in der Nachkriegszeit in Deutschland insgesamt blühten, beteiligte sich auch Steinfeld. 

Titel
Flucht und endgültiger Umzug nach Berlin 1950/1951
Von
1948
Bis
1951
Adresse

Fasanenstraße 61
10719 Berlin
Deutschland

Geo Position
52.498102, 13.327161
Stationsbeschreibung

Zwischen Ende 1950 und Anfang 1951 ist Steinfeld dann endgültig in die Fasanenstraße 61 nach Berlin-Charlottenburg gezogen, angemeldet war er in Berlin allerdings seit Mai 1949. Grund für seinen Umzug muss - wie auch später seine Freundin Hertha Kretschmann in ihrem Antrag auf politisches Asyl schildert - die Verfolgung von Seiten der Behörden in der DDR gewesen sein. 1950 geriet Steinfeld in Radebeul (bei Dresden) in Untersuchungshaft, wo er sich von September bis  Ende Dezember 1950 (Entlassung zu Weihnachten) aufhielt. Erst durch die Hilfe von Bubis und anwaltlichem Beistand konnte er nach West-Berlin gebracht werden, wo er  die Wohnung von Bubis in der Fasanenstraße übernahm.

In der offiziellen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Dresden werden Bubis und Steinfeld Schiebergeschäfte und Steuerhinterziehung in der DDR vorgeworfen. Die Zeit in Dresden bis 1953 scheint mit der privaten Anklage sowie einer weiteren U-Haft im Jahre 1953 für Steinfeld schwierig verlaufen zu sein. Aus Bubis‘ Autobiographie kann gelesen werden, dass Bubis Steinfeld vor seiner Festnahme zum Vorsprechen im Präsidium gewarnt habe. Aus dem Schreiben Herta Kretschmanns geht ebenfalls hervor, dass die sowjetische Geheimpolizei (GPU) Steinfeld verhaften wollten. Ihr selbst wurde die Verbindung zu „West-Berliner jüdischen Kreisen“ vorgeworfen. Ob diese Verhöre und auch Drohungen in Verbindung mit der antisemitischen Kampagne 1952/53 im Osten zusammenhängt, kann nur gemutmaßt werden.

Titel
Berufs- und Familienleben
Von
1951
Bis
1987
Adresse

Kaiserstr. 149
66892 Bruchmühlbach/Pfalz
Deutschland

Geo Position
49.383319, 7.4446
Stationsbeschreibung

Seit Anfang der 1950er Jahre war Samuel Steinfeld mit seiner ehemaligen Dresdner Angestellten Herta Kretschmann liiert. Da Herta Kriegswitwe war, wäre ihr im Falle einer erneuten Heirat keine Witwenrente mehr ausbezahlt worden. Aus materiellen Gründen heiratete das Paar daher nicht. Seit 1952 hatte es eine gemeinsame Tochter. Samuel Steinfeld erhielt eine Entschädigungszahlung für die erlittene Ghetto- und Konzentrationslagerhaft. Die Entschädigung wurde später auf die Zeit im Ghetto und des “Sterntragens” ausgeweitet. Steinfeld erlitt einen “Freiheitsschaden” von 65 Monaten und 1 Tag, für jeden vollen Monat erhielt er 150 DM Entschädigung, er erhielt außerdem zeitweise eine monatliche Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach der langen Haftzeit.

Der Erfolg aus dem “legalen Schwarzmarkt”-wie Bubis ihn bezeichnete- unter der sowjetischen Besatzungsmacht konnte anscheinend nicht in langfristig stabile Geschäftstätigkeit überführt werden. In den frühen 50er Jahren hatte Steinfeld eine Firma in Berlin-Wedding angemeldet. Er war Teilhaber und Angestellter in einem Bekleidungsgeschäft von Icek Prajs bis April 1958. Um diese Zeit herum hat er wohl auch eine Bar in Bruchmühlbach bei Kaiserslautern geführt, sie hieß “Femina”. Wir sehen ihn auf einem Foto, wie er in diesem Lokal steht. Die Adresse dieser Station stammt von einer Streichholzschachtel der Bar „Femina“. In Berlin-Charlottenburg war er ab 1969 ebenfalls Teilhaber einer Bar, dem “Club 007”.

Titel
Jüdisches Leben in Berlin
Von
1951
Bis
1987
Adresse

Pestalozzistr. 14
10625 Berlin
Deutschland

Geo Position
52, 13
Stationsbeschreibung

Samuel Steinfeld war seit 1953 Mitglied der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Ihr Gemeindehaus befindet sich auch heute noch in der Charlottenburger Fasanenstraße 79-80, also ganz in der Nähe des ehemaligen Wohnsitzes von Samuel Steinfeld. Einige der Dokumente und Bilder in der Sammlung lassen vermuten, dass Steinfeld dort regelmäßig an Veranstaltungen teilnahm. Ein paar Fotos zeigen ihn mit Freund*innen bei einem Seder-Abend an Pessach und mit seiner Tochter bei einer Purim-Feier.

Von seiner Tochter ist auch ein Mitgliedsausweis für das Jugend-Kinder-Zentrum der Jüdischen Gemeinde erhalten. Dies deutet darauf hin, dass Samuel Steinfeld und seine Frau Herta die jüdische Erziehung ihrer Tochter förderten. Ebenfalls nicht weit von Steinfelds Wohnung entfernt, in der Charlottenburger Pestalozzistraße 14, befand und befindet sich die Synagoge Pestalozzistraße der Jüdischen Gemeinde, für die Steinfeld eine Jahreskarte für das Jahr 5724 (1963/64) besaß, um dort an Gottesdiensten teilzunehmen. Samuel Steinfeld wurde 1948 ein Mifkad Olim ausgestellt – ein Dokument, das Jüdinnen*Juden erlaubte, nach Palästina bzw. in den 1948 gegründeten Staat Israel einzuwandern. Auch wenn Steinfeld nie nach Israel auswanderte, trug er sich offenbar zeitweilig mit dem Gedanken und unterstützte auch später den jüdischen Staat durch seine Mitgliedschaft in der Zionistischen Organisation in Deutschland.

In Steinfelds Besitz befand sich außerdem eine Klappkarte des Jüdischen Nationalfonds, auf der das Jiskor-Gebet abgedruckt ist und die Wichtigkeit des Aufbaus Israels als „einzige Zufluchtsstätte des verfolgten Judentums“ hervorgehoben wird. Seine jüdische Identität war ihm demnach sehr bewusst und wichtig. Nach seinem Tod im Jahr 1987 wurde Samuel Steinfeld auf dem Jüdischen Friedhof an der Heerstraße beigesetzt.

Sterbedatum
19. Oktober 1987
Sterbeort
Berlin

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Autor
Ayse Kizilkulak
Luise Fakler
Malte Grünkorn