Martin Friedländer wurde in Berlin als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren, beschritt ab 1934 einen ähnlichen beruflichen Weg wie sein Vater und begann eine kaufmännische Karriere in der Bekleidungsbranche. Weil er einen Gestapo-Spitzel, der das Versteck seiner Schwester verraten hatte, körperlich attackierte, wurde er im Jahr 1943 verhaftet, gefoltert und zur Zwangsarbeit im Schienenbau und bei der Müllabfuhr verpflichtet. Während eine seiner Schwestern und ihr Kind den Holocaust nicht überlebten, wurde Friedländer aus Auschwitz befreit.
Bereits 1946 eröffnete er ein Fuhrgeschäft in Berlin. Nach der Teilung der Stadt litt er zunehmend unter wirtschaftlichen Einschränkungen, vor allem wegen seiner nicht vorhandenen SED-Mitgliedschaft. Daraufhin zog er 1953 mit seiner Frau Miriam und seinen beiden Kindern nach West-Berlin. Dort engagierte sich Martin Friedländer in der jüdischen Gemeinde und war als SPD-Mitglied politisch aktiv. Außerdem leistete er seit den 1980er Jahren als Zeitzeuge Bildungsarbeit in Schulen. Für sein Engagement bekam er im Juli 1995 die Bürgermedaille für besondere Verdienste vom Berliner Bezirk Wilmersdorf verliehen.
Prinzregentenstraße
10715 Berlin
Deutschland
Friedländer wurde am 20. Januar 1920 in Berlin geboren. Ab 1926 besuchte er die Volksschule in Berlin, die er im Jahr 1934 wieder verlassen musste. Von 1934 bis 1937 machte Martin Friedländer eine Lehre als Konfektionär bei der „Herrenkonfektion Wolfgang und Simon Kalinowsky“ in der Memhardstraße in Berlin und besuchte gleichzeitig eine kaufmännische Berufsschule. Daraufhin arbeitete er nach erfolgreichem Abschluss seiner Ausbildung für ein Jahr bei ebendiesem Unternehmen als Einkäufer. Zwei Jahre später wurde Friedländer selbstständig, bis er 1941 als Laufbursche in einem Berliner Modegeschäft in der Budapesterstraße tätig war. Da er einen Gestapo-Spitzel körperlich attackiert und Flugblätter für die SPD verteilt hatte, wurde er 1943 von der Gestapo verhaftet. Ein Nachbar, der sich als ein Spitzel der Gestapo herausstellte, hatte zuvor das Versteck seiner Schwestern verraten. Nur eine der beiden Schwestern überlebte den Holocaust, die andere wurde nach Auschwitz deportiert, wo sie und ihr Kind ermordet wurden. Er selbst überlebte den Holocaust und wurde anschließend zur Zwangsarbeit in Berlin-Neukölln und Berlin-Lichtenberg verpflichtet, die er unter anderem im Schienenbau und bei der Müllabfuhr ableisten musste.
(Da die Hausnummer nicht bekannt ist, befindet sich die Ortsmarkierung symbolisch in der Mitte der Straße.)
23 Lutego
61-741 Posen
Polen
Martin Friedländers Vater, der Kaufmann Bernhard Friedländer, wurde am 3. Dezember 1889 in Posen geboren. Bernhard Friedländer war Soldat im 1. Weltkrieg und danach von 1918 bis 1938 Mitinhaber eines Geschäfts. 1938 wurde er von der Gestapo verhaftet und daraufhin mehrmals gefoltert. Am 4. November 1946 wurde er wegen angeblicher Spionage von sowjetischen Soldaten verhaftet. Er kam in ein sibirisches Lager und kehrte erst am 11. Dezember 1955 aus der Sowjetunion zurück. Seine Frau Maria Friedländer wurde ebenfalls in Posen am 4. Dezember 1889 geboren. Die Geburtsstadt der beiden war ebenjene Stadt, in der sie am 10. Januar 1916 heirateten. Zusammen bekamen sie neben Martin noch drei weitere Kinder, von denen nur Margot und Martin Friedländer den Holocaust überlebten. Die Eltern von Martin Friedländer überlebten ebenfalls; Maria starb am 3. August 1952, Bernhard 1971 – beide sind in Berlin verstorben.
(Da der Geburtsort der genannten Personen nicht näher bekannt ist, befindet sich die Ortsmarkierung symbolisch in der Mitte der Stadt Posen)
Häckelstraße
30173 Hannover
Deutschland
Am 8. Juni 1946 heiratete Martin Friedländer die Nicht-Jüdin und Stenokontoristin Margot Agnes Minna Scholtz, die am 27. April 1925 in Berlin-Neukölln geboren wurde. Zusammen bekamen sie zwei Kinder, Norbert Abraham, geboren 1948, und Brigitte Esther Louise Friedländer, geboren 1950. Im Jahr 1972 konvertierte Margot Friedländer zum Judentum, damit sie und Martin Friedländer im selben Jahr (am 31. Mai 1972) auch religiös in Hannover heiraten konnten. Margot hieß ab diesem Zeitpunkt Miriam Friedländer.
(Da die Hausnummer nicht bekannt ist, befindet sich die Ortsmarkierung symbolisch in der Mitte der Straße)
Bundesallee 194/195
10717 Berlin
Deutschland
Martin Friedländer lebte nach seiner Rückkehr aus Auschwitz vermutlich zuerst bei seiner Familie im Prenzlauer Berg. Direkt im Anschluss an den kurzen Aufenthalt dort wurde ihm eine vom Flüchtlingslager ausgestellte Wohnung in der Grollmannstraße 36 zugeteilt. Im Jahr 1946 eröffnete Martin Friedländer ein Fuhrgeschäft, das er 1951 wieder schließen musste. Da er kein SED-Mitglied war, litt er zunehmend unter wirtschaftlichen Einschränkungen, weshalb er 1953 mit seiner Familie nach West-Berlin ging. Die Friedländers kamen als politische Flüchtlinge zunächst in einem Auffanglager am Wannsee (Walter-Rathenau-Heim, Sandwerder 33) unter. Danach zog die Familie in die Bundesallee 194/195 im Bezirk Berlin-Wilmersdorf. Martin Friedländer versuchte hier den Flüchtlingsausweis „C“ zu beantragen, der ihm die dauerhafte Ausreise im Falle einer Zwangslage ermöglicht hätte. Der Antrag wurde jedoch abgelehnt, obwohl die jüdische Gemeinde mehrfach um erneute Prüfung bat und Martin Friedländer als Mitglied enorm in seinem Vorhaben unterstützte. Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1985 arbeitete er als Versicherungskaufmann bei der Hamburg-Mannheimer Versicherung.
Fasanenstraße 79
10623 Berlin
Deutschland
Martin Friedländer engagierte sich in der jüdischen Gemeinde West-Berlins und war als Mitglied der SPD politisch aktiv. Außerdem leistete er seit den 1980er Jahren als Zeitzeuge Bildungsarbeit mit Schulklassen. Er ging proaktiv auf die Schulen zu, um mit Schüler*innen über die Verbrechen des Nazi-Regimes zu sprechen. Außerdem nahm er an juristischen Vernehmungen teil, um von seinen traumatischen Erlebnissen, resultierend aus den unterschiedlichen Stationen seiner Inhaftierung, berichten zu können. Unter anderem wurde er als Zeuge im Prozess gegen den SS-Rottenführer Friedrich-Wilhelm Rex hinzugezogen. Auch bei offiziellen Anlässen war er als Gast oder Redner eingeladen. Er nahm an Gedenkfeiern des Aktion Sühnezeichen Friedensdiente e.V., der Topografie des Terrors oder Gegen das Vergessen für Demokratie e.V. teil. Für sein Engagement bekam er im Juli 1995, kurz vor seinem Tod, die Bürgermedaille für besondere Verdienste vom Berliner Bezirk Wilmersdorf verliehen.
Bundesallee 194/195
10717 Berlin
Deutschland
Bis zu seinem Tod litt Martin Friedländer an den Folgen der Folter und der schlimmen Haftzustände unter körperlichen Beeinträchtigungen. Deshalb stellte er gleich nach Kriegsende Entschädigungsansprüche. Unter anderem versuchte er im Jahr 1963 eine Entschädigung für Freiheitsentzug zu erhalten, die damals abgewiesen wurde. Erst 50 Jahre später, als er bereits pensioniert war, konnte er seine Entschädigungsansprüche geltend machen. Auch die Anerkennung auf Schwerbehinderung zu 100% – als Folge von Folter durch die Gestapo und die Inhaftierung – erhielt Friedländer erst im Oktober 1992. Er starb 1995 in Berlin-Wilmersdorf, wo er seit 1963 in der Bundesallee 194/95 gelebt hatte.
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