Geburtsdatum
12.04.1931
Geburtsort
Berlin-Frohnau
Gender
Frau
Stationen
Titel
Sandkastenfreundinnen
Adresse

Oranienburger Chaussee 54
13465 Berlin
Deutschland

Geo Position
52.640835, 13.304279
Stationsbeschreibung

Esther-Eva Lewy (geboren 1931) und Susanne Orenstein (1930-1944) freundeten sich bereits im Kindergartenalter miteinander an. Beide Mädchen wohnten im gutbürgerlichen, grünen und noch sehr jungen Berliner Stadtteil Frohnau; Die Gartenstadt Frohnau war 1910 gegründet worden und wurde 1920 Ortsteil des Berliner Bezirks Reinickendorf.  

Esther-Eva Lewy war in der Oranienburger Chaussee 54 zu Hause, die heute eine stark befahrene Verkehrsader ist, nämlich die Bundesstraße 96. Ihre Eltern hießen Fritz und Charlotte Lewy, geborene Lutinski. Fritz Lewy (1898–1978), ein angesehener Jurist, war jüdischen Glaubens, ihre Mutter Charlotte (1899–1999) war Nichtjüdin; Sie war seit 1932 in zweiter Ehe mit Fritz verheiratet. 

Zum Zeitpunkt der Hochzeit war ihre gemeinsame Tochter Esther-Eva elf Monate alt. Das Ehepaar Fritz und Charlotte Lewy zog in das Einfamilienhaus in der Oranienburger Chaussee 54, das zur Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft mbH gehörte. 

Titel
Immer zusammen
Stationsbeschreibung

Esther-Eva Lewy und Susanne Orenstein waren nahezu unzertrennlich. Sie nannten sich zärtlich Estherlein und Suse, und ihre Eltern nahmen die Mädchen zu gemeinsamen Ausflügen mit. Der grüne Stadtteil Frohnau, in dem sie aufwuchsen, bot viele Freizeitmöglichkeiten, und auch die Havel war nicht weit. Im Wannsee, einem Ausläufer der Havel, werden sie im Sommer 1938 vermutlich nicht mehr gebadet haben, denn per Gesetz war ab 1938 Jüdinnen*Juden der Zutritt zum Wannseebad verboten. 

Im Jahr 1938 wurde erstmals die Freundschaft der beiden Mädchen auf eine harte Probe gestellt, denn im Herbst zogen die Lewys aus ihrem Haus in der Oranienburger Chaussee 54 aus. Ihre neue Bleibe war im Stadtteil Wedding.

Titel
Unfreiwilliger Umzug
Stationsbeschreibung

Das glückliche Familienleben der Lewys wurde von der Machtübernahme der Nationalsozialisten überschattet. Der junge Anwalt Fritz Lewy spürte, dass seine Mandant*innenzahlen zurückgingen, und seine nichtjüdische Frau Charlotte bekam immer häufiger zu hören, dass sie sich von ihm scheiden lassen sollte. Das junge Paar trotzte den Anfeindungen; auch dann noch, als ihnen im November 1937 die Wohnungsbaugesellschaft das Haus in der Oranienburger Chaussee 54 kündigte. 

Da Fritz Lewy Jurist war, wusste er, wie er sich zur Wehr setzen konnte: Er zog vor das Landgericht Berlin, wo er gegen die Räumungsklage Einspruch erhob. Das nationalsozialistische Blatt Das schwarze Corps veröffentlichte als Reaktion darauf einen Hetzartikel, der am 23. Juni 1938 mit der Überschrift „Judenfrechheit sondergleichen!" erschien. Die endgültige Kündigung ließ nicht lange auf sich warten. Esther-Eva Lewy und ihre Eltern mussten das schöne Haus verlassen.

Im Oktober 1938 zogen sie bei Charlotte Lewys Mutter, Elisabeth Lutinski, ein, die in der Turiner Straße 48 im Wedding wohnte. Esther-Eva war plötzlich weit entfernt von ihrer besten Freundin Suse Orenstein in Frohnau.

Titel
Vermeintlich sicher
Stationsbeschreibung

Herbst 1943: Seit Wochen nahmen die Luftangriffe auf Berlin stark zu. Mütter mit Kleinkindern wurden evakuiert, ebenso ganze Schulklassen: Die zwölfjährige Esther-Eva Lewy war mit ihrer Klasse in einem sogenannten Lager im böhmischen Malenowitz, wo sie alle auch Schulunterricht bekamen, denn einige ihrer Lehrer*innen waren ebenfalls dort. 

Im Frühjahr 1944 musste Esther-Eva das Lager verlassen, da sie als „jüdischer Mischling 1. Grades" galt. Ihre Mutter in Berlin war in großer Sorge um sie, da sie nicht wusste, wie ihre Tochter nach Berlin zurückkommen sollte. Sie schrieb am 15. März 1944 an den Lager- und Schulleiter, genau an dem Tag, an dem Esther-Eva abreisen musste. Das Antwortschreiben ist sehr bürokratisch abgefasst und wird sie sicher nicht beruhigt haben. 

Esther-Eva erreichte Berlin unversehrt. Die Familie Lewy blieb fortan zusammen in Berlin, wo sie das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebten. Im November 1945 konnte Esther-Eva mit ihren Eltern in das Wohnhaus in die Oranienburger Chaussee 54 in Frohnau zurückkehren.

Titel
„Ein letztes Lebenszeichen der besten Freundin"
Stationsbeschreibung

Während Esther-Eva Lewy ab Herbst 1943 im Lager der „Kinderlandverschickung" im böhmischen Malenowitz war, wurde ihre beste Freundin Susanne Orenstein nach Theresienstadt deportiert. Dennoch versuchten sie, miteinander in Kontakt zu bleiben. Esther-Eva hat Susanne aus Malenowitz geschrieben, und Suse antwortete ihr:

„Liebe Esther,

Ich war ganz platt, als ich Deine Karte las, jetzt denke ich noch doppelt so viel an Dich. Denn nun bist Du doch nicht weit von mir, und trotzdem können wir uns nicht sehen. Ich hoffe dass es Dir gut geht, und freue mich dass Du nicht an uns vergessen hast. Hast Du regelmässig von Deinen Eltern Nachricht? Kannst Du Dich erinnern, wie wir zusammen bei uns waren? Das waren schöne Zeiten, was? Aber damit, dass wir nicht so zusammen sind, ändert sich nichts. Du bist doch immer mein Estherlein. Wenn Du den Eltern schreibst, so grüss sie von mir.
Deine Suse"
Susanne Orenstein starb am 23. Oktober 1944 im Alter von 14 Jahren im Konzentrationslager Theresienstadt.

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Autor
Ulrike Brenning