Beruf
Dirigent, Komponist
Geburtsdatum
07.06.1897
Geburtsort
Prag
Gender
Mann
Literatur
Julius H. Kriszan: Fluchtziel Bolivien 1933 – 1945, eine Materialsammlung, München 2009.
Walter, Bruno, Thema und Variationen. Erinnerungen und Gedanken. Stockholm 1947/Frankfurt am Main 1963.
https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00001593 (letzter Zugriff am 19.06.18)
https://www.ikg-m.de/gemeinde/organe-2/ (letzter Zugriff am 19.06.18)
Sonstiger Name
Erck
Stationen
Titel
Beste Voraussetzungen
Adresse

Max-Joseph-Platz 2
80539 München
Deutschland

Adressbeschreibung
Nationaltheater München
Geo Position
48.139448, 11.579789
Stationsbeschreibung

Der begabte junge Dirigent und Komponist Erich Eisner (1897-1956) wurde 1921 nach seiner Ausbildung an der Akademie für Tonkunst in München Assistent von Bruno Walter (1876-1962). Bruno Walter war zu jener Zeit einer der bedeutendsten Dirigenten weltweit und Musikalischer Direktor am Nationaltheater München. Wer bei diesem großen Musiker lernen durfte, dem standen viele Türen offen. 

Doch bereits 1922 sind in München antisemitische Parolen im Stadtbild nicht mehr zu übersehen. Bruno Walter erinnert sich in seinen Memoiren an „blutrote Plakate mit dem unheimlichen Hakenkreuz“. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich der bedeutende Dirigent und sein Meisterschüler besorgt über ihre Beobachtungen austauschten, denn Bruno Walter war ebenfalls Jude.  

1923 endete Erich Eisners Lehrzeit bei Bruno Walter, da dieser von München nach Berlin wechselte, wo er die Leitung der Städtischen Oper übernahm. Die beiden Musiker blieben miteinander in Briefkontakt. Erich Eisner sammelte in den folgenden Jahren wichtige Berufserfahrungen als Dirigent in Klagenfurt, St. Pölten, Stuttgart, Leipzig und Landshut und trat unter dem Künstlernamen Erich Erck auf. 

Titel
Das Ende einer aussichtsreichen Karriere
Adresse

Oberer Schlossgarten 6
70173 Stuttgart
Deutschland

Geo Position
48.780554, 9.184748
Stationsbeschreibung

1933 bekam Erich Eisner ein Angebot vom Stadttheater Stuttgart für eine feste Dirigentenstelle. Doch er konnte die Stelle nicht mehr antreten, da er Jude war – Die Machtübernahme der Nationalsozialisten verhinderte die hoffnungsvollen Karrieren unzähliger Künstler*innen in Deutschland. Erich Eisner musste seinen Künstlernamen Erich Erck ablegen und wurde nicht in die Reichsmusikkammer aufgenommen - Gleichzeitig erhielt er Berufsverbot. Sein Einspruch, in dem er auf seine vierjährige Militärzeit im Ersten Weltkrieg hinwies, wurde abgelehnt. 
 

Titel
Verlobung, Hochzeit und Familienglück
Adresse

Reichenbachstraße 24
80469 München
Deutschland

Adressbeschreibung
Liberale Synagoge
Geo Position
48.130159, 11.57556
Stationsbeschreibung

1927 lernte Erich Eisner die Tochter des Geschäftsinhabers der angesehenen Schuhgeschäfts Deutsch-Amerikanische Schuhgesellschaft (D.A.S.) kennen: Elsa Knoblauch (1907–1988) war 20 Jahre alt, und bereits im nächsten Jahr wurde sie Geschäftsführerin einer Filiale der D.A.S. Eisner verliebte sich in die zehn Jahre jüngere Frau, doch der Vater Elsas verbot die Heirat, weil er sich für seine Tochter einen Mann mit regelmäßigen und guten Einkünften wünschte, was ihm bei einem Musiker nicht gesichert erschien. 
Der Widerstand des Vaters blieb über Jahre bestehen, obwohl Eisner regelmäßig im Hause Knoblauch zu Gast war. Erst nach dem Tod von Elsas Vater 1933 konnten sich Erich und Elsa verloben und am 26. Juni 1934 in der Liberalen Synagoge in der Reichenbachstraße 24 in München heiraten. 1935 kam der Sohn Manfred zur Welt. 
 

Titel
Neue Wege
Adresse

Herzog-Max-Straße 1
80333 München
Deutschland

Adressbeschreibung
Hauptsynagoge München
Geo Position
48.139566, 11.567664
Stationsbeschreibung

Erich Eisner engagierte sich nach dem Berufsverbot durch die Nationalsozialisten im Jüdischen Kulturbund Bayern. Sowohl künstlerisch wie organisatorisch trug er dort zu einem qualitätsvollen Musikleben bei: Er leitete das Orchester des Jüdischen Kulturbunds in München und war dort außerdem Geschäftsführer. Bis 1938 dirigierte Eisner 18 Konzerte des Orchesters in München und Augsburg. Als Organist musizierte er an Münchens Hauptsynagoge in der Herzog-Max-Straße. Die 1887 eingeweihte Synagoge war im neo-romanischen Stil erbaut. Sie zählte zu den schönsten in Europa und war die drittgrößte Synagoge Deutschlands. 

Zum 50. Jahrestag der Synagoge, der am 5. September 1937 begangen wurde, veröffentlichte die jüdische Gemeinde eine Festschrift. Dort ist der sehr besorgte Satz zu lesen: „Die 50. Wiederkehr dieses Tages festlich zu begehen, ist heute nicht die Zeit."

Am 7. Juni 1938 erteilte Hitler den Befehl, die Münchener Hauptsynagoge abzureißen – Bereits zwei Tage später wurde mit den Abbrucharbeiten begonnen.  
 

Titel
Unruhige Monate...
Adresse

Heilwigstraße 125
20149 Hamburg
Deutschland

Adressbeschreibung
Bolivianisches Generalkonsulat
Geo Position
53.591703, 9.993258
Stationsbeschreibung

Nach der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde Erich Eisner verhaftet und kam im KZ Dachau in »Schutzhaft«. Ende Dezember desselben Jahres wurde er mit Hilfe des Anwalts Dr. Rottner entlassen und erhielt die Auflage, sofort aus Deutschland auszureisen. Rottner war langjähriges NSDAP-Mitglied und Anwalt der Familie Knoblauch, aus der Eisners Frau Elsa stammte. Im Frühjahr 1939 emigrierte Erich Eisner über England nach Bolivien, wohin ihm seine Familie erst ein Jahr später folgte. Durch den Beginn des Zweiten Weltkriegs zerschlug sich nämlich der Plan, dass Elsa und der kleine Manfred im Herbst 1939 nach Bolivien ausreisen konnten. Sie kamen dort erst im Mai 1940 an. 
In England wurde Erich Eisner von der Familie seiner Frau Elsa aufgenommen, denn Elsas Familie war bereits 1937 emigriert, nachdem ihr angesehenes Schuhgeschäft „arisiert" worden war. Erich Eisner und seine kleine Familie hätten gleichzeitig Deutschland verlassen können, doch Eisner wollte zunächst noch die Emigration seiner Mutter Hermine vorbereiten. In dieser Zeit hatte er bereits mehrfach Anträge auf Auswanderungspässe für sich selbst, seine Ehefrau Elsa und den inzwischen dreijährigen Sohn Manfred gestellt. 

Titel
Eine neue Heimat
Adresse

Avenida 6 Agosto 813
La Paz Bolivien
Bolivien

Geo Position
-16.510479, -68.124905
Stationsbeschreibung

Bolivien war eines der wenigen Länder der Welt, das deutschen und österreichischen Jüdinnen*Juden Einreisevisa erteilte. Rund 7000 Menschen fanden dort Zuflucht.
Für Erich Eisner war La Paz die erste Station. Diese Großstadt, die auf 3600 m Höhe liegt, ist Sitz der bolivianischen Regierung. Für Eisner und seine Familie bürgte ein Freund der Knoblauchs, der bereits seit 1934 in Bolivien lebte, Semi (?) Herrmann. Er war vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten Schuhvertreter gewesen und hatte in Bamberg gelebt. Nun betrieb er eine Kaffeeplantage in Bolivien und nahm Erich Eisner nach seiner Ankunft gastfreundlich in der Avenida 6 Agosto in La Paz auf.
Einen Bürgen zu haben, war Grundvoraussetzung für die Einreise. Die ersten Monate kümmerte sich Eisner vor allem um eine Unterkunft für sich und seine Familie, auf die er sehnsüchtig wartete, denn Elsa Eisner und Sohn Manfred waren noch in Deutschland. Eisner fand ein Zimmer in einem Haus, wo viele weitere Emigrantenfamilien lebten. Dieses Zimmer wurde das erste neue Zuhause für ihn, seine Frau Elsa und den vierjährigen Manfred. Seinen bescheidenen Lebensunterhalt verdiente Eisner zunächst als Klavierbegleiter bei Konzerten. 

Titel
Ein Dankgesang an Bolivien
Adresse

Avenida del Maestro N° 331
Sucre Bolivien
Bolivien

Geo Position
-16.515176, -68.113325
Stationsbeschreibung

Es sprach sich schnell herum, dass Erich Eisner ein hervorragender Musiker war: 1941 wurde er als Dozent an die staatliche Lehrerbildungsanstalt in Sucre berufen. Sucre ist die Hauptstadt Boliviens und liegt 800 m tiefer als La Paz, immerhin noch auf rund 2800 m, doch das Klima ist deutlich angenehmer für Europäer, die nicht an die Höhenluft gewöhnt sind. 
In Sucre konnte Eisner seine Talente als Musiker und Organisator voll entfalten: Er kümmerte sich um den Aufbau der klassischen Musikausbildung und gründete einen großen Chor sowie ein Orchester, in dem seine Schüler*innen und zahlreiche Exilant*innen spielten. 
Aus Dankbarkeit, die er seiner neuen Heimat gegenüber empfand, komponierte Eisner die Kantate »Bolivia«. In diesem Stück vertonte er Verse der bolivianischen Dichterin Yolanda Bedregal de Konitzer (1913–1999), mit der er befreundet war. Und es zeigte sich einmal mehr, dass Eisner ein hervorragender Organisator war, der sich auch auf schwierige Umstände einstellen konnte: Da es keine Möglichkeit gab, die Noten zu drucken, schrieb er sämtliche Stimmen sowie den Klavierauszug und die Partitur mit der Hand. 
Die Uraufführung des gesamten Werks fand erst 2003 in Rischon LeZion in Israel statt.

Titel
Ein Botschafter der Musik
Adresse

Genaro Sanjinés e Indaburo; 5
La Paz Bolivien
Bolivien

Adressbeschreibung
Teatro Municipal
Geo Position
-16.493501, -68.134689
Stationsbeschreibung

Erich Eisners Aufbauarbeit in Sachen klassischer Musik trug schnell Früchte. Die bolivianische Regierung beauftragte ihn 1944 nämlich, ein staatliches Sinfonieorchester zu gründen. Das war ein großer Vertrauensbeweis und höchste Anerkennung seiner Fähigkeiten. In La Paz hatte sich mittlerweile ein kleines Orchester aus exilierten Musiker*innen gegründet, das den Grundstock für das geplante große Sinfonieorchester bildete. Es sollte den Namen Orquesta Sinfònica Nacional (OSN) tragen.

Eisner kehrte von Sucre nach La Paz zurück, und wieder einmal setzte er sein Organisationstalent ein: Notenmaterial, das in Bolivien nicht vorhanden oder zu kaufen war, beschaffte er über Freund*innen aus den USA. Er ließ sich von ihnen Taschenpartituren schicken, kleine, handliche Notenausgaben, in denen alle Stimmen eines Werkes verzeichnet sind. Aus diesen Taschenpartituren fertigte Eisner handschriftlich die einzelnen Instrumentalstimmen an – eine Fleißarbeit sondergleichen!

Das Debütkonzert des Orquesta Sinfònica Nacional fand am 6. Apr. 1945 im Teatro Municipal in La Paz statt. Eisner studierte in den folgenden Jahren viele Werke der europäischen Klassik ein und vermittelte sie einem breiten Publikum in Bolivien. 

Titel
„Deutschland dankt Erich Eisner"
Adresse

Avenida Arce 2395 esq. Belisario Salinas
La Paz Bolivien
Bolivien

Geo Position
-16.508287, -68.125295
Stationsbeschreibung

Es war kurz vor Weihnachten 1955, als der damalige Bundespräsident Theodor Heuss seine Unterschrift auf die Verleihungsurkunde des Bundesverdienstkreuzes setzte: „In Anerkennung der um die Bundesrepublik Deutschland erworbenen besonderen Verdienste verleihe ich Herrn Erich Eisner, Dirigent, das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland." 

So lautet der Urkundentext, und er stimmt nachdenklich. Denn im Fall von Erich Eisner gibt es in diesem Standardtext manches zu deuten: Die Tatsache, dass Eisner sich um die Bundesrepublik Deutschland im Ausland verdient gemacht hat, geschah ja nicht freiwillig, denn er war von den Nationalsozialisten gezwungen worden, Deutschland zu verlassen. Dass er sich dennoch – oder gerade deshalb – in Bolivien unermüdlich für die klassische Musik mit dem Schwerpunkt der deutschen Klassik einsetzte, ist ihm hoch anzurechnen, und die junge Bundesrepublik wusste diese Haltung zu schätzen und für sich zu nutzen. Erich Eisner war für den Ruf Deutschlands im Ausland kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ein Glücksfall und ein Hoffnungsträger. 

Vier Wochen nach der Verleihung des Verdienstordens starb Erich Eisner in La Paz.

Sterbedatum
02.03.1956
Sterbeort
La Paz

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Autor
Ulrike Brenning