Beruf
Rabbiner
Geburtsdatum
1040
Geburtsort
Troyes
Gender
Mann
Literatur
Elie Wiesel, Raschi. Ein Porträt, Freiburg 2015.
Sonstiger Name
Raschi
Stationen
Titel
Kindheit in Troyes
Adresse

5 Rue Brunneval
10000 Troyes
Frankreich

Geo Position
48.296405, 4.070786
Stationsbeschreibung

Im Jahr 1040 kam in der französischen Stadt Troyes ein Junge zur Welt, der jüdische Geschichte schreiben sollte. Er hieß Schlomo Jizchaqi oder auch Salomon ben Isaak. Er war der Sohn des Isaak, eines Gelehrten und Winzers. Troyes, die Hauptstadt der Champagne, war schon vor eintausend Jahren eine Weinbaugegend. In der Stadt lebten rund einhundert Familien; Diese Zahl blieb über einen langen Zeitraum konstant. Schlomo fiel bald als besonders intelligentes, wissbegieriges Kind auf. Sein Vater war der erste Lehrer, der ihn mit dem Talmud vertraut machte – Das heilige Buch sollte Schlomos Lebensaufgabe werden. 
Schlomos Eltern lebten der Legende nach zunächst in Worms am Rhein, einem Zentrum des gebildeten Judentums. Seine Mutter, die mit ihm schwanger war, ging in der Nähe der Synagoge spazieren, als plötzlich ein Pferdefuhrwerk mit hoher Geschwindigkeit durch die enge Gasse preschte. Die Schwangere suchte Schutz an der Syngagogenmauer, die etwas nachgab und seither eine kleine Einbuchtung aufweist. Aus Furcht, der Hexerei bezichtigt zu werden, zog das werdende Elternpaar nach Troyes. Die Familie lebte dort im jüdischen Viertel, dessen Eingang sich an der Ecke Rue de la Cité und Quai des Comtes befand.

Titel
Lehrjahre
Adresse

Hintere Judengasse 6
67547 Worms
Deutschland

Geo Position
49.633373, 8.366284
Stationsbeschreibung

Schlomo lernte schnell. Im Alter von ungefähr fünfzehn Jahren entschied er sich, Rabbiner zu werden. Seine Eltern schickten ihn daher nach Mainz, wo bereits sein Onkel mütterlicherseits studiert hatte. Es gab in Mainz ein Lehrhaus, das weit über die Grenzen der Stadt bekannt war. Gegründet hatte es Rabbenu Gerschom („unser Lehrer Gerschom") am Ende des 10. Jahrhunderts. Bald war das Lehrhaus ein Anziehungspunkt für Gelehrte aus Italien und die Schüler kamen aus ganz Europa. Schlomos wichtigster Lehrer war Jakob ben Jakar.

Aber nicht nur Mainz war ein Ort der jüdischen Gelehrten, sondern auch Speyer und Worms. In Worms studierte Schlomo dann mehrere Jahre bei Rabbi Isaak ben Elieser Halevi, der dort ein großes Lehrhaus gegründet hatte.
 
Speyer, Worms und Mainz sind als „SchUM-Städte" in die Geschichte eingegangen und unter dieser Abkürzung noch heute ein Begriff für jüdische Gelehrsamkeit; Zurzeit (2018) läuft die Bewerbung für die Aufnahme in das UNESCO-Welterbe. Die Abkürzung setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der mittelalterlichen, auf Latein zurückgehenden hebräischen Städtenamen zusammen: 
Schin (Sch) für Schpira / Speyer 
Waw (U) für Warmaisa / Worms 
Mem (M) für Magenza / Mainz 

Titel
Aus Schlomo wird Raschi
Adresse

Hintere Judengasse 6
67547 Worms
Deutschland

Geo Position
49.633373, 8.366284
Stationsbeschreibung

Der junge Rabbiner Schlomo Jizchaki wurde kurz „Raschi" genannt. Unter diesem Namen erlangte er Berühmtheit und vielen ist er bis heute ein Begriff. Raschi verfasste in unendlich vielen Stunden konzentrierter Arbeit Kommentare zu den Texten des Talmuds. Diese Kommentare sind Deutungs- und Verständnishilfen, und er schrieb sie in einer so klaren Sprache, dass sie bereits für Kinder geeignet sind. 

So wird im Cheder, dem jüdischen Religionsunterricht für Kinder ab dem dritten Lebensjahr, in hebräischer Sprache aus den Fünf Büchern Mose („Pentateuch") vorgelesen. Wenn die Kinder etwas älter sind, beginnen sie, selbst zu lesen. Der jüdische Historiker und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel (1928–2016) erinnerte sich an seine ersten Begegnungen mit Raschi im Cheder: „Gelang es mir nicht, den wahren Sinn eines Wortes, eines Namens oder eines Satzes zu erfassen, war er es, der Meister meiner Meister, der mir zu Hilfe kam. Es war eine vertrauliche Beziehung von Kind zu Greis, von Mensch zu Mensch. Er sprach zu mir wie im Vertrauen: Schau, Kleiner, keine Angst; alles ist zu verstehen und einfach mitzuteilen. Fremde Wörter, Hindernisse? Fang noch einmal mit mir an."

Raschis Kommentare haben bis in die Gegenwart einen großen Einfluss auf die jüdische wie christliche Deutung des Talmuds.

Titel
Familie, Schüler und der Weinbau
Adresse

Rue du Paon
10000 Troyes
Frankreich

Adressbeschreibung
Angeblich die Straße, in der Raschi wohnte.
Geo Position
48.299628, 4.077928
Stationsbeschreibung

Im Alter von ungefähr dreißig Jahren heiratete Raschi eine Frau, deren Namen leider nicht mehr bekannt ist. Mit ihr hatte er drei Töchter: Miriam, Jochewed und Rachel. Die junge Familie lebte im Wechsel zwischen Worms und Troyes, denn Raschi wollte sich besonders gut vorbereiten, um in Troyes ein eigenes Lehrhaus aufzubauen. Das war im Jahr 1070 oder etwas später. Sicher ist, dass schon bald nach der Gründung das Lehrhaus in Troyes mindestens so bedeutend war wie die Zentren auf der deutschen Seite des Rheins, denn Raschi war ein ausgezeichneter Lehrer und führte ein gastfreundliches Haus. Alle auswärtigen Schüler*innen lebten mit ihm und seiner Familie. Auch Raschis Töchter nahmen am Unterricht teil und sie galten als gelehrt.

Wenn er nicht unterrichtete, arbeitete Raschi im Weinberg. Wein war und ist ein wichtiger Bestandteil der jüdischen Religion und vieler ihrer Zeremonien, beispielsweise zu Beginn und am Ende des Sabbats. Der Zusammenhang zwischen Rabbinertum und Weinherstellung ist naheliegend, denn die gesamte Weinbereitung muss von einem Rabbi überwacht werden, sämtliche Arbeiten in der Kellerwirtschaft dürfen nur von männlichen Juden ausgeführt werden. 

Titel
Der Meister
Adresse

5 rue Brunneval
10000 Troyes
Frankreich

Geo Position
48.296408, 4.070792
Stationsbeschreibung

Raschis Kenntnisse auf den verschiedensten Gebieten wie Talmud und Bibel, Mathematik und Weinbau, Stern- und Tierkunde, erklären seinen weitreichenden Einfluss. Unter seinen begabten Schülern fanden sich auch Heiratskandidaten für seine klugen Töchter. So war die geistliche Nachfolge gesichert. 

Diese Nachfolge bestand unter anderem in wichtigen Ergänzungen zu Raschis Kommentaren: Sie werden „Tossafot" genannt, ihre Verfasser sind die „Tossafisten". Raschis Enkel zählen zu ersten Tossafisten. Die Tossafot stehen am Außenrand neben dem Talmudtext gegenüber von Raschis Kommentar am Innenrand. 
Im 15. Jahrhundert, also 400 Jahre nach Raschi, wurde für seine Kommentare und die Tossafot eine eigene Schrift entwickelt, damit sich der Haupttext optisch deutlich von den Kommentaren abhebt. Diese Schrift heißt „Raschi-Schrift" oder „Raschi-Kursive". 

Martin Luther schätzte Raschis Bibelkommentar, der um 1475 als erstes hebräisches Buch gedruckt wurde; Und für Romanist*innen sind Raschis Kommentare ein Schlüssel zur Aussprache des Altfranzösischen, denn er hat viele Worte seiner Muttersprache in die hebräischen Kommentartexte übernommen – und zwar lautschriftlich.  

Titel
Unruhige Zeiten
Adresse

Rue du Paon
10000 Troyes
Frankreich

Geo Position
48.299414, 4.078141
Stationsbeschreibung

Der 27. November 1095 ist ein Schicksalsdatum in der jüdisch-christlichen Geschichte. An diesem Tag rief Papst Urban II. in Clermont-Ferrand die Christen auf, nach Jerusalem zu ziehen und das Grab Jesu und alle heiligen Stätten aus muslimischer Hoheit zu befreien. Es war der Beginn der Kreuzzüge, die bis ins 13. Jahrhundert andauern sollten. Obwohl sich der Aufruf gegen Muslime richtete, hatten französische Jüdinnen*Juden böse Vorahnungen und schickten Boten nach Speyer, Worms und Mainz, um Freund*innen und Verwandte zu warnen. Die Christen, die Papst Urbans Aufruf gefolgt waren, zogen entlang des Rheins und der Donau, wo sie Tausende von Jüdinnen*Juden ermordeten, die nicht bereit waren, zum Christentum überzutreten. 

Raschi war zum Zeitpunkt des ersten Kreuzzugs 55 Jahre alt. Die Nachrichten aus den Orten seiner Studienjahre erschütterten ihn, führten aber auch noch einmal zu einem großen Schaffensdrang. Die schöpferische Kraft in seinen letzten zehn Lebensjahren war immens: Er verfasste Streitschriften, Gesetzesentscheidungen, schrieb neue Kommentare und überarbeitete alte. Besonders wichtig war ihm, dass Jüdinnen*Juden, die zum Christentum gezwungen worden waren, in ihre Gemeinden zurückkehren durften.

Titel
Raschis Vermächtnis
Adresse

Rue Louis Mony
10000 Troyes
Frankreich

Geo Position
48.299636, 4.074146
Stationsbeschreibung

Raschis letztes Lebensjahr war sehr beschwerlich. Oft musste er Texte diktieren und gestand in seinen Briefen seine Schwäche: „Ich habe nicht die Kraft, eine Feder in der Hand zu halten." Die Ereignisse des ersten Kreuzzugs belasteten ihn. Vor diesem Hintergrund ist Raschis Kommentar zum Hohelied Salomons besonders bewegend, mit dem er den verfolgten Jüdinnen*Juden Trost und Hoffnung geben will: „Ich aber sage, dass der König Salomon die Zeit voraussah, in der die Kinder Israel von einem Exil zum nächsten deportiert werden, von einer Katastrophe zur nächsten. [...] Gott wird sie beruhigen, indem er ihnen zusagen wird, dass auch er sich erinnert, und dass ihre Ehe weiterhin gilt: Er hat sie nicht verstoßen. Israel ist nach wie vor seine Angetraute, und er wird zu ihr zurückkehren."

Raschi konnte die Kommentare zum Talmud nicht vollenden. Sie wurden von seinen Schülern weitergeschrieben. Die Ausdrücke „Kan Niftar Rabenu" („An dieser Stelle starb unser Meister") oder „Kan Hifsik Rabenu" („An dieser Stelle unterbrach unser Meister sein Werk") stehen dreimal in seinem Talmudkommentar. Raschi starb am 5. August 1105. Er wurde vermutlich auf dem alten jüdischen Friedhof in Troyes bestattet, an dessen Stelle heute eine öffentliche Bibliothek steht und in ihrer Nähe ein Denkmal an ihn erinnert.

Sterbedatum
05.08.1105
Sterbeort
Troyes

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Autor
Ulrike Brenning