Die jüdische Gemeinde in Neustadtgödens errichtete die damalige Elementarschule 1832 zunächst in einem Neubau neben der Synagoge. 1903 zog diese in ein Haus gegenüber der Synagoge, bis die Schule 1922 schloss.
Robert de Taube wurde 1896 als eines von sieben Kindern des jüdischen Viehhändlers und Schlachters Samuel de Taube (1855-1949) und Rosa de Taube (1861-1948), geborene Weinberg, im ostfriesischen Neustadtgödens geboren. De Taube besuchte die Grundschule in Neustadtgödens und besuchte dann die Oberrealschule in Wilhelmshaven. In einer Kurzbiografie, welche de Taube höchstwahrscheinlich kurz nach dem Krieg verfasste, beschrieb er in englischer Sprache, dass er im Jahre 1916 den Aufruf bekam, der Armee beizuwohnen, „from which I was discharged in 1919". Bereits in früher Kindheit begann Robert de Taube auf dem Gut seines Vaters mitzuarbeiten und wurde an alle Aufgaben herangeführt, die in einem landwirschaftlichen Betrieb anfielen. Das „Horster Grashaus", ein Gut in der Nähe seiner Geburtstadt Neustadtgödens, hatte de Taube gemeinsam mit seinem Bruder Ernst 1923 von seinem Vater als Pächter vermacht bekommen. Jenes Gut hatte Samuel de Taube gemeinsam mit etwa 150 Hektar Land um 1920 gekauft. Während sein Bruder Ernst eher die wirtschaftlichen Fragen klärte, war Robert de Taube für die Organisation des Arbeitsalltags auf dem Gut zuständig. Bereits seit dem 18. Jahrhundert war die Familie de Taube hier ansässig. Vor allem in der Land- und Viehwirtschaft war die Familie seit Jahrzenten erfolgreich. Die Brüder de Taube entwickelten das Gut, unter anderem, mit einer Pferdezucht, zu einer „modelfarm", wie Robert de Taube stolz berichtete.
Kirchstraße 47
26452 Neustadtgödens
Deutschland
In einem 23-seitigen Bericht beschrieb Robert de Taube in den 1970er Jahren seine Erlebnisse in der NS-Zeit, über die „Vertreibung als Pächter meines Vaters […] , bis zur Wiedererlangung und Kampf um das Gut Gorster Grashaus", wobei die Diskriminierung von Jüdinnen*Juden bereits mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 mit „ Boykott, […] ferner beim Einkauf von Weidevieh […] durch Anbringung eines Plakates – Juden unerwünscht […]" einsetzte. Die Novemberpogrome 1938 beschrieb de Taube eindrücklich: „Inzwischen brachen […] etliche SA Männer herein. Der Anführer war Haake, er fragte mich in freschem Ton, was ich gemacht hätte, ich erwiederte, dass ich die Polizei angerufen hätte, weil sie hier einbrechen wollten. Haake beschimpfte mich und trieb mich mit seinem Gewehr nach oben. Ich sollte mich sofort anziehen […] Als ich nach unten kam hatten die SA Leute Alles aufgewühlt und Schränke aufgerissen und nach Wertsachen gesucht. Die Leute schrien mich an, wo hast Du dein Geld? […]" Alle männlichen Mitglieder der Familie wurden binnen kurzer Zeit in ihrer Wohnung festgenommen und in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin verschleppt. Bereits hier seien „Viele von unseren Leuten […] zur elektrischen Einfriedigung und suchten den Tod." Zusammen mit seinen Brüdern musste Robert de Taube in Sachsenhausen vier Wochen Haft überstehen, bevor er am 9. Dezember 1938 in seinen Heimatort zurückkehren konnte.
Horster Grashaus
26446 Friedeburg
Deutschland
Das „Horster Grashaus" rückte immer stärker in den Fokus der Neustadtgödenser Nationalsozialisten und sollte, in ihrem Sprachgebrauch, „arisiert" oder „entjudet" werden. Für einen „scandalous price" wurden die Tiere des Gutes der de Taubes verkauft und „they forced my father to sell the farm for very cheap money". Weiterhin beschrieb de Taube in einem Schreiben an die Militärregierung der Stadt Hagen am 6. September 1947: „[…] wurde eine Fläche von rund 80 ha in verschiedenen Teilstücken an 25 Bauern in Horsten und Umgebung verteilt, die sich durch ihre nationalsozialistische Einstellung als besonders geeignet erwiesen hatten, und die damit ihre Wirtschaften vergrößerten, also im wahrsten Sinne des Wortes Nutznießer des Naziregimes wurden". Damit traf Robert de Taube den Kern dieser „Arisierungen", von denen viele Privatpersonen profitierten und sie deswegen häufig begrüßten. Er versuchte eine Ausreise in die USA zu erwirken und stand auf der Warteliste des Amerikanischen Generalkonsulats in Hamburg. De Taubes Eltern konnten nach England auswandern, während sein Bruder Kurt sich nach Shanghai und alle Schwestern ebenfalls durch Emigration retteten. Der Bruder Ernst de Taube konnte nicht rechtzeitig entkommen. Mit seiner Frau Frieda de Taube, geborene ter Berg, wurde Ernst de Taube am 1. März 1943 mit dem 31. Osttransport deportiert und in Auschwitz ermordet. Die gesamte Familie seines Onkels, Salomon de Taube, wurde deportiert und kam in verschiedenen Konzentrationslagern um.
Thüringerallee 12
14052 Berlin
Deutschland
Von „Gestapoführer Kaiser […] im Gestapogebäude am Rathausplatz" erhielt Robert de Taube die „Wahl" zwischen Hamburg und Berlin, um hier Zwangsarbeit zu leisten. Da er dort seine Militärzeit verbrachte, entschied sich de Taube für Berlin. Von Januar 1942 bis Februar 1943 leistete Robert de Taube Zwangsarbeit bei der Deutschen Benzinuhren-Gesellschaft, Aerobau Lehmann, Berlin SW in der Belle-Alliance-Strasse. Er versuchte weiterhin die Ausreise nach Australien, Bolivien oder in die USA zu organisieren und erlernte hierfür Spanisch und Englisch. Im Oktober 1941 sollte de Taube, wie viele Jüdinnen*Juden in Deutschland, in die Konzertrationslager im Osten deportiert werden. Dem konnte de Taube entgehen, indem er Rückenschmerzen vortäuschte und im St. Hildegard- Krankenhaus in Berlin-Charlottenburg „vom 12.10.41 – 1.12.41 wegen Lumbago und Grippe-Bronchitis in stationärer Behandlung" verblieb. „Without any rationcards and money and beeing continiously fallowed by the Gestapo" blieb de Taube mithilfe des damaligen Personals einige Wochen unentdeckt, bis die Gestapo Ende 1941 Erkundigungen über seinen Verbleib anstellte. Unter neuer Identität, als „August Schneider, Landschaftsgärtner, Landsbergerstraße 38", lebte er im offenen Versteck in Berlin-Dahlem unter hohem Risiko stets entdeckt zu werden. Als Gärtner verdiente er sich etwas Geld hinzu und rettete sich somit sein Leben. Hier erlebte Robert de Taube die Befreiung durch russische Soldaten.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts enstand der jüdische Friedhof etwa 2 km von Neustadtgödens entfernt. In der NS-Zeit wurde der Friedhof nahezu gänzlich abgeräumt und in der Nachkriegszeit wiederhergestellt.
Noch in Berlin stellte Robert de Taube einen Antrag auf Restitution seines geraubten Vermögens durch die Nazis, welches noch bis in die 1990er Jahre hinein reichte. Der langwierige Prozess, durch Handzeichnungen nach dem Katasteramt und unzähligen Auflistungen von Vermögensschätzungen, aber auch Todeserklärungen naher Angehöriger belegt, zeugt von den zermürbenden Prozessen der Nachkriegszeit für viele Angehörige und Opfer des Naziregimes, mussten sie sich doch jahrelang mühevoll zurück in ihr altes Leben kämpfen. Robert de Taube kehrte 1946 nach Horsten zu Fuß und mit dem Fahrrad zurück. Er beschrieb später, wie ihm mehrfach erst das Fahrrad gestohlen wurde, dann „Mit einem Male kamen russ. Reiter – einer sprang vom Pferd und hielt mich an und zog mir meine schönen Stiefel aus und gab mir seine langen Stiefel mit vielen Flecken. Ich zog sie an und konnte darin nicht laufen. Also zog ich sie wieder aus und lief barfuß weiter – ich hatte eine Wut wie nie zuvor." Erst 1954 erwirkte de Taube die Rückgabe eines Teils des elterlichen Gutes, welches „schon rein äusserlich einen liederlichen und vernachlässigten Eindruck" machte und auf viele Höfe verteilt war. Ein weiterer Prozess zog sich bis in die Nachwendezeit Anfang der 1990er Jahre, denn Robert de Taube und sein Bruder Ernst de Taube besaßen noch ein etwa 120 ha großes Rittergut „Caspa" in Sachsen. Dieses Verfahren wurde nach de Taubes Tod von seinem Neffen John S. Forrester in den USA weitergeführt, der dem Jüdischen Museum in Berlin auch den Nachlass Robert de Taubes vermachte. De Taubes Eltern kamen 1947 zurück nach Neustadtgödens. Robert de Taubes Mutter starb 1948 im Alter von 87 Jahren und der Vater 1949 im Alter von 99 ½ Jahren.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts enstand der jüdische Friedhof etwa 2 km von Neustadtgödens entfernt. In der NS-Zeit wurde der Friedhof nahezu gänzlich abgeräumt und in der Nachkriegszeit wiederhergestellt.
Am 16. Juli 1973 schrieb Robert de Taube an seine Schwester Edith, die in New York lebte, bezüglich einer erreichten Entschädigungszahlung „[…] Aus anliegenden Schriftstücken könnt Ihr die Verhandlungen meiner Beschwerden ersehen und leider hat es nichts genützt. […] Man kommt so langsam in den Jahren, wo man manches vergißt und leider das Gehör auch in Mitleidenschaft gezogen wird. Hoffentlich geht es Euch Allen noch gut auch von mir kann gesundheitlich vorläufig noch Gutes berichten. Unsere Heuernte ist beendet und haben wir hier einen herrlichen Vorsommer gehabt. […] Robert de Taube bewirtschaftete von 1954 bis 1974 das „Horster Grashaus", bis er es „aus gesundheitlichen Gründen und als folgen der Nazizeit das Gut Horster Grashaus" verkaufte. Hier verbrachte er auch seinen Lebensabend. Am 26. August 1982 verstarb Robert de Taube und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Neustadtgödens in Wilhelmshaven beerdigt. Sein Erbe vermachte er seinen drei noch lebenden Schwestern und deren Nachkommen. Auch der „Jüdischen Gemeinde Westen Berlin" und dem „Hildekrankenhaus Berlin Charlottenburg" ließ er laut seinem Testament einen Teil zukommen. Robert de Taube kämpfte in der Nachkriegszeit bis zu seinem Tode für die „Wiedergutmachung" des erlittenen Leids seiner Familie. Der mühevolle und langjährige Prozess lässt den für diese Prozesse verwendeten Begriff „Wiedergutmachung" in einem die Verfolgten des NS-Regimes verhöhnenden Licht darstehen.
Neuen Kommentar hinzufügen