Robert Boris Shields

Robert Boris Shields Biographie basiert auf seinen eigenen Erinnerungen, die er in schriftlicher Form seinen Kindern hinterlassen hat. 

Er wurde 1921 in Frankfurt am Main in einer wohlhabenden Familie geboren. Seine Kindheit verbrachte er unbeschwert im Kreis seiner zahlreichen, über Frankfurt (väterlicherseits) und Berlin (mütterlicherseits) verstreuten Verwandten. Ab dem 6. Lebensjahr besuchte er die Samson-Raphael-Hirsch-Schule, der pädagogische Arm der Israelitischen Religionsgesellschaft Frankfurt, zu der die Schwarzschilds seit Generationen gehörten. Die folgende Ausbildung auf dem im Westend gelegenen Goethegymnasium konnte er nicht mehr abschließen: 1935 wurden seine Eltern aufgefordert, ihn von der Schule zu nehmen. 

Nachdem die Berliner Verwandtschaft ohnehin schon nach Paris übersiedelt war, beschlossen auch die Schwarzschilds, Deutschland zu verlassen. Die Jahre von 1935-1937 verbrachte Boris in einem Schweizer Internat, ehe er mit seinen Eltern nach England emigrierte. Nach zwei Jahren in der Boarding School von Rugby und kurzer Internierung 1940 trat er als enemy alien in das britische Heer ein.

Zunächst war ihm nur der Dienst ohne Waffe und im Inland erlaubt. Daher wurde er als Sachbearbeiter für Transporttechnik ausgebildet. Kurz nach der Invasion der Alliierten im Juni 1944 wurde R.B. Shields in der Normandie als „parts man“ (Mann für die Ersatzteile) gebraucht. Über Belgien und Holland erreichte seine Truppe schließlich Deutschland, wo er das Kriegsende erlebte. Eine Stelle als Offizier in der Besatzungszone schlug er aus. 

1946 kehrte er mittellos und krank nach London zurück. Schon im Laufe seiner anschließenden Ausbildung zum Wirtschaftsprüfer suchte er Wege, nach Übersee auszuwandern. 

Nach erfolgreichem Abschluss zum C.A. (chartered accountant) zog er 1952 nach Montreal/Kanada. Es stellte sich allerdings als nicht so leicht heraus, hier eine adäquate Arbeit zu finden. 
1954 holte er Elizabeth Joyce. Ullmann, die er in London kennen gelernt hatte, nach Kanada. Ein Jahr später heirateten sie und bekamen anschließend zwei gemeinsame Kinder. 1962 gründete er in Toronto mit einem Partner sein erstes eigenes Büro „Shields&Hayos“, das nach einigen bedeutenden Fusionen in der weltweit agierenden Firma Deloitte Haskin and Sells aufging. 
Nach seinem Ruhestand engagierte sich R. B. Shields über Jahre für eine Wohltätigkeitsorganisation. 
2014, Im Alter von 92 Jahren, fand sein langes, erfülltes Leben ein Ende.

Beruf
Wirtschaftsprüfer
Geburtsdatum
20.10.1921
Geburtsort
Frankfurt am Main
Gender
Mann
Literatur
The life of Robert Boris Shields (Manuskript, privat).
Boris Shields 20 October 1921-15 February 2014. Nachruf von Robert Chenciner (Manuskript, privat).
Thiel, Hans, Die Samson-Raphael-Hirsch-Schule in Frankfurt am Main : Dokumente, Erinnerungen, Analysen, 2001.
Tasch, Roland, Samson Raphael Hirsch. Jüdische Erfahrungswelten im historischen Kontext. Berlin/New York, 2011.
Klugescheid, Andreas, »His Majesty's Most Loyal Enemy Aliens«. Der Kampf deutsch-jüdischer Emigranten in den britischen Streitkräften 1939-1945 in: Krohn, Claus-Dieter u.a., Jüdische Emigration zwischen Assimilation und Verfolgung, Akkulturation und Jüdischer Identität , München 2001, 106-127.
Sonstiger Name
Robert Boris Schwarzschild
Stationen
Titel
Robert Boris Schwarzschild erblickt das Licht der Welt. Die Familien der Eltern
Adresse

Leerbachstr.1
60322 Frankfurt am Main
Deutschland

Geo Position
50.11704500165, 8.6727286553273
Stationsbeschreibung

Robert Boris Shields wurde am 20.10.1921 in Frankfurt/Main als Sohn von Jack Schwarzschild und Sonia Sophia Hepner geboren.

Sein Großvater väterlicherseits, Alfred Isaac Schwarzschild (1858-1936), stammte aus einer Frankfurter Familie, die über viele Generationen im Finanzgeschäft tätig war. Aus der 1881 geschlossenen Ehe mit Recha Goldschmidt gingen drei Kinder hervor: Jacob Alfred, genannt Jack (1885-1978), Robert Meier (1886-1909), nach dem Robert Boris benannt wurde, sowie Clementine (1888-1984), die den Kunsthändler Zacharias Max Hackenbroch heiratete. Dieser wurde besonders durch Ankauf des sogenannten „Welfenschatzes“ bekannt.

Sein Vater, Jack Schwarzschild, war schon als 15-jähriger Jugendlicher zur Ausbildung nach London geschickt worden, wo sein Onkel Jacob Isaac Schwarzschild (1854-1929) als Börsenmakler tätig war. Nach fünf Jahren kehrte er widerwillig nach Frankfurt zurück, um als Teilhaber einer kleinen Bank in das Familiengeschäft einzusteigen. Nach Aussagen seines Sohnes konzentrierte er sich hauptsächlich auf die Herstellung von Geschäftsbeziehungen, während der Cousin Adolf Schwarzschild und ein Juniorpartner das interne Geschäft des Bankhauses J.A. Schwarzschild Söhne übernahmen. 1911 heiratete er seine Cousine Else Sara Stern, 1915 kam ihre gemeinsame Tochter Elizabeth zur Welt. 1920 ließ sich Else Sara scheiden, da sie während der Abwesenheit ihres Mannes im 1. Weltkrieg einen anderen Mann schätzen gelernt hatte.

Familie Schwarzschild gehörte der Israelitischen Religionsgesellschaft Frankfurt am Main an, die vom Rabbiner Samson Raphael Hirsch 1853 gegründet worden war. Sie hatte sich von der „Einheitsgemeinde“, der Israelitischen Gemeinde Frankfurts, getrennt, in der sowohl liberale als auch orthodoxe Strömungen vertreten waren. Rabbiner Hirsch stand dagegen für eine kulturoffene Orthodoxie, in der sich religiöse Tradition, moderne Bildung und deutscher Patriotismus miteinander verbanden.

Der Großvater mütterlicherseits, Joel Hepner (1872-1938), stammte ursprünglich aus Bialystok. Als junger Mann wurde er als bester Yeshivaschüler an Rabbi Baruch Essmann nach Kiew vermittelt, der für seine Tochter einen würdigen Mann suchte. Aus der Ehe mit Poline Essmann (1867-1925) gingen drei Kinder hervor: Salomon (1893-1943), Fanny (1895-1943) und Sonia Sofia (1900-1950). Joel Hepner war zwar ordinierter Rabbi, praktizierte in Kiew dann aber nicht. Stattdessen war er im Zuckerrübengeschäft und als Eisenbahnfabrikant tätig, insgesamt brachte er es zu großem Wohlstand. Im Zuge der russischen Revolution, vermutlich kurz vor der Besetzung von Kiew durch die Rote Armee im Februar 1918, zog die Familie zunächst von Kiew nach Odessa.1920 floh sie mit dem Schiff nach Istanbul, dann weiter nach Rom.

Hier heirateten Jack Schwarzschild und Sonia Sofia Hepner am 26.12.1920, sowohl standesamtlich, als auch nach jüdischem Ritus. Die beiden fanden zueinander, weil ihre Väter sich bereits persönlich von früheren Bankgeschäften während der Kuraufenthalte der Hepners in Bad Homburg kannten. Letztlich arrangierte aber die frisch von Jack geschiedene Else Sara die Verbindung ihres Exmannes. Sie war auf der Hochzeitsreise mit ihrem zweiten Mann in Rom auf Familie Hepner gestoßen.

Während Sonia Sofia von Rom aus zu ihrem Mann nach Frankfurt zog, brach der Rest der Familie nach Berlin auf. Ab 1921 lebten nicht nur Joel Hepner, sondern auch fünf seiner Geschwister mit ihren Familien in Berlin.

Titel
Eine gute Zeit. Privilegierte Kindheit und Schuljahre in Frankfurt
Adresse

Bockenheimer Landstraße 79
60325 Frankfurt am Main
Deutschland

Geo Position
50.1189360954, 8.6599973823139
Stationsbeschreibung

Nach eigenen Aussagen verbrachte Robert Boris Schwarzschild eine sehr schöne und privilegierte Kindheit in Frankfurt. Im Alter von vier Jahren zog er mit seinen Eltern in eine sich über zwei Etagen erstreckende Wohnung in der Bockenheimer Landstraße. Hier sollte es an nichts fehlen. Mit finanzieller Unterstützung von Joel Hepner konnte sich die Familie ein gehobenes Leben leisten. Dazu zählten mehrere Angestellte, darunter ein jüdischer Koch, eine Haushaltshilfe, ein bayrischer Fahrer, der Mitglied der SS wurde, die Familie aber nicht verriet; außerdem ein Kindermädchen namens Anna, das aus dem Schwarzwald stammte und den 10-jährigen Robert Boris einmal mit an den Bodensee nahm. Auch ein Schäferhund namens Barry gehörte zur Familie.

Mit sechs Jahren kam Robert Boris an die Samson-Raphael-Hirsch-Schule, die zur Israelitischen Religionsgesellschaft Frankfurt gehörte. Basis der Lehre bildete ein ausgewogenes Verhältnis von jüdischen und profanen Fächern. Deren Vereinigung und Durchdringung war oberstes Prinzip. Jungen und Mädchen hatten strikt getrennte Klassen. Zum täglichen Unterricht, außer samstags, fuhr Robert Boris mit der Straßenbahn, da die Schule am anderen Ende der Stadt lag. Im Alter von 11 Jahren trat er in das Goethe Gymnasium im Westend über.

Beide Großväter scheinen im Leben von Robert Boris eine wesentliche Rolle gespielt zu haben.

Mit Großvater Alfred Schwarzschild ging der Junge am Freitagabend in die Synagoge an der Friedberger Anlage. Anschließend wurde in dessen Haus gemeinsam mit den Hackenbrochs und ihren drei Töchtern gegessen. Am Samstag gingen sie erneut in die Synagoge und nach einer kleinen shi`ur (Unterrichtsstunde) besuchten sie verschiedene Tanten in der Nähe. Bei diesen wurden kleine Häppchen verzehrt, ehe man wieder nachhause ging. Großvaters Haus hatte eine Besonderheit, nämlich eine permanente Laubhütte (Sukka). Sie war fest in seinem Garten errichtet und ihr Dach konnte geöffnet werden. Gewöhnlich sammelten die Kinder nach Jom Kippur Kastanien und hängten sie hier an Schnüren auf.

Der in Berlin lebende Großvater Joel Hepner war für die Ferien und den Zusammenhalt seiner russischen Familie zuständig. Zu Pessach und hohen jüdischen Feiertagen organisierte er vornehme Hotels für sich, seine drei Kinder und Enkel. Sie trafen sich in Meran und Lugano, im Winter in St. Moritz, ab 1933 in Cannes und Paris. Den drei Enkeln spendierte er auch Ferien an der Ostsee, in denen sie nur von der Kinderfrau begleitet wurden. Durch diese gemeinsamen Ferienaufenthalte hatte Robert Boris zu seinem Cousin Georg, Sohn von Salomon Hepner und seiner Cousine Tamara, Tochter von Fanny Siew-Hepner, beide fast gleichaltrig, eine enge Beziehung.

Titel
Gefährdetes Glück. Leben in Schweizer Internaten
Adresse

Chem. de Rovéréaz 20
1012 Lausanne
Schweiz

Adressbeschreibung
Ecole Nouvelle de Chailly
Geo Position
46.527165854978, 6.6547463263523
Stationsbeschreibung

Schon kurz nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, Ende Januar 1933, begann sich das Leben der Familie Schwarzschild zu verändern. 

Jules Hepner verließ schon im Februar mehr oder minder überstürzt Berlin Richtung Cannes. Im März feierte die ganze Familie nochmals gemeinsam Pessach an der Cote d`Azur. Danach blieben die Erwachsenen noch einige Wochen in Südfrankreich, völlig verunsichert, wie sie sich weiter verhalten sollten. 

Robert Boris und sein Cousin Georg wurden als Zwischenlösung auf die jüdische Schule Asher von Bex les Bains/Schweiz geschickt. Boris kehrte zwei Monate später mit seiner Mutter wieder nach Frankfurt zurück, Georg blieb ein halbes Jahr, bis die ganze Berliner Familie nach Paris übersiedelt war. 

Auch in Frankfurt war nichts mehr wie vorher: Die große Wohnung wurde geteilt, der jüdische Koch wanderte nach Palästina aus, der Butler kündigte. Immerhin konnte Robert Boris zunächst weiterhin auf das Goethegymnasium gehen, und gelegentlich sogar seinen Großvater in Paris besuchen.

Im Frühjahr 1935 wurde seine Mutter aber gebeten, ihn aus dem Gymnasium zu nehmen, da Juden nicht mehr erwünscht waren. Die Klassenkameraden hatten auch zunehmend Angst davor, nur mit ihm zu sprechen. 

Daraufhin schickte ihn seine Mutter auf die École Nouvelle de Chailly in Lausanne /Schweiz, die ein Internat nur für Jungen sowie gemischtgeschlechtlichen Unterricht anbot. Hier lernte Robert Boris Französisch, und wie er sich selber ausdrückte, „vieles über die Schweiz“. Da er koscher essen wollte, ging er täglich zu den Mahlzeiten in eine jüdische Mädchenschule. Auch am Freitagabend fand er sich dort ein. 

An Ostern 1937 bekam Robert Boris während der Rückreise von seinem Großvater in Paris Ärger mit der Gestapo wegen seines Reisepasses. Die Mutter konnte das Problem zwar beheben, erkannte aber, dass die Zeit reif war, das Land zu verlassen. 

Jack Schwarzschild versuchte mittlerweile, allerdings wenig erfolgreich, seine kleine Bank zu verkaufen, sowie eine Anstellung in Paris oder London zu finden. 
Auch die weitere Frankfurter Familie befand sich in Auflösung: Der Großvater Alfred Schwarzschild war bereits 1936 bei einem Autounfall gestorben, sein Schwiegersohn, der Kunsthändler Zacharias Max Hackenbroch, nahm sich 1937 das Leben. Seine Frau Clementine bereitete daraufhin ebenfalls die Emigration nach London vor.

Titel
Emigration nach England. Rugby School, Warwickshire
Adresse

Kilbracken House 9, Barby Road
Rugby
CV22 5DX
Vereinigtes Königreich

Geo Position
52.366328899702, -1.2607088157452
Stationsbeschreibung

Robert Boris findige Mutter arrangierte mithilfe des in London lebenden Percy Schwarzschild, ein Cousin ihres Mannes, ein Treffen der Direktoren der École Nouvelle und der Rugby School. Während einer Konferenz in Genf kamen beide überein, Robert Boris an das englische Internat zu transferieren, obwohl er das Aufnahmealter dafür bereits um zwei Jahre überschritten hatte.

Für die Aufnahme auf ein englisches Gymnasium besonders problematisch war, dass er die Landessprache nicht beherrschte. Unmittelbar nach der Ankunft in England im Sommer 1937 besuchte er daher für einige Wochen eine Mädchenschule in Kent, an der ihn eine Tante von Bekannten im Englischen unterrichtete. Auch nach dem Übertritt in die Rugby School waren seine Sprachkenntnisse noch ungenügend. Ein freundlicher Lehrer half ihm aber über die Angangsschwierigkeiten hinweg, indem er ihn mit einem Klassenkameraden lernen ließ, der sehr gut französisch sprach. Letztlich sollte er zwei Jahre im idyllisch gelegenen Kilbracken House verbringen, dem Knabeninternat der traditionsreichen, 1841 gegründeten Bildungsstätte. Sie existiert heute noch.

Robert Boris war in dieser Zeit ganz auf sich gestellt, da er als erster der Familie nach England auswanderte. Von seinen Eltern sah er in den zwei Jahren auf dem Internat in Rugby relativ wenig. In seinen biographischen Aufzeichnungen vermerkt er aber, dass ihn sein Vater und Percy Schwarzschild einmal besucht hätten. Jack Schwarzschild war erst Ende 1937 nach London übergesiedelt, nachdem er endlich eine halbwegs annehmbare Stelle im Finanzsektor gefunden hatte. Die Mutter war zunächst zu ihrem Vater nach Paris gezogen, wo sie auch nach dessen Tod 1938 noch blieb. Erst einen Tag vor Kriegsbeginn Anfang September 1939 kam sie auf Bitten ihres Mannes nach London. Hier hatte sich mittlerweile auch die gerade geschiedene Ehefrau ihres Bruders Salomon mit ihrem Sohn Georg eingefunden.

Nach Abschluss der Schule im Sommer 1939 fand Robert Boris nach mehreren Anläufen eine Arbeit in einer Firma von Rechnungsprüfern in London. Das Leben in London blieb aber provisorisch: In Ermangelung eines längerfristigen Mietvertrages mussten er und seine Familie häufig den Wohnsitz wechseln.

Ab 25. Juni 1940 wurden alle Deutschen in Folge des Kriegseintritts unterschiedslos als enemy aliens interniert. Robert Boris und seinen Vater brachte man zuerst in eine Londoner Polizeistation, dann nach Kempton Park, eine Pferderennbahn südwestlich von London. Nach einem anschließenden Aufenthalt in einem Zeltlager wurden die Internierten in festen Gebäuden an der Yorker Rennbahn untergebracht. Nach acht Wochen durfte sich Robert Boris als Freiwilliger zum Pioneer Corps melden. Auf seinem Weg von York zum Einberufungszentrum in Ilfracombe konnte er nochmals kurz seine Mutter am Londoner Bahnhof treffen. Der Vater Jack Schwarzschild wurde eine Woche später aus der Internierung entlassen.

Titel
Als Enemy Alien beim Militär im Vereinigten Königreich
Adresse

Ilfracombe
Devon
EX34 8EU
Vereinigtes Königreich

Geo Position
51.198794801095, -4.1236487192169
Stationsbeschreibung

Nach Ankunft in der Einberufungsstelle von Ilfracombe im Herbst 1940 wurde Robert Boris Schwarzschild als Freiwilliger beim Pioneer Corps aufgenommen.

In Ilfracombe stießen ca. 3000 Juden aus Deutschland und Österreich aufeinander, die vor den Nationalsozialisten geflohen waren. Überwiegend waren es Intellektuelle, viele hatten in ihren Heimatländern bereits akademische Berufe ausgeführt. Sie gründeten hier ihr eigenes Orchester, ein kleines Theater, sowie eine Art Miniuniversität, an der sie in ihrer Freizeit Vorträge und Seminare abhielten. Die militärische Einheit Auxiliary Military Pioneer Corps (AMPC) war die einzige Formation der britischen Armee, zu der Enemy Aliens, d. h. aus verfeindeten Ländern stammende Männer, Zugang fanden. Zu Kriegsbeginn durften sie keine Waffen tragen und nicht außerhalb der Grenzen des Vereinigten Königreichs eingesetzt werden. Außerdem waren sie vom Offiziersrang ausgeschlossen. Ihre Arbeiten umfassten eine große Bandbreite, von Brückenbauen und Errichtung von Armeelagern über Ausschachtarbeiten, Brandschutzaufgaben, Verladearbeiten und Nachschubversorgung.

Nach einer Grundausbildung arbeitete Robert Boris zunächst zusammen mit australischen und neuseeländischen Verbündeten in einem Holzfäller-Trupp, wobei er beim Transport der Stämme zum Sägewerk eingesetzt wurde.

1942 wurde er zum Royal Army Service Corps (RASC ) nach Lichfield versetzt, wo er eine Ausbildung zum Angestellten für technisch-mechanisches Transportwesen erhielt. Hierbei erwarb er Kenntnisse über Motoren, Werkzeuge, Ersatzteile, Schmier- und Kraftstoffe, außerdem schrieb er im Büro Inventare oder Inspektionslisten für Lastwagen. In den folgenden zwei Jahren war er an verschiedenen Orten stationiert, sein Arbeitsgebiet im Bereich motorisierter Transport änderte sich aber nicht.

Von seinen Kameraden in dieser Zeit beim Militär berichtet Robert Boris in seinen Lebenserinnerungen fast nichts, außer, dass er während der jüdischen Feiertage in Kontakt mit Angehörigen der polnischen Armee gekommen war, die sich häufig über Antisemitismus in ihrer Einheit beklagten.

Die Wochenenden konnte er öfters bei seinen Eltern in London verbringen. Sie hatten aber immer noch keine feste Bleibe gefunden und waren daher gezwungen, häufiger den Wohnort zu wechseln. Die Mutter Sonia arbeitete inzwischen für die Jewish Agency, gelegentlich wurde sie auch wegen ihrer Russischkenntnisse von örtlichen Behörden herangezogen. Sie schaffte es auch, Visa für ihren Bruder Salomon Hepner, ihre Schwester Fanny und deren Ehemann Leo Ettinger, sowie deren Tochter Tamara, zu besorgen. Im letzten Augenblick vor ihrer geplanten Ausreise in die USA, auf dem Weg nach Marseille, wurden beide Geschwister und der Schwager aber festgenommen und in das Durchgangslager in Drancy verbracht. Im März 1943 fanden sie den Tod in Ausschwitz. Nur Tamara, die in der unbesetzten Zone verblieben war, konnte sich retten.

Der nach eigenen Aussagen folgenreichste Moment im Leben von R.B. Schwarzschild ereignete sich gleich zu Beginn seiner militärischen Laufbahn. Durch die Impfung mit einer unsauberen Spritze zog er sich eine Hepatitis zu, deren Auswirkungen ihn lebenslang beeinträchtigen sollten.

Titel
Mit den Alliierten am Juno-Beach
Adresse

220 Prom. des Français
14990 Bernières-sur-Mer
Frankreich

Geo Position
49.33556163962, -0.41979063121059
Stationsbeschreibung

Mit Eintritt in eine neu gebildete Einheit, der 586th Army Field Company in Three Bridges, wechselte Robert Boris seinen Nachnamen von Schwarzschild zu Shields. Die Armee hatte ihre jüdischen Soldaten vor dem Kriegseinsatz in Übersee dazu aufgefordert, ihre jüdischen Namen abzulegen und stellte ihnen bereitwillig neue Pässe aus, als notwendigen Schutz für den Fall, dass sie in deutsche Gefangenschaft geraten sollten.

Robert Boris Shields landete mit seiner Einheit in einem Konvoi von Panzerlandungsbooten 27 Tage nach dem D-Day am Juno-Beach. Die Bezeichnung dieses Strandabschnittes in der Normandie geht auf den Operationsnamen für die kanadischen Alliierten zurück, die am 6. Juni 1944 hier bei Berniéres-sur-Mer landeten.

Die Aufgabe seiner Kompanie war die Versorgung der Truppen mit Nachschub vom Hafen an die vorrückende Front. Robert Boris speziell war als „Parts man“ für die Ersatzteile von Fahrzeugen zuständig.

Die britischen Soldaten kamen bei ihrem Vormarsch in die Normandie zunächst nur langsam voran, da die deutschen Truppen immer noch eine Überlegenheit an Panzern und Ausrüstung hatten. Mitte August sollte sich das Blatt aber wenden: In der Schlacht von Falaise, der größten Panzerschlacht an der Westfront, gelang es den Alliierten, die deutschen Truppen einzukesseln, was auf deren Seite zu großen Verlusten an Gerät und Menschen führte. Nach der Schlacht entfernte sich Robert Boris Shields unerlaubt zu lange von seiner Truppe, um das Schlachtfeld zu besichtigen. Das sollte er mit dem Verlust seiner Offiziersstreifen büßen.

Auf dem Weg an die belgisch-holländische Grenze passierte die Kompanie Brüssel, das seit Anfang September befreit war. Ende des Monats bekamen die in Overpelt stationierten jüdischen Soldaten die Erlaubnis, nach Brüssel zurückzufahren, um dort Yom Kippur zu feiern. Robert Boris konnte auch durch Nachfragen in der Synagoge einige Verwandte mütterlicherseits ausfindig machen, die versteckt in einem Kloster überlebt hatten.

In Vorbereitung der Frühjahrsoffensive 1945 wurde seine militärische Einheit aufgelöst und Robert Boris einem Zug einer Transportkompanie zugeteilt. Von nun an war er Fahrer.

Titel
Wieder in Deutschland
Adresse

Steinweg 78
52222 Stolberg
Deutschland

Geo Position
50.76940980508, 6.2313222127591
Titel
Rückkehr nach London im August 1946
Adresse

36 Gurney Drive, (Hampstead Garden Suburb)
London
N2 0DE
Vereinigtes Königreich

Geo Position
51.585967529606, -0.17576637344866
Stationsbeschreibung

Robert Boris Shields Rückkehr nach England war von Krankheit überschattet. Schon während des Militärdienstes hatte er wegen der 1939 erworbenen Hepatitis häufiger mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Da ihm daran lag, aktiv am Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland teilzunehmen, hatte er erfolgreich versucht, sie weitestgehend zu ignorieren. Leider konnte Robert Boris auch in London nicht allzu viel für seine Gesundheit tun. Die Versorgung mit Lebensmitteln war nicht so gut, dass er eine passende Diät einhalten konnte.

Die Firma, bei der Robert Boris vor dem Krieg eine Ausbildung begonnen hatte, konnte ihn nicht mehr einstellen. Durch Vermittlung des Vaters bekam er aber eine vierjährige Ausbildung bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Spicer&Pegler, die ihren Firmensitz heute in Dubai hat. Als Chartered Accountant (Wirtschaftsprüfer) erhielt er seine erste Anstellung bei der renommierten Firma Turquard, Youngs and Company, wo er hauptsächlich amerikanische Kunden betreute.

In Robert Boris Shields reifte der Wunsch, mithilfe dieser Firma in die USA oder lieber noch nach Brasilien auszuwandern. Obwohl er seit Dezember 1942 britischer Staatsbürger war, hielt ihn offenbar nichts mehr in London: Die geliebte Mutter war 1950 gestorben, das Verhältnis zum Vater war äußerst gespannt. Mittlerweile hatte er zwar nach einem passenden jüdischen Mädchen Ausschau gehalten. Mit Elizabeth Ullmann, einer jungen Frau aus dem Bekanntenkreis des Vaters, die an der Universität von Hull studierte, war er an den Wochenenden ein paar Mal ausgegangen. Sie hielt ihn aber offenbar nicht von seinen Plänen ab, nach Übersee zu emigrieren.

Titel
Der ersehnte Neuanfang. Emigration nach Kanada
Adresse

Van Horne Avenue
Montreal Québec H3S 1P6
Kanada

Geo Position
45.508056524112, -73.625559473686
Stationsbeschreibung

Am 24. Juni 1952 kam Robert Boris Shields mit einem Handelsschiff, auf dem er nur seine Verpflegung, nicht aber die Passage zahlen musste, in Quebec, Kanada an. Da ein Bekannter empfahl, besser an die wesentlich modernere Ostküste zu ziehen, außerdem einige ferne Verwandte dort lebten, entschied sich Robert Boris Shields für Montreal. Sofort suchte er Arbeit, was sich aber als sehr schwierig gestaltete. Die erste Stelle, auf die er sich bewarb, erhielt er explizit nicht, weil er Jude war. So hörte er sich nur noch in jüdischen Firmen um, und fand schließlich eine befristete Anstellung.

Als Neuankömmling in Kanada bewegte sich Robert Boris Shields offenbar überwiegend unter jüdischen Immigranten: Bei einer deutschen Witwe, die gleichfalls aus London nach Kanada emigriert war, fand er ein Zimmer in der Van Horne Avenue. Sie starb aber schon einige Monate später, und hinterließ einen erst 7-jährigen Sohn. Um diesen Waisen, Robert Chenciner, kümmerte sich Robert Boris rührend und blieb mit ihm zeitlebens befreundet. Ein früherer Richter aus Köln, der mittlerweile Wirtschaftsprüfer in Kanada geworden war, beriet Robert Boris in Arbeitsfragen. Er gab den Hinweis, dass die Bedingungen für die Anerkennung seines Examens in Toronto wesentlich besser wären. Daher beschloss R.B. Shields, zukünftig sein Glück in Toronto zu versuchen.

Vor dem geplanten Umzug kehrte er an Weihnachten 1953 aber nochmals nach England zurück, da ihm die kanadischen Mädchen anscheinend nicht gefielen. Unter den britischen Mädchen, die er kannte, entschied er sich für Elizabeth Ullmann, und bat sie, nach Kanada zu kommen. Sie stimmte dem auch zu, wollte vorher aber ihr Studium zum Psychiatric Social Worker an der Universität von Manchester beenden.

Nach der Rückkehr nach Montreal war die erneute Arbeitssuche nicht einfacher geworden und Robert Boris Shields musste verschiedene Jobs annehmen, z.B. als Uhrenverkäufer oder Sturmfensterbauer, bevor er im März 1954 nach Toronto übersiedelte.

Titel
Eine eigene Familie und der langsame Weg zum Erfolg
Adresse

905 Avenue Road
Toronto Ontario M5P2K7
Kanada

Geo Position
43.700983283133, -79.406594760258
Stationsbeschreibung

In Toronto angekommen, lebte Robert Boris Shields anfangs bei einer ukrainischen Familie zur Untermiete. Für einige Wochen fand er Arbeit bei einem Wirtschaftsprüfer, danach versuchte er, seine eigenen Klienten zu finden.

Im September 1954 kam Elizabeth Ullmann an, die zunächst getrennt ein Zimmer bezog. Ein Jahr später fand dann die Hochzeit statt, auf Wunsch des Brautvaters in London. Zur Hochzeitsreise ging es nach Paris und weiter an die Loireschlösser.

Das frisch gebackene Ehepaar lebte zunächst in einer gemieteten Wohnung in Toronto 905 Avenue Road. Schon ein Jahr später kaufte es sich aber ein eigenes Haus in einem Neubauviertel in Don Mills, einem Vorort von Toronto. Nun waren die Voraussetzungen für eine Familiengründung geschaffen: 1958 wurde der Sohn Danny, 1962 die Tochter Sonia geboren.

Elizabeth Shields hatte nach ihrer Übersiedlung schnell eine Arbeit im kanadischen Gesundheitswesen gefunden. Sie war in vielen Bereichen tätig, arbeitete jahrelang mit Menschen mit Down-Syndrom und in der Palliativversorgung.

Robert Boris Shields, der immer noch eine angeschlagene Gesundheit hatte, fand schließlich Klienten über das deutsche Konsulat in Toronto, außerdem arbeitete er für einen ungarischen Banker und für Rudolf Frastacky, einen slowakischen Exminister, der während des zweiten Weltkrieges im Widerstand aktiv und 1948 nach Toronto geflohen war. Als die Tätigkeit für diese beiden Geschäftsmänner über Hand nahm, suchte sich R.B. Shields einen Partner. 1962 gründete er mit dem ungarischen Ökonom Andrew Hayos, der gerade sein CA-Examen in Kanada abgeschlossen hatte, die erste Firma: Shields&Hayos. 1972 schaute sich Robert Boris Shields nach einem weiteren Partner um. Schließlich stellte er einen Kollegen mit deutschen Wurzeln ein, der hauptsächlich deutsche Klienten mitbrachte. Da auch Andrew Hayos immer weiter expandierte und sich mit anderen Büros verband, war eine Veränderung der Firmenstruktur unausweichlich. Das nun vergrößerte Unternehmen Andrew Hayos and Associates schloss sich1982 mit der bekannten Firma Samson, Belair aus Montreal zusammen, um diese in Toronto zu vertreten. Als dann zwei Jahre später die nächste Fusion erfolgte, diesmal mit Deloitte Haskins und Sells, wurde R.B. Shields mit 62 Jahren in den Ruhestand geschickt.

Danach war er noch ehrenamtlich tätig: 5 Jahre als Schatzmeister einer Foundation, die straffälligen Frauen half, sowie 1 weiteres Jahr als deren Direktor.

Robert Boris Shields lebte noch Jahrzehnte im Kreis seiner Familie, ehe er beim gemeinsamen Mal an Sabbat zusammenbrach. Am 15.2.2014 verstarb er nach einem langen und erfüllten Leben.

Den Nachruf verfasste Robert Chenciner, der Waisenknabe aus Montreal, um den sich der Verstorbene 1952 fürsorglich gekümmert hatte. Er beschreibt den Verstorben als zurückhaltend, fast schüchtern, aber mit schrägem Humor, bescheiden, weltoffen und glücklich in seiner Familie.

„In vielerlei Hinsicht war er typisch für die Frankfurter Juden der Vorkriegszeit, die zwar völlig assimiliert waren, aber dennoch ihre Religion voll und ganz praktizierten. Sein Leben spiegelt das wesentliche Prinzip seiner Religion wider, dass der Mensch alle seine Talente nutzen soll, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, bescheiden aber entschlossen, und immer auf zivilisierte Art.“

Sterbedatum
14.02.2014
Sterbeort
Toronto/ Kanada

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Autor
Jutta Fischer
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