Cicerostraße 60
10709 Berlin
Deutschland
Hier befand sich Martha Mosses letzte Wohnadresse
Martha Mosse wurde 1884 in Berlin geboren und verbrachte ihre ersten Lebensjahre in Japan und Königsberg.
Als die angesehene jüdische Familie wieder nach Berlin zog, besuchte Martha als Gasthörerin juristische Vorlesungen in Heidelberg und Berlin. Obwohl sie kein Abitur hatte (das war für Mädchen damals noch nicht möglich), wurde ihr in Heidelberg die Promotion gestattet. 1920/1921 hospitierte sie als Rechtsreferendarin am Amtsgericht Berlin-Schöneberg und arbeitete im Anschluss als juristische Hilfskraft im Preußischen Wohlfahrtsministerium.
Seit den 1920er-Jahren engagierte sich Martha neben ihrer Berufstätigkeit in der Frauenbewegung, in der sie bis zu ihrem Tod aktiv war. 1922 wurde sie als eine der ersten Frauen in das Berliner Polizeipräsidium berufen. Sie hatte die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen zum Schutz von Kindern in Theater- und Filmproduktionen zu überwachen. 1926 wurde Martha verbeamtet und wurde damit zur ersten Polizeirätin Preußens. 1933 wurde sie als Staatsbeamtin in der Abteilung für Theater und Kunst eingesetzt und einen Monat später aufgrund ihrer jüdischen Herkunft mit sofortiger Wirkung entlassen.
Von 1934 bis 1943 arbeitete sie hauptberuflich in der Jüdischen Gemeinde Berlin und leitete ab 1939 die Wohnungsberatungsstelle. War ihre Aufgabe zuerst die Umquartierung jüdischer Familien in sogenannte „Judenhäuser“, musste sie später auch Deportationen zusammenstellen. 1943 wurde sie selbst in das KZ Theresienstadt deportiert, wo sie zur Untersuchungsrichterin der jüdischen Selbstverwaltung bestimmt wurde. Sie führte ihre eigene Deportation darauf zurück, dass sie der Gestapo mit ihren Bitten, andere Juden von der Deportation zurückzustellen, lästig geworden sei. Im Sommer 1945 kehrte Martha nach Berlin zu ihrer Lebenspartnerin Erna Stock zurück. Sie lehnte eine mögliche Auswanderung in die USA ab, da ihre Partnerin keinen Erlaubnisschein zur Emigration erhielt. Zunächst war sie als Justizrätin in der Kriminalabteilung tätig, doch musste sie dieses Amt auf Anweisung der russischen Besatzungsmacht aufgeben. 1946/47 arbeitete sie Akten für die Nürnberger Prozesse auf. Auch diese Stelle verlor sie, da ihr vorgeworfen wurde, mit der Gestapo kollaboriert zu haben. Die Alliierten entlasteten sie als ein Opfer des Faschismus. In einem Ehrengerichtsverfahren der Jüdischen Gemeinde stellte sie sich erneut den Anschuldigungen. Sie wurde rehabilitiert, da viele Betroffene nach dem Krieg aussagten, dass sie Menschen, die von geplanten Umsiedlungen betroffen waren, gewarnt und ihnen damit die Flucht ermöglicht habe. Danach arbeitete sie als Beraterin und Übersetzerin für die amerikanische Militärregierung in Vorbereitung der Nürnberger Prozesse und kehrte im Anschluss als Justiziarin wieder zur Berliner Polizei zurück. 1953 ging sie mit 69 Jahren in den Ruhestand. Von nun an engagierte sie sich für die Altershilfe im Berliner Frauenbund.
1977 starb sie 93-jährig in Berlin.
Autorin: Gisela Lehmeier
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