Jüdisches Leben zwischen Mittelalter und Gegenwart
Quellenfest nachweisbar wurde in München in den Jahren 1380/81 eine Synagoge in der „Judengasse“ errichtet, der späteren Gruftgasse – auf dem Areal des heutigen Marienhofes. Sie gilt daher als die nachweislich älteste Synagoge in München. Am 9. November 2003 fand am St. Jakobs-Platz die Grundsteinlegung für eine neue Hauptsynagoge statt und auf dem Tag exakt drei Jahre später wurde diese eingeweiht.
Dazwischen liegen mehr als sechs Jahrhunderte jüdischen Lebens in München mit wechselhafter Geschichte.
Der Stadtspaziergang beginnt an der „Synagoge der Ostjuden“ in der Reichenbachstraße, die 1930 errichtet wurde und führt zunächst durch die Münchner Innenstadt zu den Orten einer mehr als 600-jährigen jüdischen Geschichte. An manchen Orten, wie am Marienhof hinter dem Münchner Rathaus, sind deren Anfänge kaum mehr zu erahnen, an anderen, wie am St. Jakobsplatz ist mit dem Jüdischen Zentrum aktuelles jüdisches Leben erfahrbar.
Hier und da wird auf eine einst blühende jüdische Geschäftswelt hingewiesen, wie sie vor der Shoa in München existierte. So zum Beispiel am Münchner Stadtmuseums, an dessen Fassade heute eine blaue Leuchtschrift auf den einstigen Standort vom „Kaufhaus Uhlfelder“ hinweist.
Weiter führt die Tour zu Orten, an denen jüdische Verfolgungsgeschichte stattgefunden hat und gleichzeitig der Lebenswille der Verfolgten. So wurden in der Jüdischen Volksschule Kinder unterrichtet, die auf keine andere Münchner Schule mehr gehen durften.
An der Jüdischen Lehrwerkstatt erhielten bis zu deren Schließung im Jahr 1941 rund 100 jüdische Jugendliche aus ganz Deutschland eine Ausbildung, die auch Fremdsprachen umfasste und sie auf die Emigration nach Palästina vorbereitete. Und im jüdischen Kulturbund fanden auch dann noch kulturelle Veranstaltungen statt, als es jüdischen Menschen längst verboten war, die öffentlichen Theater, Opern- und Konzerthäuser Münchens zu besuchen. Wer die Spiritualität jüdischer Friedhöfe sucht, wird in Schwabing und in Sendling fündig.
Für die Wegstrecken zwischen Station 9 und 10 sowie zwischen den Stationen 11 bis 14 empfiehlt es sich jeweils öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.
Reichenbachstr. 27
80469 München
Deutschland
Reichenbachstr. 27
80469 München
Deutschland
Das Synagogengebäude im Hinterhof war im Jahr 1930 von dem damals erst 30jährigen Architekten Gustav Meyerstein entworfen worden. Ihm war es gelungen, im beengten Hinterhof der Reichenbachstr. 27 einen großzügig wirkenden Sakralbau zu realisieren. Auftraggeber waren die Betvereine Linath Hazedek und Agudas Achim, denen fast ausschließlich ostjüdische Einwanderer angehörten. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts waren sie vor antisemitischen Verfolgungen in ihren Heimatländern Russland, Polen und Ukraine nach München geflohen. Rund um den Gärtnerplatz entstand ein lebendiges Viertel mit Kleinbetrieben und Handwerk. Die Planung eines Synagogenneubaus war angesichts von Weltwirtschaftskrise und wachsendem Antisemitismus ein beachtenswertes Unternehmen. Am 5. September 1931 war die feierliche Eröffnung. Die ostjüdischen Beter nannten ihre neue Synagoge damals Reichenbachschul – abgeleitet vom jiddischen Wort Schul für Synagoge.
Am Tag vor der Eröffnung beschreibt die Zeitung „Das Jüdische Echo“ die neue Synagoge so: „Der große Betraum wirkt schon beim Betreten durch die beherrschende Lichtführung. Der Blick wird gefesselt von der in sattem Gelb strahlenden Marmorverkleidung der großen Nische. Der türkisblaue Ton der Wände steht hierzu in einem angenehmen Farbkontrast, der durch die cremefarbene Decke und die gleichgetönte weit hereinragende Brüstung der Frauenempore überbrückt wird. Einen besonderen Schmuck erhält der Saal durch die in wirksamen zarten Farben gehaltenen Glasfenster.“
In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Synagoge von SA-Verbänden verwüstet. Ein Anzünden des Gebäudes unterblieb, nachdem die Münchner Feuerwehr vor einem Übergreifen der Flammen auf Nachbargebäude gewarnt hatte. In der Folgezeit wurde der entweihte Sakralbau als Werkstatt und Lager zweckentfremdet.
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur wurde das Gebäude als einzige in München erhaltene Synagoge von Shoa-Überlebenden notdürftig instandgesetzt. Allerdings wurde auf diese Weise der Sakralraum stark verändert und somit dem einstigen Anspruch des Architekten Meyerstein, entsprechend den Ideen der „Neuen Sachlichkeit“, nicht mehr gerecht.
Bis zur Eröffnung der neuen Ohel-Jakob-Synagoge am 9. November 2006 diente die in der Reichenbachstraße als das Zentrum jüdischen-religiösen Lebens in München. Danach hatte sich die unabhängige liberale jüdische Gemeinde Beth Shalom darum bemüht, die Synagoge zu übernehmen. Dazu aber kam es nicht. Derzeit steht die Synagoge leer und ist dem Verfall ausgesetzt. Der Verein „Synagoge Reichenbachstraße e.V.“ hat es zu seinem Ziel erklärt, „dieses einzigartige architektonische Baudenkmal zu erhalten, es in seiner Urfassung wiederherzustellen und seine ursprüngliche, ästhetisch reizvolle Gestaltung wiederaufleben zu lassen“.
Rosental 9
80331 München
Deutschland
Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1878 vom Kaufmann Heinrich Uhlfelder (1853-1928) zunächst als Geschäft für Haushaltsgegenstände und Galanteriewaren. Dabei hatte man die unteren bis mittleren Einkommensschichten im Blick. Gern kaufte auch die oberbayerische Landbevölkerung aus dem Umkreis von München „beim Uhlfelder“. In den nächsten Jahren vergrößerte das Handelsgeschäft seine Verkaufsfläche durch Ankauf angrenzender Immobilien. Das bald zum respektablen Kaufhaus avancierte Unternehmen umfasste neben dem Rosental auch den Häuserblock am Oberanger und das Grundstück am Jakobsplatz 3. Im Jahre 1924 war Heinrich Uhlfelder für sein soziales Engagement zum Kommerzienrat ernannt worden. Als nach dem Tod des Firmengründers das Unternehmen auf dessen Sohn Max überging, betrug die Verkaufs- und Lagerfläche 7000 Quadratmeter, der jährliche Umsatz erreichte Anfang der 1930er Jahre die Zehnmillionen-Marke. Inzwischen waren rund 1000 Angestellte im Kaufhaus Uhlfelder beschäftigt. Im Jahr 1931 wurde die erste Rolltreppe Münchens eingebaut, die sich über drei Etagen erstreckte und eine besondere Attraktion darstellte.
Schon seit den frühen 1920er Jahren hatten die Münchner Nationalsozialist*innen die jüdische Bevölkerung und deren Betriebe bekämpft. Mit der Machtergreifung der NSDAP im Januar 1933 begann der langsame Untergang jüdischer Unternehmen – auch der des Kaufhauses Uhlfelder. Bereits im März des Jahres 1933 waren 280 jüdische Männer in München als „Schutzhäftlinge“ festgenommen worden – darunter Max Uhlfelder. Am 1. April 1933 liefen SA-Leute in einer inszenierten „Demonstration“ vor dem Kaufhaus auf und bedrohten die kaufwillige Kundschaft. Bei den sich ab 1935 immer mehr verschärfenden Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung, nahm München als selbsternannte „Hauptstadt der Bewegung“ eine Vorreiterrolle ein. In der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 wurde das Kaufhaus Uhlfelder geplündert und in Brand gesetzt. Eigentümer Max Uhlfelder und sein Sohn saßen zu diesem Zeitpunkt im KZ Dachau in Haft. Im Januar 1939 wurde deren Freilassung erwirkt und die Familie floh mit einem Visum nach Indien. Das gesamte Vermögen wurde eingezogen, weil damit angeblich die Kaufhauszerstörung bezahlt werden musste. Am Raubzug mittels der sogenannten „Arisierung“ waren viele beteiligt. Da war zunächst die Münchner „Arisierungsstelle“. Unter dem harmlosen Titel „Vermögensverwertung München GmbH“ betrieb der NS-Gauleiter Adolf Wagner über die Industrie- und Handelskammer die Liquidation des Kaufhauses Uhlfelder. Genehmigt wurde der Vorgang vom kommissarischen Reichwirtschaftsminister Hermann Göring. Münchens Oberbürgermeister Karl Fiehler übergab das Warenlager an lokale Einzelhändler. Die Grundstücke wurden der Löwenbräu AG übereignet – als Ersatz für den zwangsverkauften Bürgerbräukeller. Bei einem alliierten Luftangriff im Jahr 1944 wurden die Gebäude des Kaufhauses stark beschädigt.
Im Jahr 1953 kehrte Max Uhlfelder nach München zurück. In mehr als 100 sogenannter „Wiedergutmachungsverfahren“ erhielt er schließlich seine Grundstücke nach und nach wieder. Er verkaufte diese an die Stadt München, mit Ausnahme des Grundstücks Rosental 9 – dort wo sein Vater fast 80 Jahre zuvor das Geschäft für Haushaltsgegenstände und Galanteriewaren gegründet hatte. Im Jahr 1958 beschloss der Münchner Stadtrat für die übrigen Grundstücke einen Erweiterungsbau des Münchner Stadtmuseums, an dessen Fassade heute eine blaue Leuchtschrift auf den einstigen Standort vom „Kaufhaus Uhlfelder“ hinweist. An der Ecke Oberanger/Rosental erinnert eine Gedenktafel an den historischen Ort und die Geschichte des jüdischen Geschäfts.
Sendlinger Straße 86
80331 München
Deutschland
Das "Hut- und Putzgeschäft Heinrich Rothschild" wurde 1882 vom Namensgeber gegründet und seit 1936 von den Brüdern Otto und Joseph Rothschild geführt. Das Unternehmen war auf den Verkauf und die Herstellung von Damenhüten spezialisiert. Als der Verfolgungsdruck durch die Nazis zunahm, beschlossen die Brüder Rothschild im Oktober 1938, das Geschäft an vier ihrer Angestellten zu verkaufen. Doch durch die Ereignisse während und nach der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 kam es nicht mehr dazu. Die NS-Behörden hatten bereits die Liquidation der Firma durch ein "Münchner Revisions- und Treuhandbüro“ angeordnet. Es war vorgesehen, den Warenbestand zu Schleuderpreisen an den lokalen Großhandel zu verkaufen. Im Februar 1939 stimmte allerdings die Industrie- und Handelskammer auch dem Ladenverkauf an den Endverbraucher zu. Von diesen Erlösen sah die Familie Rothschild allerdings nichts. Auch das damalige Historische Museum der Stadt (heute Stadtmuseum München) profitierte von der erzwungenen Liquidation des Geschäfts. Es erstand 92 historische Hüte weit unter dem Marktpreis. Verantwortlich für diese Ankäufe war Konrad Schießl, der seit 1916 in leitender Position und seit 1935 offiziell als Direktor des Museums tätig war. Er nutzte schon seit 1933 die zunehmend schwieriger werdende Situation jüdischer Geschäftsleute aus, um günstig an Objekte für die Sammlung des Museums zu kommen.
Am 3. April 1940 gelang Otto Rothschild und seiner Frau Dora die Flucht nach New York. Joseph Rothschild flüchtete über Zürich in die USA und erreichte im Oktober 1946 ebenfalls New York. Seine Schwester Lilli Rosenthal, geborene Rothschild, die auch ein Damenhutgeschäft in München geleitet hatte, wurde 1941 nach Kaunas deportiert und dort am 25.11.1941 ermordet. Die zweite Schwester Adele Rothschild emigrierte nach England, wo sie 1940 verstarb.
Im Februar 1948 beantragten Otto und Joseph Rothschild die Rückgabe ihres geraubten Firmenvermögens. Erst mehr als zwei Jahrzehnte später konnte im Dezember 1969 vor der Wiedergutmachungskammer des Landgerichts München I ein Vergleich geschlossen werden. Den beiden Brüdern wurde für ihr Geschäft ein Schadensersatz in Höhe von lediglich 32.500 DM zugesprochen. Otto Rothschild erlebte diese Entscheidung nicht mehr. Er war bereits 1951 in New York gestorben.
Das Münchner Stadtmuseum hatte die Herkunft jener 92 historischer Hüte erforscht. Im Jahr 2016 konnten die Nachkommen von Otto Rothschild ausfindig gemacht werden, die heute in Großbritannien leben. Sie besuchten das Museum, um sich die Hüte anzusehen. Dann informierten sie Lillis Familienmitglieder und verstärkten ihre Bemühungen, Josephs Nachkommen zu finden. Seitdem sind die Familien von Otto, Lilli und Joseph wieder vereint. Die Familie hat gemeinsam mit dem Münchner Stadtmuseum eine faire und gerechte Lösung im Umgang mit den 92 Hüten entwickelt. Deren Wert wurde geschätzt und sie wurden vom Museum zurückgekauft. Das Museum engagiert sich für die Dokumentation der Familiengeschichte und hat in der Dauerausstellung „Nationalsozialismus in München“ eine Ergänzung zum Thema "Arisierung" eingefügt.
Weitere enteignete jüdische Einzelhandelsgeschäfte in München:
- Einrichtungs- und Kunsthaus Bernheimer, Lenbachplatz 3
- Textilkaufhaus Feuchtwanger, Humboldtstr. 23
- Zigarrenhandlung Ludwig Gruber, Odeonsplatz 17
- Modehaus Max Hinzelmann, Kaufingerstr. 32
- Kaufhaus Samuel Karfiol, Reichenbachstr. 6
- Spitzen- und Wäschegeschäft Rosa Klauber
- Musikhaus Sigmund Koch, Neuhauser Str. 50
- Stoffgeschäft Meyer & Lißmann, Weinstr. 14
- Briefmarkenhandel Jakob Littner, Prielmayerstr. 20
- Schuhwaren Alfred Rosenberger, Neuhauser Str. 28
- Uhren- und Juweliergeschäft Bernard Rothstein, Sendlinger Str. 21
- Galanteriewaren Adolf Salberg, Neuhauser Str. 30
- Uhren- und Goldgeschäft M. Silberthau & Co., Kaufingerstr. 10
- Schuhgeschäfte J. Speier, Weinstr. 11 / Kaufingerstr. 15
- Damenhutgeschäft J. Tauber, Rindermarkt 9
- Parfümerie Margarethe Weiß, Wurzererstr. 16
St. Jakobs-Platz 18
80331 München
Deutschland
), Buchendorfer Verlag, München 1999.
Aries Verlag, München 1988.
Lange hatte man nach einem zentralen Bauplatz für eine neue Hauptsynagoge gesucht, ehe die bayerische Landeshauptstadt den schmucklosen Parkplatz St. Jakob am Anger im Erbbaurecht zur Verfügung stellte. Am 9. November 2003 fand die Grundsteinlegung statt und auf dem Tag exakt drei Jahre später wurde die Neue Hauptsynagoge Ohel Jakob eingeweiht. Das vom Saarbrückener Architektenbüro Wandel-Höfer-Lorch entworfene freistehende Gotteshaus bildet einen Teil des Ensembles mit Jüdischem Museum und Gemeindezentrum. Die Konstellation dieser Häuser untereinander ist so gewählt, dass sich Sichtachsen ergeben, die völlig verschiedene Perspektiven freigeben. In die Freiflächen zwischen den Gebäuden wurden Bäume gepflanzt und ein Brunnen installiert. Das gesamte Ensemble erhielt den "Deutschen Städtebaupreis 2008". Blickfang des Zentrums ist die Synagoge. Deren Architektur wird in eindrücklicher Weise geprägt durch zwei aufeinander gestellte Kuben: einem massiven Felssockel unter einem filigranen gläsernen Aufbau, den ein bronzefarbener Metallschleier umhüllt. Dieses Wechselspiel aus Stabilität und Fragilität, Dauerhaftigkeit und Provisorium stellt eine bauliche Metapher für die jüdischen Leitmotive Tempel und Zelt dar. Wobei das Zelt für jenes biblische Stiftszelt steht, in welchem sich das Volk Israel während der Wüstenwanderung versammelte und der Tempel die ersten jüdischen Gotteshäuser im historischen Israel symbolisiert. Der zwölf Meter hohe gläserne Aufbau besteht aus vielen Dreiecken, die sich unschwer als Davidsterne lesen lassen. Ursprünglich ist für die Münchner Synagoge eine Dachkuppel im Gespräch gewesen, wie sie für jüdische Gotteshäuser im 19. Jahrhundert typisch waren. Ein Entwurf mit einem solch historisierenden Ansatz setzte sich allerdings nicht durch.
Das sechs Meter hohe Hauptportal, in das zum Gedenken an die Zehn Gebote die ersten Buchstaben des hebräischen Alphabets gearbeitet sind, dient allerdings nicht als Eingang zum Betraum. Der Zugang dorthin erfolgt vielmehr vom Jüdischen Gemeindezentrum aus über den 32 Meter langen unterirdischen „Gang der Erinnerung“. In der Installation des Künstlers Georg Soanca-Pollak wird auf von hinten beleuchteten Glasplatten an die Namen von 4.500 jüdischen Münchner Frauen, Männern und Kindern erinnert, die während der Shoa deportiert und in den Vernichtungslagern ermorden wurden.
Im Synagogenraum fällt zunächst der mächtige Sockel aus hellem Jerusalemstein ins Auge, der an die Klagemauer erinnert. Des Weiteren ist der Raum mit Zedernholz aus dem Libanon ausgekleidet. Der 28 Meter hohe Bau verjüngt sich dann in jener luftigen Metall-Glas-Struktur, die von außen bereits zu sehen war. Gemäß orthodoxer Tradition sind die Sitzreihen für Männer und Frauen getrennt.
Die Israelitische Kultusgemeinde von München und Oberbayern bietet regelmäßig Führungen durch die Synagoge an. Dabei wird eine Einführung in die Geschichte der jüdischen Gemeinde Münchens gegeben, auch Erläuterungen zur Architektur des sakralen Bauwerks, sowie zum Ablauf der Gottesdienste im orthodoxen Ritus. Ferner werden rituelle Objekte der jüdischen Religionspraxis vorgestellt.
Seit dem März 1995 gibt es neben der Israelitischen Kultusgemeinde in München die Liberale jüdische Gemeinde Beth Shalom mit knapp 600 Mitgliedern. Sie befindet sich derzeit noch in einem Zweckbau im Gewerbegebiet Mittersendling (Steinerstr. 15). Es ist allerdings gelungen, für die Wiedererrichtung einer liberalen Synagoge in München den weltberühmten Architekten Daniel Libeskind zu gewinnen. Für das städtische Grundstück Am Gries hat er den Entwurf eines Synagogen- und Gemeindebaus erstellt. Um das Projekt zu realisieren, wurde die Stiftung Synagoge Beth Shalom gegründet.
St. Jakobs-Platz 16
80331 München
Deutschland
In direkter Nachbarschaft zu Marienplatz und Viktualienmarkt befindet sich am St.-Jakobs-Platz ein einzigartiges architektonisches Ensemble, das in seiner Lebendigkeit und Vielseitigkeit die Münchner Stadtgesellschaft entscheidend prägt. Mit den Plänen, hier eine neue Hauptsynagoge und ein Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde zu errichten, war auch der Plan für ein Jüdisches Museum wieder aufgetaucht. Schon Ende der 1920er Jahre waren in München Überlegungen für ein solches Museum angestellt worden, konnten aber angesichts der bald errichteten NS-Herrschaft nicht mehr realisiert werden. Nach der Shoa griff Hans Lamm, der langjährige Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, die Idee wieder auf. Noch aber liefen seine Bemühungen ins Leere. In den 1980er Jahren betrieb dann der Galerist Richard Grimm in der Maximilianstraße ein auf 28 Quadratmetern beschränktes privates Jüdisches Museum. Einige Jahre später stellte die Israelitische Kultusgemeinde hierfür größere Ausstellungsräume im damaligen Gemeindezentrum in der Reichenbachstraße 27 zur Verfügung. Dieses „Interimsmuseum“ wurde von Richard Grimm bis 2001 geleitet, danach als städtische Einrichtung in Zusammenarbeit mit dem Münchner Stadtmuseum und dem Stadtarchiv betrieben. Mit den Plänen, die neue Hauptsynagoge und das Gemeindezentrum am St.-Jakobs-Platz zu errichten, kam es dann auch zur Planung und Errichtung des „Jüdischen Museums der Landeshauptstadt München“, das wie auch die beiden anderen Gebäude von den Saarbrücker Architekten Wandel, Hoefer und Lorch gestaltet und von der Landeshauptstadt München mit 13,5 Millionen Euro finanziert wurde. Die Eröffnung erfolgte am 22. März 2007 und liegt seither in der Trägerschaft der Landeshauptstadt München. Bereits im ersten Jahr nach der Eröffnung wurde das Museum von 100.000 Menschen besucht.
Die Ausstellungsfläche beträgt 900 Quadratmeter und ist auf drei Etagen verteilt. Im Untergeschoss ist die Dauerausstellung "Stimmen-Orte-Zeiten" zur jüdischen Geschichte und Gegenwart Münchens untergebracht. In den beiden Etagen darüber wechseln sich Ausstellungen mit unterschiedlichen Themen ab. Ergänzt wird das Angebot durch einen Studienraum und eine Fachbibliothek. Im Erdgeschoss befindet sich eine jüdische Buchhandlung und eine Cafeteria. Die einzelnen Etagen sind durch einen Treppenaufgang ohne eine Krümmung oder einem Richtungswechsel, der sogenannten Himmelsleiter miteinander verbunden. In der mittelalterlichen Stadt war dies aufgrund des Platzmangels die bevorzugte Bauweise in den meisten Münchner Bürgerhäusern. Nun also hat das Architekten-Team jene Himmelsleiter quasi historisierend wieder aufgenommen, die in einem Oberlicht endet, durch das das Licht hereinscheint.
Trotz der drei voneinander unabhängigen Gebäude von Synagoge, Gemeindezentrum und Museum ist auf kunstvolle Weise eine architektonische Verbundenheit gelungen. Dies nicht zuletzt durch die einheitliche Verwendung von Travertin, einem porösen Kalkstein aus der Schwäbischen Alb. Der Eindruck der Einheitlichkeit wird aber auch durch die miteinander korrespondierende Formensprache unterstützt. Vor allem wird es durch Blickachsen und Passagen zwischen den drei Gebäuden für die Öffentlichkeit erlebbar gemacht.
Herzog-Max-Straße 1
80333 München
Deutschland
Durch die Bayerische Landordnung von 1553 hatten die letzten noch in den Bezirken der altbayerischen Landgerichte ansässigen jüdischen Bürger ihr Aufenthaltsrecht verloren. Es sollte zweihundert Jahre dauern, ehe sich wieder jüdische Familien in München ansiedelten. Ab 1763 versammelten sie sich an den Shabbatot und den Feiertagen in einem kleinen Betraum in der Wohnung des Geschäftsmannes Abraham Wolf Wertheimer im Tal 13. Am Ende des 18. Jahrhunderts gab es in München dann wieder eine kleine jüdische Gemeinde, die jedoch noch weitgehend von obrigkeitlichem Wohlwollen abhängig war. Erst mit Regierungsantritt von Kurfürst Max IV. Joseph sollte sich im Zeichen des aufgeklärten Absolutismus die schrittweise Lage der jüdischen Bevölkerung verbessern. Im Jahre 1801 erklärte ihnen der Monarch seinen landesväterlichen Schutz. Die offizielle Konstitution der Israelitischen Kultusgemeinde erfolgte zu Beginn des Jahres 1815. Die Einweihungsfeier der Synagoge in der Westenriederstraße 7 fand am 21. April 1826 statt. An ihr nahm König Ludwig I. teil. Die Gemeinde wuchs rasch und so erwies sich die Synagoge bald als zu klein. Bereits ab Mitte der 1860er Jahre wurde ein Neubau an anderer Stelle erwogen.
Immer wieder waren Schwierigkeiten beim Kauf eines Baugrundstücks für einen Synagogen-Neubau aufgetreten. Erst im Jahre 1882 stellte die Königliche Krongutsverwaltung auf Intervention von König Ludwig II. für 348.000 Mark gegenüber der Maxburg eines der begehrtesten Baugrundstücke im innerstädtischen Bereich zur Verfügung. Die zentrale Lage war für die Errichtung eines freistehenden repräsentativen Sakralbaus geradezu ideal. Die Bauzeit der Synagoge, die Architekt Albert Schmidt als neuromantischen Langhausbau realisierte, betrug drei Jahre. Am 16. September 1887 konnte sie eingeweiht werden. Nach Berlin und Breslau war die Synagoge mit 1000 Männer- und 800 Frauenbetstühlen das drittgrößte jüdische Gotteshaus dieser Zeit in Deutschland. Das Münchner Tageblatt schrieb, dass das „architektonische Schmuckkästchen“ München nun „um eine köstliche Perle reicher geworden“ sei. Zwei Jahre später konnten in der Herzog-Max-Straße 3, 5 und 7 der Bau eines Gemeindehauses beendet werden, in denen nach und nach die Kanzlei der Kultusgemeinde, das Rabbinat, die Wohlfahrtsstelle der Gemeinde, sowie ab 1906 die Cosman-Werner-Bibliothek und ab 1920/21 die Geschäftsstelle der Bayerischen Israelitischen Gemeinden untergebracht wurden.
Die orthodoxen Gläubigen mieden jedoch die Gottesdienste in der Hauptsynagoge. Sie lehnten Orgelmusik und Chorgesang ab, welches dort zum Ritus gehörte. Das veranlasste eine kleinere Gruppe von ihnen zur Gründung des Vereins Ohel Jakob. Sie kamen zunächst in einem Betsaal in der Kanalstraße 29 (später Herzog-Rudolf-Straße) zusammen. Aus eigenen Mitteln finanzierten die Orthodoxen schließlich an dieser Stelle den Bau der Synagoge Ohel Jakob, die am 25. März 1892 eingeweiht wurde. Der neuromanische Bau nach dem Entwurf von August Exter mit einer eher einfachen Fassade hatte mit 16 Metern Länge und 19 Metern Höhe im Vergleich zur Hauptsynagoge eher bescheidene Ausmaße. Er bot Platz für 150 Gläubige. Beim Novemberpogrom von 1938 wurde sie von SA-Horden in Brand gesetzt. Heute erinnert nur noch ein massiver Gedenkstein am Haus Herzog-Rudolf-Straße 1 an die Synagoge Ohel Jakob, die einst hier stand.
Bereits am 7. Juni 1938 hatte Adolf Hitler höchstpersönlich den Befehl erteilt, die Hauptsynagoge abzubrechen. Am Morgen des 9. Juni 1938 wurde mit den Arbeiten begonnen. „Ein Schandfleck verschwindet“, kommentierte das Propagandablatt „Der Stürmer“ hämisch die Zerstörung der Hauptsynagoge, die „aus verkehrstechnischen Gründen“ einem Parkplatz weichen müsse. Die zum Synagogenkomplex gehörenden Gebäude sollten ursprünglich ebenfalls abgebrochen werden, wurden dann jedoch von der SS übernommen und ausgerechnet vom „Lebensborn e.V.“ genutzt.
Schrammerstr.
80333 München
Deutschland
Quellenfest nachweisbar wurde in München in den Jahren 1380/81 eine Synagoge in der „Judengasse“ errichtet, der späteren Gruftgasse – auf dem Areal des heutigen Marienhofes. Sie gilt daher als die nachweislich älteste Synagoge in München. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass bereits die hochmittelalterliche Judengemeinde in München einen eigenen Betraum besaß. In der Monancensia – dem Literaturarchiv der Stadt sowie einer Forschungsbibliothek zur Geschichte und zum kulturellen Leben Münchens – findet man darüber hinaus Hinweise, dass es bereits wenige Jahrzehnte nach der Stadtgründung, nämlich 1210 unter Herzog Ludwig dem Kelheimer, eine Synagoge gegeben haben soll. Der Historiker Helmuth Stahleder mahnt hingegen in einem 1988 publizierten Artikel zur Geschichte der Münchner jüdischen Bevölkerung im Mittelalter, zu einem kritischeren Lesen der Quellen. Demnach habe man erst für das ausgehende 14. Jahrhundert seriöse Belege für die Existenz einer Synagoge in München - eben jene in der späteren Gruftgasse mit angeschlossenem Hekdesch, einem sogenannten „Judenspital“. Bereits im Jahr 1379 fasste die Jüdische Gemeinschaft in München den Beschluss, für die Dauer von drei Jahren jährlich einen zusätzlichen halben Zehnten zu entrichten, der vom Schatzmeister in monatlichen Raten eingesammelt werden sollte. Am 4. August 1380 wurde für 200 Gulden jenes Haus an der heutigen Schrammerstraße erworben und am 9. August der Jüdischen Gemeinschaft übertragen. Als Synagoge wird die Immobilie erstmals in einer Urkunde vom 8. April 1404 erwähnt. Es gibt wenig Überliefertes bezüglich des Personals jener frühen Synagoge, also Hinweise etwa auf Rabbiner, Kantoren, Gabbaim (Synagogenvorstände). Allerdings wird in dem Buch „Beth ha-Knesseth Ort der Zusammenkunft“ (siehe Literaturhinweis) für die Zeit um 1415/16 auf einen „Schulklopfer Simon“ hingewiesen: „Dieser hatte die Aufgabe, am Freitagabend jüdische Familien durch Klopfen an die Türe den Beginn des Sabbat [sic!] anzuzeigen.“ Der Synagoge (in Jiddisch wird sie meist als Schul bezeichnet) war jedoch kein langer Bestand beschieden. Im Jahr 1442 kam es zu einem Pogrom, wie zuvor auch schon 1285, 1345, 1349 und 1413. Diesmal aber führte es zur Vertreibung der jüdischen Bewohner Münchens. Herzog Albrecht III. von Bayern schenkte das Gebäude am 14. September 1442 seinem Leibarzt Dr. Hans Hartlieb und dessen Frau Sybille. Der katholische Arzt ließ die Synagoge in eine Marienkapelle umwandeln und so wurde das Gebäude bei den Münchnern zum beliebten Wallfahrtsziel. Im Zuge der Säkularisierung wurde die Kapelle im Jahr 1803 profaniert und fiel schließlich 1865 der Erweiterung der Polizeidirektion zum Opfer. Von der Arbeit der Archäologen, die derzeit auf dem Terrain nördlich des Neuen Rathauses auf dem heutigen Marienhof graben, sind perspektivisch auch weitere Erkenntnisse über die nachweislich erste Synagoge Münchens zu erwarten.
Herzog-Rudolf-Str. 5
80539 München
Deutschland
Im Jahr 1921 hatte der Verein Ohel Jakob in unmittelbarer Nachbarschaft zur orthodoxen Synagoge ein Gebäude erworben. Hier sollte eine Volksschule entstehen, in der jüdische Kinder nach Geschlechtern getrennt und nach orthodoxen Grundsätzen unterrichtet und erzogen werden. 1924 wurde das Anwesen zum Zwecke des regelmäßigen Schulbetriebs umgebaut. Schon vier Jahre später wurde das Haus im Zuge von Erweiterungsmaßnahmen um eine zusätzliche Etage aufgestockt. Die Schule wurde vornehmlich von Kindern aus streng religiösen Familien besucht.
Nachdem am 23. April 1933 der fanatische Nationalsozialist Josef Bauer (er hatte zehn Jahre zuvor bereits in SA-Uniform am Hitler-Putsch teilgenommen) zunächst zum kommissarischen Stadtschulrat und am 20. Juni 1933 zum Oberstadtschulrat ernannt worden war, wurde auf seine Initiative hin die Zahl der jüdischen Kinder an öffentlichen Schulen ermittelt. Dies ging einher mit deren zunehmenden Diskriminierung und Demütigung. Bauers erklärtes Ziel war es, die Münchner Schulen „judenfrei“ zu machen. Daraufhin stiegen die Zahlen an der Volksschule von Ohel Jacob in den folgenden Jahren sprunghaft an. 1934 übernahm die Israelitische Kultusgemeinde die Volksschule und erweiterte sie auf acht Klassen. Im Jahr darauf zählte die Schülerschaft bereits 251 Kinder. Die Gemeinde sah sich gezwungen, an öffentlichen Schulen in den nahegelegenen Türken-, Klenze- und Gabelsbergerstraße zusätzliche Räume anzumieten. Das aber wurde der Gemeinde nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 durch die NS-Schulbehörde unter Josef Bauer fortan verweigert. Zudem war das Schulgebäude an der Herzog-Rudolf-Straße 5 durch den Brand der benachbarten Synagoge stark beschädigt worden. Der Wiederaufbau aber wurde untersagt und zunächst auch die weitere Nutzung des Schulgebäudes. Erst im Januar 1939 konnte der Schulbetrieb für nun über 400 Kinder in der Herzog-Rudolf-Straße 1 in den Räumlichkeiten des ehemaligen Kindergartens und des Horts wieder aufgenommen werden. Inzwischen hatten viele jüdische Familien das Land verlassen und die Schülerschaft war sehr dezimiert. Mehrere Klassen wurden zusammengefasst. Der Unterricht bestand aus Religionsunterricht, Fremdsprachen, Werken und Handarbeiten. Ab 1937 kam eine Fortbildungsklasse hinzu. Da hier viele hochqualifizierte jüdische Lehrkräfte aus weiterführenden Schulen unterrichteten, die bereits 1933 aus ihren früheren Arbeitsverhältnissen entlassen worden waren, ist das Niveau der Schule vergleichsweise hoch gewesen.
Die erste große Deportation im November 1941 brachte eine drastische Reduzierung der Schülerschaft mit sich. Nach den folgenden Deportationen wurden im April 1942 hier nur noch 13 Jungen und Mädchen unterrichtet. Das endgültige Verbot jüdischer Schulen wurde am 30. Juni 1942 verkündet und beendete die Geschichte der Jüdischen Volksschule in München.
Biedersteinerstr. 7
80802 München
Deutschland
Eine Jüdische Lehrwerkstatt wurde 1937 in Schwabing am Biederstein 7 mit dem Ziel eingerichtet, junge jüdische Männer aus ganz Deutschland im Tischler- oder Schlosserberuf auszubilden.
Bis zur Schließung der Lehrwerkstatt im Jahr 1941 erhielten dort rund 100 jüdische Jugendliche aus ganz Deutschland eine Ausbildung, die auch Fremdsprachen umfasste und sie auf die Emigration vorbereitete. Als ausgebildete Handwerker, so war die Überlegung, würden sie größere Chancen auf ein Auswanderungsvisum haben.
Nach den Verwüstungen des Novemberpogroms vom 9./10. November 1938 wurde die Lehrwerkstatt am Biederstein notdürftig wiederhergerichtet und konnte ihren Betrieb noch bis September 1939 fortsetzen. Dann wurde das Gebäude enteignet, und die Jüdische Lehrwerkstatt bezog Räume in der ausgebrannten Synagoge in der Reichenbachstraße. Im Jahr 1942, die Deportationen aus München hatten bereits begonnen, wurde die Lehrwerkstatt endgültig von den Nazis geschlossen.
Am Kaiserplatz 61 im Stadtteil Ludwigsvorstadt stand das Israelitische Mädchenheim. Eine jüdische Schwesternschaft gab es in München bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Das Krankenhaus und das Schwesternheim wurde dann 1910 im Gebäude an der Hermann-Schmid-Straße 5 gegründet, welches zu diesem Zweck umgebaut wurde. Nach der Machtübernahme der Nazis wurden Personen jüdischer Herkunft in staatlichen und städtischen Krankenhäusern nicht mehr aufgenommen. Das führte zu gravierenden Platzprobleme im Israelitischen Krankenhaus. Seit der Reichspogromnacht wurde der Betrieb des Krankenhauses von der SS und Gestapo überwacht. Fortan durften nur noch Ärzte und Angestellte jüdischer Herkunft das Krankenhaus betreten. Die Ausbildung zur Krankenschwester wurde von jüdischen Mädchen und Frauen hier mit dem gleichen Ziel absolviert, wie bei den Männern in der Lehrwerkstatt – mit dem Ziel der Auswanderung nämlich, bevorzugt nach Palästina. Im Juni 1942 wurde das Krankenhaus auf Befehl der NS-Verwaltung aufgelöst und die etwa 50 Patienten, darunter Schwerstkranke und Sterbende, in Begleitung von drei Schwestern und dem Chefarzt in einem Möbelwagen zum Südbahnhof transportiert, von wo aus ein Weitertransport ins Ghetto Theresienstadt erfolgte. Von dort aus wurden sie in die Vernichtungslager deportiert. Die einzigen Überlebenden waren der Chefarzt Julius Spanier, seine Frau und zwei der Schwestern.
Die Lehrwerkstatt für jüdische Männer ist seit 1939 vom diplomierten Bauingenieur Fritz Sänger geleitet worden. Er war nach der Reichspogromnacht im KZ Dachau inhaftiert und dort von der SS gezwungen worden, das von den Eltern ererbte Augsburger Bauunternehmen weit unter Wert zu verkaufen. Nach seiner Entlassung war er nach München gekommen und hatte die Jüdische Lehrwerkstatt übernommen. Parallel versuchte er für sich und seine Frau ein Visum für die USA zu bekommen. Doch es war ihm nicht möglich, die Bürgschaft eines US-Bürgers, sowie andere für ein Visum erforderliche Dokumente und nicht zuletzt auch nicht das Geld für die Schiffspassagen aufzubringen. Am 4. April 1942 wurde Fritz Sänger mit seiner Frau, seiner achtjährigen Tochter und seiner Schwester Berta in das Ghetto im polnischen Piaski deportiert. Als Mitglied des Judenrats kämpfte Fritz Sänger für die Verbesserung der Bedingungen im überfüllten Ghetto. Erstaunlicherweise gelang es ihm, die Instandsetzung der Ghettobäder durchzusetzen, womit die Eindämmung von Typhus erreicht werden konnte. Im Herbst 1942 wurde Fritz Sänger in das nahe gelegene Zwangsarbeitslager Sawin geschickt, wo er bei der Trockenlegung von Sümpfen eingesetzt wurde. Seine Spur verliert sich im November 1942. Bis heute ist unklar, wann, wo und wie der einstige Leiter der Jüdischen Lehrwerkstatt ermordet wurde.
Antonienstr. 7
80802 München
Deutschland
Schon im Jahre 1904 erfolge die Gründung eines privaten jüdischen Kindergartens. Im Grunde beginnt mit diesem Datum auch die Geschichte des jüdischen Kinderheims in München. 1908 wurden dann erstmals drei jüdische Kinder hier im Rahmen einer Heimunterbringung dauerhaft beherbergt. Doch erst im Jahre 1925 ist es dem Trägerverein „Israelitische Jugendhilfe e.V.“ gelungen, hier in der Schwabinger Antonienstraße ein ehemaliges Bürogebäude mit großem Garten zu erwerben. Im Mai 1926, nach umfangreichem Umbau, konnte das Kinderheim mit Schlafsälen, Speisesaal mit angrenzender Küche und Vorratsräumen offiziell eröffnet werden. Neben einem Aufenthaltsraum für die hier wohnenden Jungen und Mädchen, gab es einen Betsaal, an dem neben den Heimkindern auch erwachsene Gläubige aus dem Schwabinger Umfeld an den Gottesdiensten teilnahmen. Hier im „Antonienheim“, wie die Einrichtung im Volksmund hieß, wurden ursprünglich elternlose, sowie außereheliche Kinder, als auch solche aus sozial schwachen jüdischen Familien untergebracht. Mit dem Machtantritt der Nazis wurden auch Kinder aus ländlichen Gebieten von ihren Eltern hierhergebracht, um sie vor der zunehmenden Diskriminierung auf dem Land zu schützen. Bald warteten hier auch Kinder von bereits ausgewanderten Eltern darauf, von diesen nachgeholt zu werden. Nach der Reichsprogrammnacht vom 9./10. November 1938 fanden hier Mädchen und Jungen Aufnahme, deren Eltern ihre Existenz und Wohnungen verloren hatten. Bis zum Beginn des Krieges im September 1939 war es der Israelitischen Kultusgemeinde gelungen, einen Teil der Kinder mit verschiedenen Kindertransporten nach England in Sicherheit zu bringen. Dieses Glück im Unglück wurde allerdings nicht allen Mädchen und Jungen des Jüdischen Kinderheims zuteil. Am 20. November 1941 wurden 20 von ihnen gemeinsam mit vier der betreuenden Personen ins litauische Kaunas deportiert. Eine weitere Deportation erfolgte am 4. April 1942. Schließlich wurde der Schutzraum Antonienheim am 15. April 1942 aufgelöst und die verblieben 13 Kinder wurden in die „Judensiedlung Milbertshofen“ umgesiedelt. Als dieses Lager im August 1942 geschlossen wurde, fanden sie in der „Heimanlage für Juden“ in Berg am Laim ein neues Quartier. Die meisten dieser Kinder und die letzten Betreuerinnen ließ die Gestapo am 13. März 1943 nach Auschwitz deportieren, wo sie unmittelbar nach ihrer Ankunft in den Gaskammern ermordet wurden. Die Israelitische Kultusgemeinde hatten die Behörden gezwungen, das Gebäude an die NS-Organisation „Lebensborn e.V.“ zur Einrichtung einer „Mutterwohnstätte“ zu veräußern. Der von den Nazis diktierte Kaufpreis ist nie ausbezahlt worden.
Die wenigen überlebenden einstigen Kinderheimbewohner, erinnerten sich nach 1945 daran, dass ihnen die Heimleitung damals trotz der äußeren Bedrohung ein Gefühl von Geborgenheit vermittelt hatte. Seit April 2002 erinnert hier eine Gedenkstele an die Kinder des Antonienheims und an deren Schicksal.
Adelheidstraße 33
80796 München
Deutschland
Mit dem Machtantritt des NS-Regimes wurde die Existenz für jüdische Kulturschaffende zunehmend schwerer in Deutschland. Bereits am 22. September 1933 wurde das Reichskulturkammergesetz erlassen, wonach jüdischen Kulturschaffenden die Mitgliedschaft in dieser berufsständischen Zentralorganisation fortan verwehrt war. Dies war faktisch ein Berufsverbot. Ein Jahr später zitiert die „Jüdische Rundschau“ in der Ausgabe vom 5. November 1935 den NS-Propagandaminister Goebbels: „Die Reichskulturkammer ist heute judenfrei. Es ist im Kulturleben unseres Volkes kein Jude mehr tätig.“ Die finale Aussage aber stimmte zu diesem Zeitpunkt nur bedingt. Schon nach Erlassen des Gesetzes hatte der Verband der Bayerisch-Israelitischen Gemeinden nach Konzepten gesucht, wie unter den gegebenen Umständen noch berufsmäßige künstlerische Betätigung möglich sein würde. Der Dirigent Erich Erck (eigentlich Erich Eisner), trat als Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde München mit dem Bayerischen Ministerium für Unterricht und Kultus in Verhandlungen ein, nachdem ein erstes Gesuch an die Politische Polizei ohne Antwort geblieben war. Gegenüber dem Ministerium führte Erck nun aus, es kämen „vorzugsweise Vorträge und Konzerte in Betracht. Bühnenveranstaltungen jedoch nur in ganz einzelnen Fällen.“ Er betonte ferner, dass der geplante Charakter des Unternehmens nicht nur ein „vollkommen unpolitischer, sondern vielmehr ein ausschließlich kultureller und sozialer“ sei. Das Gesuch wurde schließlich am 16. Januar 1934 vom Staatsministerium genehmigt und am 9. Februar 1934 amtlich bestätigt. Ercks Wohnsitz in der Adelheidstr. 33 wurde zum organisatorischen Zentrum des Jüdischen Kulturbundes, der lediglich vom März 1934 bis November 1938 existierte. Der Jüdische Kulturbund sei eine Einrichtung, deren "Idee sich zwangsläufig aus dem Gang der Ereignisse des letzten Jahres" ergeben hatte, schrieb die Bayerische Israelitische Gemeindezeitung kurz nach dessen Gründung. Nur unter dem Dach des Kulturbundes hatte die jüdische Künstlerschaft noch die Möglichkeit, sich allen Widerständen zum Trotz ein Stück Normalität und Kontinuität zu bewahren. Doch dieser Bund war ein eigenartiges Zwitterwesen: gegründet von jüdischen Musik- und Kulturschaffenden selbst, begrüßt aber auch von den Nazis. An den Veranstaltungen des Jüdischen Kulturbundes durften zwar nur jüdische Gemeindemitglieder teilnehmen und werben durfte man dafür nur in der eigenen Gemeindezeitung, aber dank dieser Struktur konnten sie ihrem Überwachungs- und Kontrollwahn über die jüdischen Kulturschaffenden noch leichter nachgehen.
Der Dirigent Erich Erck, zunächst Assistent von Bruno Walter, Generalmusikdirektor der königlichen Hofoper in München, hatte 1931 die musikalische Leitung des Jüdischen Kammerorchesters in München übernommen. Der Klangkörper war ursprünglich von Laien gegründet worden, jedoch bereits 1934 von den Nazis umgewidmet - zum offiziellen Orchester des Jüdischen Kulturbunds in Bayern. Da nun die etablierten Konzerthäuser für Juden nicht mehr zur Verfügung standen, mussten Ausweichquartiere gefunden werden. Viele Konzerte fanden in Turnhallen oder privat angemieteten Sälen statt, von denen nach dem Krieg nur wenige übrig geblieben waren. Auch in Synagogen wurde musiziert, wie beim Eröffnungskonzert des Jüdischen Kulturbundes in München am 4. März 1934 in der Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße. An diesem Abend wurden zwei Konzerte von Händel und eine Kantate von Bach gespielt. Ferner trat die Solistin Irma Stern auf. Überhaupt war die Musikabteilung des Jüdischen Kulturbundes dessen aktivster Teil. Sie bestand aus Erich Ercks 30-köpfigem Orchester, dem Synagogenchor, einem Vokalquartett und einem Kammermusik-Trio.
Im Jahr 1935 debütierte das „Münchner Marionettentheater jüdischer Künstler“, das vom Geschäftsmann Berthold Wolff gemeinsam mit Maria Luiko (bürgerlich: Marie Luise Kohn) gegründet worden war. Die Kunstmalerin Maria Luiko entwarf die Puppen und die Bühnenbilder in teils skurril überzeichneter, teils expressionistischer Bildauffassung. Zwischen 1934 und März 1937 entstanden fünf Schauspiele und drei einaktige musikdramatische Inszenierungen. Die beiden Gründer betonten, dass es sich hier nicht um ein Kasperletheater handele, sondern vielmehr um „experimentelles Theater von hohem künstlerischem Wert.“ In einem Beitrag der Münchner Gemeindezeitung wurde darauf verwiesen, dass das Marionettentheater „für München etwas Neues, nämlich ein Drama rein jüdischen Milieus“ auf die Bühne bringe. Tatsächlich standen vorwiegend biblische Geschichten auf dem Spielplan, mit etwa den Büchern Ruth und Esther als Vorlagen. Im Ensemble fanden Operntenöre, Schauspieler, Schauspielerinnen und Sopranistinnen die Chance auf künstlerische Betätigung.
Nach dem reichsweiten Pogrom vom 9./10. November 1938 wurden die Kulturbünde, so auch in München, zum Zwecke der Abwicklung der Gestapo und dem Sicherheitsdienst unterstellt. Ende des Jahres stellte der Jüdische Kulturbund in Bayern, Ortsgruppe München, seine Arbeit ein. In einem Schreiben an die Geheime Staatspolizei teilte man mit, dass der Kulturbund mit Wirkung vom 31. 12. 1938 aufgelöst werde. In den knapp vier Jahren seiner Existenz hatte der Jüdische Kulturbund in München 110 Veranstaltungen organisiert und durchgeführt. Dem Dirigenten Erich Erck war im Januar 1939 die Emigration über Großbritannien nach Bolivien gelungen. Maria Luiko, die künstlerische Leiterin des Marionettentheaters, wurde am 20. 11. 1941 ins Ghetto Kaunas deportiert und dort ermordet.
Riemer Straße 300
81829 München
Deutschland
Im Jahr 1965 wurde von sportlich aktiven Shoa-Überlebenden der jüdische Sportverein TSV Maccabi München gegründet, der heute etwa 750 aktive Mitglieder zählt. Neben der Fußballabteilung werden neun weitere sportliche Aktivitäten – von Ballett bis Selbstverteidigung, von Gymnastik und Hip Hop Dance bis Karate, Tischtennis und Maccabi Ski – angeboten.
Der Begriff Maccabi wird vom Namen einer Priesterfamilie, den Makkabäern, abgeleitet, deren Mitglieder im jüdischen Geschichtsverständnis als Freiheitskämpfer angesehen werden. Auf der Website des Vereins wird Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, zitiert:
„TSV Maccabi München ist ein Verein, der sich nicht nur den sportlichen Aktivitäten verpflichtet fühlt, sondern auch als Botschafter für Demokratie und Toleranz auftritt. Nicht umsonst sind jüdische und nicht-jüdische Sportbegeisterte gleichermaßen willkommen.“
Mit dieser Neugründung wurde an die sehr bewegte Vorgeschichte des jüdischen Sports in der bayerischen Hauptstadt angeknüpft, wie sie vor der Shoa bestand:
- Bereits am 10. April 1903 berichtet die „Allgemeine Zeitung des Judentums“ von Turnabenden des „Jüdischen Turnverein Esra“ in München.
- Die „Jüdische Rundschau“ berichtet in ihrer Ausgabe vom 14. Juni 1912 von einem Stiftungsfest für den Jüdischen Turn- und Sportverein (JTSV) München, in welchem es „eine Männer- und Damenabteilung, eine Tennis-Abteilung und eine Jugend-Fußball-Mannschaft“ gab.
- Der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung vom 8. September 1926 ist zu entnehmen, dass der Jüdische Turn- und Sportverein Bar Kochba München für den 3. Oktober 1926 zu einem Jüdischen Sportfest einlud, an dem „jeder ohne Rücksicht auf Vereinszugehörigkeit, Schule oder jüdische Einstellung in sportlichem leichtathletischem Wettkampf seine Kräfte messen“ konnte.
- Noch am 15. Januar 1933 konnte die Handball-Elf von JTSV München mit einem Sieg die Herbst-Meisterschaft der A-Klasse München erringen. Der Elf gelang damit der Aufstieg in die Bezirksliga, der höchsten bayrischen Spielklasse.
Mit dem Machtantritt der Nazis am 30. Januar 1933 durften jüdische Sporttreibende nicht mehr „deutschen“ Sportvereinen angehören. Am 19. Januar 1934 wurde durch den Beauftragten des Reichssportkommissars der Bayrischen Landesregierung der Jüdische Turn- und Sportverein (JTUS) München eine Genehmigung erteilt und Ende des Monats offiziell gegründet. Nach der Eintragung ins Vereinsregister konnte der Verein dann am 6. Mai 1934 mit einer würdigen Einweihungsfeier die Turnhalle Plinganserstraße 76 in Betrieb nehmen. Die Tennis-Abteilung konnte vom 6. bis 8. Juli 1934 auf den Plätzen an der Marbachstraße ein großes Sommerklubturnier durchführen. Der sportliche Wettbewerb war aber nur noch unter jüdischen Vereinen erlaubt. Am 4. Juli 1937 etwa richtete JTUS München die Leichtathletik-Meisterschaften des Landesverbandes Bayern aus. Am 11. Juli 1937 führte JTUS München einen Spieltag für die jüdische Jugend auf den Sportplätzen an der Marbachstraße aus. Noch am 20. Oktober 1938 wurde die Besten-Liste der jüdischen Leichtathleten des Jahres aus ganz Deutschland veröffentlicht. Mit der Reichspogromnacht vom 9. zum 10. November endete dann die jüdische Sportgeschichte in München, in Bayern und im ganzen Reich.
Garchinger Straße 37
80805 München
Deutschland
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wuchs nicht nur die Einwohnerzahl Münchens rasch an, sondern auch die der Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde. Bald wurde ein geeignetes Areal für einen zweiten jüdischen Friedhof gesucht. Hinzu kam, dass während der Cholera-Epidemie auch in München in kurzer Zeit sehr viele Menschen starben, darunter viele Kinder. Die Gräberfelder für Kinder legen auch heute noch ein beredtes Zeugnis davon ab.
Zunächst erwirbt die Israelitische Kultusgemeinde im Jahr 1896 ein vier Hektar großes Areal, direkt im Anschluss an den Nordfriedhof an der Ungererstraße. Acht Jahre später tauscht sie dieses Areal gegen die „Groh’schen Gründe“ schräg gegenüber – ein aufgegebener Kiesgrund stadtauswärts. Mit der Planung und Bauausführung der 1904 begonnenen neuen Friedhofsanlage war der spätere städtische Baudirektor Hans Grässel (1860 – 1939) beauftragt. Am 8. Mai 1908 wurde der Friedhof an die Israelitische Kultusgemeinde übergeben; wenige Wochen später fand dort das erste Begräbnis statt. Das fünf Hektar große Friedhofsareal mit 30 Grabsektionen bietet Platz für 15.000 bis 16.000 Gräbern. Derzeit bestehen etwa 7.500 Gräber. Grässel errichtete auch die 1907 fertiggestellte im Stil des Barock gehaltene Leichen- und Aussegnungshalle, deren Mittelpunkt eine große quadratische Versammlungshalle bildet. Sie bietet Platz für eine größere Trauergemeinde. Die Friedhofsmauer mit einem dreiteiligen Portal trägt eine vom Bildhauer Bruno Diamant (1867 – 1942) gestaltete Inschrift:
„Der Staub kehrt zum Staube zurück – wie er gewesen.
Der Geist aber zu Gott, der ihn gegeben.“ (Kohelet 12:7)
Gegenüber vom Haupteingang steht seit dem Jahr 1925 ein Denkmal für 180 jüdische Soldaten aus München, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Es wurde von dem Architekten Fritz Landauer (1883 – 1968) gestaltet, der auch die prächtige Synagoge von Augsburg entworfen und realisiert hat. Das Denkmal hier besteht aus einem Sarkophag, getragen von Löwen, mit David-Schild und Schwert, mit der Inschrift: „Den Gefallen“. Darunter die fünf hebräischen Buchstaben, die für fünf hebräische Wörter stehen, welche auf Deutsch das folgende bedeuten:
„Seine Seele sei eingebunden in den Bund des ewigen Lebens.“ (1. Buch Samuel 25:29)
Ende der 1930er Jahre nutzte die Kultusgemeinde Teile des Friedhofs als Sportplatz, weil den jüdischen Vereinen keine anderen Flächen mehr zur sportlichen Betätigung zur Verfügung standen. Auch der Sportunterricht der Jüdischen Volksschule fand hier statt. Während des Kriegs blieb der Friedhof nicht von Schändungen verschont: „kriegswichtige“ Metallteile und Grabsteine wurden gestohlen. Auf einem Teil des Geländes entstand eine Gärtnerei.
Dem langjährigen Friedhofspfleger Karl Schörghofer ist es zu verdanken, dass trotz starker Einschränkungen bis Kriegsende auf dem Friedhof Bestattungen nach jüdischem Ritus durchgeführt werden konnten. Er verhinderte auch den Abtransport von Grabsteinen. Und obgleich Schörghofer bereits die Aufmerksamkeit der Gestapo auf sich gezogen hatte und ihm die Einweisung in das KZ Dachau drohte, gelang es ihm, sechs untergetauchte Juden über einen Zeitraum von 14 Monaten zu verstecken. Im Dezember 2014 enthüllte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter eine von Toni Preis gestaltete Gedenktafel zur Erinnerung an Karl Schörghofer. Seit 10. November 1946 steht auf dem Friedhof in unmittelbarer Nähe der Trauerhalle ein Gedenkstein für die ermordeten Münchner Juden mit der Inschrift „Opfer schwerer Verfolgungszeit 1933–1945“.
Auf dem Friedhof befinden sich die Gräber folgender Prominenter (Quelle Wikipedia):
- Lehmann Bernheimer (1841–1918), Kunsthändler
- Hans Borchardt (1865–1917), Kunstmaler
- Leo Brauner (1898–1974), Botaniker und Direktor des Botanischen Gartens München
- Kurt Eisner (1867–1919), sozialistischer deutscher Politiker, bayerischer Ministerpräsident
- David Heinemann (1819–1902), Maler, Kunstexperte und Galerist
- Towje Kleiner (1948–2012), Schauspieler und Drehbuchautor
- Hans Lamm (1913–1985), Abteilungsleiter der Münchner Volkshochschule, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde München
- Gustav Landauer (1870–1919), deutscher Schriftsteller und Theoretiker des Anarchismus
- Kurt Landauer (1884–1961), Präsident und postum Ehrenpräsident des FC Bayern München
- Johanna Lenz (1915–2010), deutsche Kunsthistorikerin
- Sonja Lerch (1882–1918), deutsche Sozialistin und Friedensaktivistin
- Eugen Leviné (1883–1919), Revolutionär und KPD-Politiker
- Peter Lilienthal (1927–2023), deutscher Filmregisseur
- Max Mannheimer (1920–2016), Holocaust-Überlebender
- Karl Neumeyer (1869–1941), deutscher Rechtswissenschaftler
- Abi Ofarim (1937–2018), Tänzer, Sänger, Gitarrist, Musikproduzent und Choreograph
- Joseph Schülein (1854–1938), Brauereibesitzer und Wohltäter für (Alt-) Haidhausen
- Henny Seidemann (1922–2021), Vorsitzende/Ehrenvorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit München-Augsburg-Regensburg
- Simon Snopkowski (1925–2001), Chefarzt, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Bayern
- Julius Spanier (1880–1959), Kinderarzt, Senator, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde
Seit 1997 gibt es auf dem Gelände des Neuen Waldfriedhofs ein Areal für 250 Gräber, auf dem die unabhängige Liberale Jüdische Gemeinde „Beth Shalom“ Bestattungen durchführt.
Thalkirchner Straße 240
81371 München
Deutschland
Schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts bestand – vermutlich an der Stelle des heutigen Maßmannplatzes (Maxvorstadt) – ein jüdischer Friedhof. Nachdem die jüdische Bevölkerung Münchens im Jahr 1442 aus der Stadt vertrieben worden war, wurde der Friedhof und auch die Synagoge zerstört.
Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts durften sich wieder jüdische Familien in der Stadt niederlassen. Kurz nach der Gründung der Israelitischen Kultusgemeinde im Jahr 1816 wurde durch einen Erlass des bayerischen Königs Max I. Joseph (1756 – 1825) der Bau eines jüdischen Friedhofs in der Thalkirchner Straße gestattet. Insgesamt drei Mal wurde dessen Areal erweitert – in den Jahren 1854, 1871 und 1881. Und jedes Mal wurde der erweiterte Friedhof von einer neuen Mauer umbaut. Die Ziegelmauer von 1881 umrandet eine Fläche von zweieinhalb Hektar. An der südlichen Friedhofsmauer liegt das aus festem Ziegelmauerwerk errichtete Taharahaus. Hier fanden einst die rituellen Leichenwaschungen statt. Das Gebäude ist im Rundbogenstil errichtet und in einem höhergestellten Mittelteil mündet die Fassade in einen Säulengang. Kurz nach der Eröffnung des Neuen Israelitischen Friedhofs in Freimann im Jahr 1908 wurde der „Ort des ewigen Lichts“ geschlossen. Seither wurde das imposante Eingangstor an der Thalkirchner Straße nicht mehr geöffnet. Nur in seltenen Fällen ist es möglich, den Friedhof durch einen Seiteneingang zu betreten, etwa für Nachkommen der hier bestatteten Familien. Nach der Schließung wurden verstorbene jüdische Personen hier nur noch begraben, wenn bereits ein Familiengrab bestand. Die Grabsteine auf dem Alten Israelitischen Friedhof zeugen vom Aufstieg der jüdischen Gemeinde in München vom 19. Jahrhundert bis zu deren Niedergang in den 1930/40er Jahren. Gelegentlich werden Führungen durch die Jüdische Volkshochschule angeboten.
Auf dem Friedhof befinden sich die Gräber folgender Prominenter (Quelle Wikipedia):
- Hirsch Aub (1796–1875), Rabbiner in München
- Heinrich Aufhäuser (1842–1917), Bankier, Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde in München
- Michael Beer (1800–1833), Dichter, Bruder von Giacomo Meyerbeer
- Max Grünbaum (1817–1898), Orientalist und Hebraist
- Hessekiel Hessel (1755–1824), Rabbiner, erster Gemeindevorsteher der Münchner jüdischen Gemeinde
- Salomon Hirschfelder (1831–1903) Genremaler, Erfinder eines speziellen Fotoapparats
- Carl Maison (1840–1896), Kaufmann
- Otto Perutz (1847–1922), Chemiker und Gründer der Perutz-Photowerke
- Jacques Rosenthal (1854–1937), Buchhändler und Antiquar
- Julius Thannhauser (1860–1921), Hutmacher und Volkssänger
Es existieren auch neun Grabstätten von Opfern, die in der Shoa umgekommen sind und hier zwischen 1933 und 1940 bestattet wurden. Die Bayerische Schlösserverwaltung hat sie nach dem Krieg als KZ-Grabstätten tituliert und deren Pflege übernommen.
Die Bestatteten (Quelle Wikipedia):
- Karl Bick (1878–1940), Kaufmann, Selbstmord
- Gustav Böhm (1880–1938), Rechtsanwalt, im KZ Dachau ermordet
- Karl Feust (1887–1938), Rechtsanwalt, nach Misshandlungen im KZ Dachau gestorben
- Bernhard Haas (1871–1938), Gutsbesitzer, im KZ Dachau ermordet
- Erwin Kahn (1900–1933), im KZ Dachau „auf der Flucht“ angeschossen und verstorben
- Max Luber (1869–1939), im KZ Dachau ermordet
- Albert Neustätter (1874–1938), Kaufmann, im KZ Dachau ermordet
- Hans Schloss (1901–1938), Kaufmann, im KZ Dachau ermordet
- Alfred Strauss (1902–1933), Rechtsanwalt, im KZ Dachau ermordet
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