Beruf
Rabbiner
Geburtsdatum
23.11.1921
Geburtsort
Berlin Prenzlauer Berg
Gender
Mann
Sonstiger Name
Nathan Peter Lewinski
Stationen
Titel
Jugend in Berlin
Von
1921
Bis
1940
Adresse

Wilsnacker Straße
10556 Berlin
Deutschland

Geo Position
52.53125, 13.34966
Stationsbeschreibung

Nathan Levinson wurde am 23. November 1921 in Berlin, Prenzlauer Berg, als Nathan Peter Lewinski geboren. Seine ersten zwanzig Lebensjahre wurden von den Nazis und ihren Gesetzen geprägt. Seine Gymnasialzeit begann als Schüler eines öffentlichen Gymnasiums. Nachdem er von nationalsozialistischen Mitschülern verprügelt worden war, besuchte er eine jüdische Privatschule, nach Auflösung aller jüdischen Privatschulen nach den Pogromen vom November 1938, konnte er nur noch das Gymnasium der Jüdischen Gemeinde in der Wilsnacker Straße besuchen, wo er im Jahr 1940 das Abitur ablegte. Nach dem Abitur begann er seine Studien an der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums. Hier traf er auf Menschen, deren Freundschaft und Einfluss ihn ein Leben lang prägten. Die theologischen und politischen Sichtweisen des Rabbiners und Wissenschaftlers Leo Baeck bildeten eine Richtschnur für Levinsons Leben.

Titel
Jahre in den USA
Von
1941
Bis
1953
Adresse

3101 Clifton Ave
Cincinnati, OH 45220
Vereinigte Staaten

Adressbeschreibung
Hebrew Union College - Jewish Institute of Religion
Geo Position
39.139443, -84.520808
Stationsbeschreibung

1941 emigrierte Familie Levinson über Polen, Russland, Korea und Japan in die USA und ließ sich in Cincinnati, Ohio, nieder. Er nannte sich in Levinson um und setzte seine Studien am dortigen Hebrew Union College fort, die er nach sechs Jahren, 1946 mit der Ordinierung zum Rabbiner abschloss. Levinson heiratete 1947 Helga Heimberg in Cincinnati, 1952 wurde Tochter Sharon geboren. Sein ehemaliger Lehrer aus Berlin, Leo Baeck, hatte von 1948-1953 eine Professur am Hebrew Union College und überredete Levinson, als Rabbiner nach Deutschland zu gehen.

Titel
Rückkehr nach Deutschland
Von
1953
Bis
1968
Adresse

Rammstein Air-Base
66877 Ramstein-Miesenbach
Deutschland

Geo Position
49.44014, 7.595881
Stationsbeschreibung

1950 kam Levinson als Vertreter der Weltunion für das progressive Judentum nach Berlin, wo er bis 1953 als Landesrabbiner amtierte. Nach einer zusätzlichen Ausbildung zum Militärrabbiner kam er über eine Station in Japan schließlich nach Ramstein Air Base, wo er bis 1961 blieb. Bereits zu jener Zeit hatte er Kontakte zu den Gemeinden in Heidelberg und Mannheim geknüpft. Nachdem er seine Zeit als Militärrabbiner beendet hatte, wurde Heidelberg zum Lebensmittelpunkt der Familie. Kurz nach Abschluss ihres Medizinstudiums erlag Helga Levinson 1968 einem langen Krebsleiden und ist auf dem jüdischen Friedhof in Heidelberg begraben.

Titel
Als Reiserabbiner in Deutschland
Von
1962
Bis
1964
Adresse

F3 4
68159 Mannheim
Deutschland

Geo Position
49.489709, 8.465425
Stationsbeschreibung

1962 wurde Levinson Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 1964 wurde er Landesrabbiner von Baden und gleichzeitig Landesrabbiner von Hamburg und Schleswig-Holstein. Die Mitgliederzahlen der einzelnen Gemeinden waren noch vom Aderlass der Shoa bestimmt, die Zahl der Gemeinden klein. So hatte Baden zu der Zeit sechs Gemeinden, heute sind es zehn. Mannheim, Hamburg, Schleswig-Holstein – die Beschreibung „der Reiserabbiner“ wurde Realität. Die Gemeinden waren zu klein, um sich einen eigenen Rabbiner leisten zu können. In Baden gab es keine eigenständigen liberalen Gemeinden, in Schleswig-Holstein waren fast alle Gemeinden liberal ausgerichtet. In den anderen Bundesländern waren es Einheitsgemeinden, in denen Juden verschiedener Richtungen einen Platz finden sollten. Die Gesamtzahl der Gemeindemitglieder in Deutschland belief sich auf 15.000. Levinson fuhr oft mit der Bahn. Seine vielen anderen Verpflichtungen auch außerhalb der Gemeindearbeit erforderten eine gute Zeiteinteilung.

Titel
Vermittler zwischen den Religionen
Von
1964
Bis
1984
Adresse

Otto-Weiß-Str. 2
61231 Bad Nauheim
Deutschland

Geo Position
50.361241545541, 8.7399600837569
Stationsbeschreibung

Was hieß es, nach der Shoa ein Rabbiner in Deutschland zu sein? 1964 wurde Levinson Vorsitzender der Rabbinerkonferenz der Bundesrepublik Deutschland und von 1965 an war er fast 20 Jahre lang der jüdische Vorsitzender des deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Bad Nauheim. Zwei wichtige Positionen, die wie eine Klammer die christlich-jüdische Welt umspannen. Levinson war ein Verfechter des Dialogs zwischen den Religionen. Bei der kleinen Zahl an Juden*Jüdinnen in Deutschland, von der die meisten derart traumatisiert von ihren Erlebnissen waren, dass sie jeglichen Kontakt zur christlichen Menschen mieden, gab es nur wenige Menschen auf jüdischer Seite, die den Dialog führen konnten. Diese Arbeit war oft ein Spagat. Levinson erhob immer seine Stimme, wenn das jüdische Erbe drohte vergessen zu werden. Ein großes Stück Arbeit war und ist die Vermittlung von Informationen über das Judentum – man begegnet sich heute auf Augenhöhe und kann gemeinsam Projekte und Initiativen starten, deren Wirkung weit in die Zukunft reicht. Nur das Wissen um den anderen kann eine nochmalige Shoa verhindern. Diese Überzeugung Levinsons führte zu seinem Engagement außerhalb der Arbeit für und in den jüdischen Gemeinden. Seien es Rundfunkansprachen zum Judentum, seien es christliche Veranstaltungen zu jüdischen Themen, seien es die Kirchentage, Levinson war der Zugang zu den Jungen wichtig. Wann immer möglich, nahm er jüdische Studierende zu den Veranstaltungen mit, die in den Dialogprozess eingebunden wurden. Diese Begegnungen waren für einige dieser jungen Menschen prägend für ihren Umgang mit dem nicht-jüdischen Umfeld.

Titel
In der Tradition der Jüdischen Lehre
Von
1965
Bis
1979
Adresse

Landfriedstraße 12
69117 Heidelberg
Deutschland

Geo Position
49.410783, 8.701546
Stationsbeschreibung

Levinsons Arbeit in den Gemeinden sowie den verschiedenen christlichen und jüdischen Institutionen ließ in ihm und seiner zweiten Frau Pnina Nave´-Levinson den Wunsch reifen, in Deutschland wieder eine Rabbinerausbildung in Heidelberg möglich zu machen. Die Zahl der Gemeinden war ja noch so gering, dass viele Entscheidungsträger sich eine Rabbinerausbildung in Deutschland gar nicht vorstellen konnten. Lediglich die großen Gemeinden in den Großstädten wie Berlin, Hamburg, Köln und Frankfurt hatten angestelltes religiöses Personal. Die anderen Gemeinden rekrutierten das religiöse Personal aus den eigenen Reihen, engagierten einen Rabbiner für die Hohen Feiertage oder ein Rabbiner versorgte mehrere Gemeinden gleichzeitig. Levinson hatte auf Grund seiner Arbeit in mehreren Gemeinden  einen guten Überblick darüber, was ihnen fehlte. Dies ließ in ihm und seine Frau Pnina den Wunsch nach einer Rabbinerausbildung in Deutschland wachsen. Dieser Wunsch bestimmte sein ganzes berufliches Leben und er machte seinen politischen und theologischen Einfluss geltend, um seine Vision immer zur Sprache zu bringen. In der Tradition der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums wollte Levinson in Heidelberg eine Hochschule gründen, die Rabbiner*innen, Kantor*innen und Religionslehrer*innen ausbildet. 1979 wurde in Heidelberg die Hochschule für Jüdische Studien gegründet, in der anfangs keine Rabbiner*innen und Kantor*innen ausgebildet wurden. Im Jahr 2000 ist Levinsons Wunsch in Erfüllung gegangen: an der HfjS wurden nun auch Rabbiner*innen ausgebildet.

Titel
Ein aktiver Ruhestand zwischen Baden, Jerusalem und Mallorca
Von
1978
Bis
1998
Adresse

Deià
07179 Deià Balears
Spanien

Geo Position
39.748299274811, 2.6483933272721
Stationsbeschreibung

Mit Erreichen des Pensionsalters zog sich Rabbiner Levinson 1985 von seinen offiziellen Posten zurück. Er blieb aber seiner Gemeinde Mannheim verbunden. Die Gemeinde zeigte ihre Wertschätzung seiner Arbeit und seines Engagements, seiner Persönlichkeit, indem sie ihn am 23. Januar 1994 zum Stadtrabbiner ehrenhalber ernannte. Zu den Hohen Feiertagen amtierte Levinson noch oft in „seinen“ Gemeinden. Insgesamt führte er weiterhin ein aktives Leben. Er teilte seine Zeit zwischen seinem Haus auf Mallorca, im Künstlerdorf Deia` und Jerusalem, wo die Familie seiner Frau Pnina lebt. Beide führten am jeweiligen Ort ein offenes, gastfreundliches Haus. Zusammen mit Baden bildete sich ein Dreieck von Lebensmittelpunkten. 1998 verstarb Pnina Nave`- Levinson nach einer Herzoperation und wurde in Israel begraben. Beide hatten 1970 geheiratet.

Titel
Zurück zu den Wurzeln
Von
2002
Bis
2016
Adresse

Passauer Str. 5-7
10789 Berlin
Deutschland

Geo Position
52.501854943254, 13.339515469316
Stationsbeschreibung

2002 etablierte sich Levinson wieder in Berlin, kehrte zu seinen Wurzeln zurück. An Demenz erkrankt, verbrachte er die letzten Lebensjahre im Altersheim Tertianum, wo er wenige Wochen vor seinem 94. Geburtstag, am 27.Oktober 2016 verstarb. Wann immer Mitglieder „seiner“ Gemeinden in Berlin weilten, besuchten sie ihren Rabbiner. Erinnerungen kamen auf an die Studentenfeiern, an denen er gerne und oft teilnahm, an seine Großzügigkeit und den religionsphilosophischen Predigten, die herausforderten. Nathan Peter Levinson, Rabbiner, Gelehrter, Menschenfreund. Sein Leben und Wirken waren von einer tiefen Religiosität, einem scharfen Humor und einer lebenspraktischen Liebe geprägt.

Sterbedatum
27.10.2016
Sterbeort
Berlin Mitte

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Autor
Schoschana Maitek-Drzevitzky