Kettengasse 9
97070 Würzburg
Deutschland
Isak Unna wurde am 29. Februar 1872 in Würzburg geboren. Sein Vater Moses Unna (1824-1888) war Prediger und Religionslehrer in Würzburg, seine Mutter Zerla, geb. Bamberger (1834-1896) war die Tochter von Seligmann Bär Bamberger, des als „Würzburger Raw“ bekannten Rabbiners. Er hatte acht Geschwister. Die Familie wohnte in der Kettengasse 9 unweit der Hauptsynagoge in der Domerschulstr. 21, die 1841 durch Isaks Großvater, dem „Würzburger Raw“, eingeweiht worden war.
Dieser war in der frommen und an Rabbinern reichen Familie der einflussreichste Gelehrte. Seligmann-Bär Bamberger (1807-1878) war Distriktsrabbiner in Würzburg, Leiter einer Talmudhochschule und Anführer der süddeutschen Orthodoxie. Als solcher sprach er sich gegen die Abspaltung von orthodoxen Austrittsgemeinden aus und bekannte sich zum Verbleib der Gesetzestreuen in der Gesamtgemeinde, was als Gemeindeorthodoxie bezeichnet wurde. 1864 gründete er die Israelitische Lehrerbildungs-Anstalt Würzburg, an der er als Seminarlehrer wirkte. Isak Unnas Wirken zeigte später deutliche Parallelen zum Wirken seines Großvaters auf.
1889 begann Isak Unna sein Studium in Altphilologie an der Universität Würzburg
Siegmunds Hof 11
10555 Berlin
Deutschland
1890-1895 setzte Isaak Unna sein Philologiestudium an der Universität Berlin fort. Gleichzeitig studierte er dort am orthodoxen Rabbinerseminar. Dieses Seminar war 1873 von Dr. Esriel Hildesheimer (1820-1899) innerhalb der Israelitischen Synagogengemeinde Adass Jisroel gegründet worden, um sich gegen ähnliche Einrichtungen der liberalen Juden abzugrenzen. Hildesheimer bezog Positionen gegen das Reformjudentum und kämpfte gegen den aufkommenden Antisemitismus. Er half den Opfern der russischen Pogrome und unterstützte ihre Ansiedlung in Palästina. Das Hildesheimer´sche Rabbinerseminar bestand ursprünglich in der Berliner Gipsstraße, später in der Artilleriestraße und ab 1924 im Siegmundshof 11.
1895 legte Isak Unna an der Universität Berlin seine Dissertation „Über den Gebrauch der Absichtssätze bei Philo von Alexandrien“ vor und erwarb ein Jahr später am orthodoxen Rabbinerseminar das Rabbinerdiplom.
Das weltlich-theologische Doppelstudium war Ausdruck von Unnas Haltung und bestärkte ihn in seiner späteren Rolle als Vermittler zwischen Orthodoxie und weltlicher Bildung. Diese Einstellung zeigt sich auch in der Figur seiner Doktorarbeit Philon von Alexandria (um 10 v.d.Z. – 40 n.d.Z.), der die Symbiose aus Judentum und Hellenismus im Diasporajudentum des 1. Jahrhunderts beispielhaft darstellt.
F 1, 11
68159 Mannheim
Deutschland
Nach einer Zwischenphase als Rabbinatsverweser an der Israelitischen Religionsschule in Frankfurt am Main (1896-1897) wurde Dr. Isak Unna zum 1. Januar 1898 an die orthodoxe Mannheimer Klaussynagoge berufen. Hier lehrte und wohnte er im Gebäude des 1708 von dem Hofjuden Lemle Moses Reinganum gegründeten Lehrhauses in F 1, 11. Die „Klaus“ war als Lemle Moses-Klaussynagoge nach der 1855 erfolgten Einweihung der liberalen Hauptsynagoge mit Orgel in F 2, 13 zum Zentrum der orthodoxen Gemeindemitglieder geworden. Bis zu seiner Alliah im Jahr 1935 amtierte Dr. Unna als Rabbiner an der Klaus. Durch sein überzeugendes Wirken gelang es ihm, in der mehrheitlich religiös-liberalen Gemeinde die Orthodoxie aufzuwerten. 1920 wurde er zum Stadtrabbiner ernannt und den beiden liberalen Stadtrabbinern rechtlich gleichgestellt. Er erhielt alle Rabbinatsbefugnisse. Nun hatte jedes Gemeindemitglied die Möglichkeit, sich den Rabbiner seines Vertrauens zu wählen.
Die Gebäude der Klaus von 1888 im „maurischen Stil“ empfand man inzwischen als veraltet und sie war, nicht zuletzt durch Dr. Unnas überzeugendes Eintreten für die Orthodoxie, zu klein geworden. Ein 1930 auf seine Veranlassung erfolgter Umbau schuf einen weitaus geräumigeren Synagogenraum im Stil der Neuen Sachlichkeit. Den Erfordernissen eines orthodoxen Gottesdienstes wurde durch die symbolische Trennung der Frauenempore durch ein Gitter entsprochen.
F 1, 11
68159 Mannheim
Deutschland
Dr. Unna war ein sehr produktiver Autor. Seine Buch-, Zeitschriften- und Zeitungsveröffentlichungen oder gedruckte Reden erstrecken sich über einen Zeitraum von 58 Jahren und umfassen mehr als 250 Publikationen, die jüdische Themen aus orthodoxer Sicht behandeln. Nicht immer nahm er persönlich Stellung, sondern stellte die verschiedenen Positionen mit der pädagogischen Absicht dar, die facettenreiche Vielfalt des Judentums aufzuzeigen.
Einen Schwerpunkt bilden die Personenportraits von der Antike bis zur Jetztzeit. Dabei sind historische Autoritäten wie der Arzt und Philosoph Maimonides (um 1135-1204), Judah Löw, der „hohe“ Rabbi Löw (um 1520-1609), Rabbi Elia, der Gaon von Wilna (1720-1797) oder Rabbi Schne´ur Salman aus Ladi (1745-1812), der Begründer der chassidischen Chabad-Lubawitscher-Bewegung, ebenso vertreten wie zeitgenössische jüdische Persönlichkeiten. Zum 200. Jubiläum der Klaussynagoge im Jahr 1908 verfasste er die Chronik der Einrichtung, an der er noch fast drei Jahrzehnte amtieren sollte.
Zu tagesaktuellen Themen bezog er aus der Sicht der Orthodoxie Stellung. So verfasste er anlässlich der Erbauung des Mannheimer Krematoriums Schriften über den jüdischen Standpunkt gegenüber der „Leichenverbrennung“. Fragen rund um das Schächten und den Tierschutz griff Dr. Unna ebenso auf wie geschichtliche und religiöse Themen vielerlei Art. Seine umfangreiche schriftstellerische Tätigkeit und seine vielbeachteten Responsen machten ihn in orthodoxen Kreisen nicht nur in Mannheim zum richtungsweisenden Ratgeber.
F 1, 11
68159 Mannheim
Deutschland
1908 erhielt Rabbiner Dr. Unna von Großherzog Friedrich von Baden das „Ritterkreuz zweiter Klasse des Ordens zum Zähringer Löwen“ verliehen. Er trug es nur einmal, als er es in Karlsruhe vom Großherzog überreicht bekam.
1921 ernannte ihn die badische Landessynode zum Mitglied. 1923 Mitbegründer und späterer Leiter der Organisation „Achduth“ (Einheit), eine der Vereinigungen gesetzestreuer Juden in Deutschland.
1925 wurde er Konferenzrabbiner im Oberrat der Israeliten Badens. Rabbiner Dr. Unna vertrat die Ansicht, dass orthodoxe Juden innerhalb einer mehrheitlich liberalen Gemeinde verbleiben sollten, wenn ihnen diese die Einrichtungen für observantes Leben bereitstellt. Ganz in der Tradition seines Vorfahren Seligmann Bär Bamberger widersprach Dr. Unna den Verfechtern der orthodoxen "Austrittsgemeinde", wie sie einst der Frankfurter Rabbiner Samson Raphael Hirsch (1808-1888) gefordert hatte.
Mit 60 Jahren wurde Dr. Unna 1932 zum Vorsitzenden der „Vereinigung traditionell-gesetzestreuer Rabbiner Deutschlands“ ernannt. Sein entschiedenes Eintreten für orthodoxe Belange machte ihn zum geistigen Führer der Gemeindeorthodoxie in Deutschland.
Ussishkin 18
Jerusalem
Israel
Rabbiner Dr. Unna vertrat nicht den politischen Zionismus, sondern die Auffassung, dass ein Jude überall auf der Welt die Gebote befolgen könne. Unter dem Eindruck der Ereignisse in Nazideutschland folgte er jedoch 1935 seinen bereits nach Palästina ausgewanderten Kindern. In Jerusalem gründete Rabbiner Dr. Unna 1937 die Synagoge Binjan Zion, die als „Unna-Synagoge“ stadtbekannt war. Sein Enkel Issachar erinnert sich: „Einen großen Teil meiner jüdischen Ausbildung und meines jüdischen Lebens habe ich bei den Gottesdiensten und in der wunderbaren Atmosphäre dieses Hauses erfahren. Viele religiöse Gedichte unserer großen mittelalterlichen Dichter, Jehuda Halevi, Ibn-Gvirol usw. lernte man dort kennen, viel mehr als in den meisten anderen Synagogen Israels, und oft mit bezaubernden Melodien vorgetragen. Gottesdienste fanden wochentags jeden Morgen statt, samstags und an Feiertagen auch nachmittags und abends. Die Teilnahme variierte zwischen 15-20 an Wochentagen bis zu 70-80 an den Hohen Feiertagen. Ich erinnere mich an die beeindruckenden Predigten und öffentlichen Lehrvorträge von Opa.“
Nach Dr. Unnas Tod 1948 wurden die Gottesdienste bis 2004 fortgesetzt. Die Synagoge wurde von der Familie des Sohnes Viktor aufrechterhalten, die Tochter Suse lebte in der Wohnung. Doch nach deren Tod musste die Synagoge trotz aller Bemühungen, sie zu bewahren, aufgegeben werden.
POB 57034
Jerusalem
Israel
In seinen Jerusalemer Jahren bot Rabbiner Dr. Unna zahlreichen orthodoxen deutschen Juden religiöse Orientierung und Heimat. Zu seiner früheren Gemeinde in Mannheim behielt er den Kontakt aufrecht. So betreute er aus der Ferne die erzwungene Umbettung der Toten des alten jüdischen Friedhofs in F 7. Die heutigen Inschriften der beiden Gedenktafeln am Sammelgrab des neuen Friedhofs sind seine Worte.
In Jerusalem gründete er eine Chewra Kadischa, eine Beerdigungsbruderschaft, und er machte sich durch die Neuordnung des Beerdigungswesens in der heiligen Stadt verdient. Er starb am 19. Mai 1948, inmitten der Belagerungskämpfe, wenige Tage nach der Gründung des Staates Israel.
Dr. Unnas Enkel Issachar: „Seine Beerdigung war ein großes Problem. Die Friedhöfe standen unter schwerem Feuer, die Bestatter hatten Angst, ihre Häuser zu verlassen. Mein Vater übernahm alles. Er grub das Grab im Garten ihres Hauses und baute einen Sarg, alles mit unserer und guter Nachbarn Hilfe. Trotz der Gefahr kamen viele Menschen zu Ehren von Opa zur Beerdigung, so der Leiter der Chewra Kadischa, der einer der Gründer der Beerdigungsbruderschaft gewesen war. Ich erinnere mich an seinen schönen Gesang der Gebete. Drei Jahre später wurde der Verstorbene auf dem Friedhof Sanhedria zur letzten Ruhe gebettet.
Wenn ich heute an Opa denke, bin ich fasziniert, wie schnell und wunderbar er sich damals den neuen Umständen und Situationen in Palästina anpasste. Mit weit über 60 Jahren gelang ihm die Gründung einer neuen und lebendigen Synagoge und er wurde ein hoch angesehenes Mitglied des israelischen Rabbinats und der orthodoxen Gesellschaft Israels.
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