Stadtspaziergang Heidelberg am Neckar

Die Universitätsstadt Heidelberg, malerisch am Fuße des Odenwaldes, zu beiden Seiten der Mündung des Neckars in die Oberrhein-Ebene gelegen, zählt heute mit ihren mehr als 150.000 Einwohner*innen zu den fünf größten Städten Baden-Württembergs. In den Tourismus-Agenturen dieser Welt ist der renommierte Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort freilich durch seine romantische Altstadt samt Schlossruine (von 1688/93) bekannt. 1196 erstmals urkundlich erwähnt, war Heidelberg zunächst im Besitz des Bistums von Worms und kam 1225 als Lehen an die Pfalzgrafen bei Rhein. Burg und Stadt wurden nach 1356 zur Residenz der Kurfürsten von der Pfalz ausgebaut. Bereits zuvor, unter dem Schutz der Pfalzgrafen, hatten sich hier um 1275 auch die ersten jüdischen Familien niedergelassen, mit den Pestpogromen (1348/49) bzw. unter Kurfürst Ruprecht II. (1390) wurden sie jedoch zweimal vertrieben. Ende des 17. Jahrhunderts konnte sich eine dritte jüdische Gemeinde etablieren. Sie wuchs erst unter badischer Herrschaft (nach 1803) an und erreichte 1925 mit 1.412 jüdischen Einwohner*innen ihren Höchststand. Mit den Deportationen nach Gurs 1940 erstarb jegliches jüdisches Leben in der Stadt. Nach zögerlichen Neuanfängen 1945/46 zählt die vierte „Jüdische Kultusgemeinde Heidelberg K.d.ö.R.“ heute wieder gut 450 Mitglieder.

Adresse

Marktplatz
69117 Heidelberg
Deutschland

Dauer
33.00
Literatur
Löwenstein, Leopold : Beiträge zur Geschichte der Juden in Deutschland, Band I: Geschichte der Juden in der Kurpfalz, Frankfurt/M. 1895.
Löslein, Barbara: Geschichte der Heidelberger Synagogen, Heidelberg 1992,Kunsthistorisches Institut der Universität Heidelberg, hrsg. Peter Anselm Riedl; Heft 26
Blum, Peter (Hrsg.): Geschichte der Juden in Heidelberg, Heidelberg 1996;
Hahn, Joachim/ Krüger, Jürgen : „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus…“ Synagogen in Baden-Württemberg, Band 2: Orte und Einrichtungen, Stuttgart 2007, S. 181-190;
Magall, Miriam: Ein Rundgang durch das jüdische Heidelberg, Heidelberg 2006
Länge
2.30
Stationen
Adresse

Marktplatz
69117 Heidelberg
Deutschland

Geo Position
49.412083333333, 8.7105
Titel
Marktplatz
Literatur
Geiger, Markus: Hermann Maas – eine Liebe zum Judentum. Leben und Wirken des Heidelberger Heiliggeistpfarrers und badischen Prälaten, Heidelberg 2016
Stationsbeschreibung

„dass ewiclich kein jude oder judynne in slossern und lande der pfaltz und herzogtums obgenant wonen, sesshaftig oder blibehafftig sin sol.“ (Kurpfälzisches Dekret vom 1.8.1401) Am Heidelberger Marktplatz – dem historischen Zentrum der Stadt – treffen sich heute Tourist*innen aus aller Welt. Als „jüdischer Ort“ erzählt er gleich mehrfach von Zeiten der Ausgrenzung und Verfolgung…

Dieser Spaziergang durch das „jüdische Heidelberg“ beginnt im Herzen der Stadt – am Marktplatz. Barockes Rathaus (1701-03) und Herkulesbrunnen (1706-09) sind beliebte Fotomotive, ebenso das „Haus zum Ritter“ (1592). Rund um die gotische Heiliggeistkirche (1398-1515) reihen sich die Souvenirstände. Historisch steht der Markt freilich weniger für Weltoffenheit und die Anwesenheit auch jüdischer Kaufleute in der Stadt – denn für deren Ausgrenzung und Verfolgung: Zwar garantierten Pfalzgrafen und Kurfürsten den Schutz der hier seit dem 13. Jahrhundert ansässigen Familien, Stadtrat und Zünfte versuchten die jüdische Konkurrenz jedoch stets klein zu halten. Nach dem Tode Ruprechts I. (1390) stimmten seine Nachfolger der dauerhaften Vertreibung zu – für fast drei Jahrhunderte, mit einzelnen befristeten Ausnahmen. Zeitgleich wurde die Stadt erheblich erweitert. So baute man ab 1398 auch die imposante Heiliggeistkirche zur kurfürstlichen Grablege um. Ein Besuch lohnt. Am Eingang wird auf Hermann Maas (1877-1970) hingewiesen: langjähriger Stadtpfarrer (1915-43), ein Pionier des jüdisch-christlichen Dialogs, Zionist und erklärter Nazi-Gegner. 1966 wurde er in Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt. Gleich an der Ecke, Hauptstraße 187, erinnern seit 2015 vier „Stolpersteine“ an die Heidelberger Schneiderfamilie Julius Wertheimer.

Adresse

Dreikönigstraße 25 / Ecke Untere Straße 24
69117 Heidelberg
Deutschland

Geo Position
49.412222222222, 8.7079166666667
Titel
Mittelalterliche Synagoge
Literatur
Löslein, Barbara: Geschichte der Heidelberger Synagogen, Heidelberg 1992, S. 12-20
Stationsbeschreibung

„Alle inwohner, so zu Heidelberg wohnen, es seind Christen, pfäffen, laien oder Juden, zu schützen oder schirmen.“ (Heidelberger Stadtordnung von 1357)

Die Synagoge der (zweiten) mittelalterlichen Gemeinde befand sich in der Dreikönigstraße 25 / Untere Straße 24. Am 26. Dezember 1390 wurde sie zur Marienkapelle umgeweiht…

 

Ein paar Schritte vom Marktplatz entfernt liegt die heutige Dreikönigstraße, bis 1832 noch „Judengasse“ genannt. Genau hier lässt sich das jüdische Wohnquartier vor 1390 ausmachen. Neben Synagoge und Mikwe verfügte die Gemeinde wohl über eine eigene Jeschiva, ein Rabbinatsgericht und einen Friedhof (an der heutigen Plöck). Das Synagogengebäude befand sich in der Dreikönigstraße 25 (Ecke Untere Straße 24), vermutlich ein Saalbau Richtung Osten, dazu ein Vorderhaus mit Mikwe, Innenhof und Garten. Die Anlage dürfte erst aus der Zeit nach den Pestverfolgungen von 1348/49 stammen, als Ruprecht I. – gegen Zahlung hoher Schutzgelder – erneut einige jüdische Familien aus Speyer und Worms in Heidelberg aufnahm. Diese zweite mittelalterliche Gemeinde hatte kaum vierzig Jahre Bestand, bis sie im Herbst 1390 unter Ruprecht II. vertrieben wurde. Dieser übereignete ihren gesamten Besitz – Grundstücke und Häuser, Synagogeninventar und Handschriften – der erst 1386 gegründeten Universität. Die ehemalige Synagoge wurde am zweiten Weihnachtsfeiertag 1390 vom Wormser Bischof zur Marienkapelle umgeweiht und nachfolgend als Versammlungs- und Hörsaal genutzt. Bei Zerstörung Heidelbergs 1689 brannte das Gebäude nieder – auf der Stadtansicht Merians um 1620 ist es noch zu sehen…

Adresse

Dreikönigstraße / Ecke Lauerstraße
69117 Heidelberg
Deutschland

Geo Position
49.413222222222, 8.7076111111111
Titel
Mittelalterliche „Judengasse“ und „Judentor“
Stationsbeschreibung

„Hier stand das Judentor der mittelalterlichen Stadtbefestigung, erbaut im 13. Jahrhundert…“

Eine Tafel am Eckhaus Dreikönigstraße 2 liefert heute einen der wenigen Hinweise auf die Existenz einer jüdischen Gemeinde im mittelalterlichen Heidelberg – und ist dennoch deplatziert…

 

Entlang der Dreikönigstraße – 1832 nach dem Wirtshaus „Zu den drei Königen“ (Hauptstraße 160) benannt – führt der Weg hinunter Richtung Neckar. Hier, am nördlichen Ende der ehemaligen Judengasse, befand sich einst das „Judentor“ als Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung – so auch noch auf Merians Stadtansicht von 1620 zu sehen. Anders als die Hinweistafel am Eckhaus zur Lauerstraße jedoch vermuten lässt, verlief die Mauer am Flussufer, entlang der heutigen Neckarstaden: Das „Judentor“ versperrte also keineswegs den Zugang zur Judengasse gleich einem „Ghetto“, vielmehr konnten sich die vom Pfalzgrafen privilegierten jüdischen Familien – zum Ärger der Stadtbürger – in allen Teilen Heidelbergs niederlassen. Der erste urkundliche Nachweis stammt vom 1. Mai 1275 (die „Judengasse“ wird erst 1374 erwähnt), vermutlich sind aber schon zuvor, im Laufe des 13. Jahrhunderts, einzelne „Schutzjuden“ zugelassen worden. Auch die Erwähnung eines „Judenkirchhofes“ an der heutigen Plöck (zwischen Sandgasse und Theaterstraße) im Jahr 1344 lässt auf die Existenz einer – ersten – jüdischen Gemeinde schließen. Diese fiel freilich 1348/49 den Pestpogromen grausam zum Opfer, ihr Eigentum wurde konfisziert. Das „Judentor“ wurde 1689/93 zerstört, allein der Torbogen blieb noch bis 1805 stehen…

Adresse

Große Mantelgasse 1 / Ecke Lauerstraße 2-4
69117 Heidelberg
Deutschland

Geo Position
49.413166666667, 8.7061111111111
Titel
Betsaal im Haus „Zur blauen Lilie“
Literatur
Löslein, Barbara: Geschichte der Heidelberger Synagogen, Heidelberg 1992, S. 21-82
Stationsbeschreibung

„Ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt.“ (Festpredigt über Psalm 26:8 zur Einweihung der Synagoge am 12. April 1878)

Am „Alten Synagogenplatz“, zwischen Großer Mantelgasse und Lauerstraße, fand die dritte jüdische Gemeinde Heidelbergs ab 1714 ein neues Zuhause – und hier verlor sie es im November 1938…

 

Wenige Schritte entlang der Lauerstraße liegt der „Alte Synagogenplatz“. Auch nach seiner Benennung 1956 war hier, am Standort der zweiten Heidelberger Synagoge, nicht mehr viel zu sehen. Ein erster Gedenkstein der jüdischen Gemeinde (1948) – heute wieder am alten Platz – war 1952/53 auf den Bergfriedhof verfrachtet, das restituierte Grundstück 1955 an die Stadt verkauft worden. Erst 2001 entschied man sich zur Umgestaltung des Areals als „begehbares“ Mahnmal, 2004 folgte eine Gedenktafel für die jüdischen NS-Opfer. Die Geschichte der (dritten) Heidelberger Gemeinde beginnt Ende des 17. Jahrhunderts. Gottesdienste durften nur in Privaträumen gefeiert werden, so seit 1700 im Haus des Feist Löw Oppenheimer (Merianstraße 3). Nach Protest des benachbarten Jesuitenkollegs zog die Gemeinde 1714 in das abgelegene Haus „Zur blauen Lilie“ (Große Mantelgasse 1) um, wo – wie die Polizeikommission befand – „niemand inkommodiert noch geärgert werden“ könne. An gleicher Stelle entstand 1875-78 die Heidelberger Synagoge. 1913 wurde sie nach Osten erweitert, eine Orgel ersetzte das Harmonium. Am frühen Morgen des 10. November 1938 wurde das Gotteshaus von Heidelberger SA-Männern geplündert und in Brand gesteckt. Im Februar 1939 brach man die Ruine ab. Keine zwei Jahre mehr diente der orthodoxe Betsaal (Plöck 35) als Ersatz…

Adresse

Universitätsplatz
69117 Heidelberg
Deutschland

Geo Position
49.411027777778, 8.7061944444444
Titel
Universität Heidelberg
Literatur
Schaffrodt, Petra / Hüfner, Jörg: Juden an der Universität Heidelberg. Dokumente aus sieben Jahrhunderten, hrsg. Universitätsbibliothek Heidelberg, Heidelberg 2002
Stationsbeschreibung

„Dem lebendigen Geist“ (Widmung von Friedrich Gundolf, 1930)

Weltoffenheit und wissenschaftliche Exzellenz prägten die Universität Heidelberg seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Am 17. Mai 1933 wurden auch hier Bücher verbrannt…

 

Der Weg zum Universitätsplatz führt am Heumarkt 1 vorbei, dem „Sibley-Haus“, Heidelbergs erstem Studierendenwohnheim (1927). Von 1823 bis 1926 befand sich hier das koscher geführte Gasthaus „Zum goldenen Ross“, ein Mittelpunkt jüdischen Lebens in der Stadt, für unzählige Feiern und Versammlungen, für Familien und Vereine. Dazu zählte auch die „Badenia“, Heidelbergs erste jüdische Studentenverbindung, die 1890 als Antwort auf den zunehmenden Antisemitismus im Deutschen Reich (und speziell in akademischen Kreisen) gegründet wurde. Auch in Heidelberg tat man sich mit den Ideen von Freiheit und Toleranz zunächst schwer: Ab dem 16. Jahrhundert hatte sich die Universität zu einem Zentrum für hebräische Studien entwickelt, der erste jüdische Medizinstudent wurde freilich erst 1724 zugelassen. Nach 1809 standen dann – theoretisch – alle Fakultäten offen, vor 1861 fand sich jedoch kein jüdischer Ordinarius. Gut sechzig Jahre später machte ihr Anteil etwa 18% aus, und auch jüdische Studierende waren aus dem Leben der Stadt nicht mehr wegzudenken: „Dem lebendigen Geist“, eine Widmung des Literaturhistorikers Friedrich Gundolf, prangte seit 1930/31 über dem Portal der Neuen Universität… Dann begann der Exodus. 1938 brannten auf dem Universitätsplatz die Tora-Rollen der zerstörten Synagoge.

Adresse

Klingenteichstraße
69117 Heidelberg
Deutschland

Geo Position
49.407611111111, 8.7075277777778
Titel
Jüdischer Friedhof vor dem Klingentor
Literatur
Brocke, Michael / E. Müller, Christiane: Haus des Lebens. Jüdische Friedhöfe in Deutschland, Leipzig 2001, S.107-108
Magall, Miriam: Ein Rundgang durch das jüdische Heidelberg, Heidelberg 2006, S. 73-85
Stationsbeschreibung

Bejt Olam – Haus der Ewigkeit“

Am Fuße des Heidelberger Gaisberges, außerhalb der alten Stadtmauern, fanden sich einst drei jüdische Friedhöfe. Nur der jüngste von 1702 – 1876 hat sich in der Klingenteichstraße erhalten.

Nur wenige Schritte vom Universitätsplatz entfernt, gegenüber der Universitätsbibliothek, findet sich die Peterskirche, seit 1896 Universitätskirche. Im mittelalterlichen Heidelberg lag sie noch außerhalb der Stadtmauern, und eben dort – entlang der heutigen Plöck, westlich der Sandgasse – konnte die jüdische Gemeinde vor 1344 ihren ersten Friedhof anlegen. Nach der Vertreibung von 1390 wurde dieser völlig zerstört, die Grabsteine „gevierteilt“ und als Baumaterial verkauft (1971 fand sich ein solches Fragment in der Unteren Straße 20). Auch der zweite Friedhof, seit 1688 an der heutigen Plöck 6 (östlich der St. Anna-Kirche) gelegen, musste spätestens 1702 aufgegeben werden. So hat sich nur der dritte Friedhof erhalten, der 1702 „vor dem Klingentor“ an einem Hanggrundstück angelegt wurde. Am Gaisbergtunnel vorbei, führt der Weg durch das alte Stadttor (um 1650) bergaufwärts. Linkerhand, zwischen Haus 3 und 5, liegt das Areal versteckt hinter hohen Mauern. Ein Besuch ist nur nach Absprache möglich. Am Eingangstor grüßen Friedenstaube und Sichelarm als Symbol für Leben und Tod. 180 Grabsteine sind erhalten, der älteste von 1784. Die letzte Beerdigung fand 1876 statt: Nach Protesten der Nachbarschaft musste die jüdische Gemeinde auf den städtischen Bergfriedhof ausweichen…

 

Adresse

Klingenteichstraße 4
69117 Heidelberg
Deutschland

Geo Position
49.40875, 8.705
Titel
Gemeindezentrum mit [1.] Betsaal der Jüdischen Nachkriegsgemeinde (1945/46)
Literatur
Magall, Miriam: Ein Rundgang durch das jüdische Heidelberg, Heidelberg 2006, S. 146-150
Stationsbeschreibung

„Gladius ultor noster – Das Schwert sei unser Rächer!“ (Wappenspruch der „Suevia Heidelberg“)

In der Klingenteichstraße 4 war 1945 die jüdische Nachkriegsgemeinde zu Hause. Im September 1946 zog sie in die Häusserstraße um.

 

Was wäre Heidelberg ohne seine schlagenden Studentenverbindungen? Deren älteste, 1810 gestiftet, ist das „Corps Suevia Heidelberg“. Seit 1905 steht das denkmalgeschützte Corpshaus der „Heidelberger Schwaben“ in der Klingenteichstraße 4. Nichts, auch nicht das Internetportal der „Suevia“, weist heute darauf hin, dass hier die amerikanischen Militärbehörden – nach Befreiung Heidelbergs am 30. März 1945 – die erste Nachkriegssynagoge einrichten ließen. Wo sich zuvor, seit Suspension des Corps 1935, noch die nationalsozialistische SC-Kameradschaft „Axel Schaffeld“ getroffen hatte, prangte nun „Synagogue Center“ über der rechten Eingangstür. Am 1. September 1946 konnte Rabbi Herman Dicker, Chaplain der 3. US-Armee, ein zweites Gemeindezentrum in der Häusserstraße 10-12 – am Standort der heutigen Synagoge – einweihen. Die Stadt hatte die alte „Villa Julius“ der neuen Kultusgemeinde mit rund 250 Mitgliedern zur Verfügung gestellt. Nur ein Jahrzehnt später, nach Abzug vieler US-Militärangehöriger bzw. Auswanderung der meisten „Displaced Persons“, war sie bereits auf gut 100 Mitglieder zusammengeschrumpft. – Für Neugierige: Gleich nebenan, in der Klingenteichstraße 6, findet sich eine weitere Spur…

Adresse

Plöck 34
69117 Heidelberg
Deutschland

Geo Position
49.409305555556, 8.6997777777778
Titel
Bäckerei Seligmann
Literatur
Giovannini, Norbert / Rink, Claudia / Moraw, Frank: Erinnern, Bewahren, Gedenken. Die jüdischen Einwohner Heidelbergs und ihre Angehörigen 1933 – 1945, Heidelberg 2011
Stationsbeschreibung

„Bäckerei seit 1904“

Bei „Göbes“ in der Plöck 34 kauften Generationen von Heidelberger*innen ihre Brötchen – allerdings erst ab 1938. Davor hieß der Bäcker Friedrich Seligmann. „Stolpersteine“ erinnern an die Flucht der Familie.

Was wäre Heidelberg ohne seinen „Göbes“? Selbst japanische Tourist*innen finden zuweilen ihren Weg in die Plöck 34, um hier echtes deutsches Brot zu kaufen. „Bäckerei seit 1904“ steht über dem Eingang. Doch die Familientradition trügt: 1904 mag der Betrieb zwar begründet worden sein, das Ladenlokal vor Ort wurde erst nach der „Arisierung“ 1938 übernommen. Die alte Jahreszahl war kurz vor der (ersten) Verlegung von vier „Stolpersteinen“ im März 2013 übermalt worden. Letztere erinnern an Julie Jankau (1863-1942), seit 1927 Mieterin im Haus, und an die ursprünglichen Besitzer*innen: den Heidelberger Bäckermeister Friedrich Seligmann (1881-1951), seine Frau Flora geb. Hirsch (1887-1948) und deren Sohn Ludwig (1910-98). Die Familie stammte aus Rohrbach, seit 1897 lebte sie in Heidelberg. 1908 eröffnete Friedrich Seligmann in der Plöck 36 seine erste Bäckerei und verlegte diese 1920/21 ins Nachbarhaus – bis 1938. Nach dem Boykott aller „nichtarischen“ Betriebe sahen sich die Seligmanns im April zur Geschäftsaufgabe gezwungen und flohen nach Uruguay. Dorthin hatte sich 1935 auch der Sohn Ludwig retten können. Eine neue berufliche Existenz konnten sie sich nicht mehr aufbauen. Die Mutter starb 1948 im Exil, Vater und Sohn kehrten 1951 zurück. Beide wurden auf dem Heidelberger Bergfriedhof bestattet.

Adresse

Landfriedstraße 12
69117 Heidelberg
Deutschland

Geo Position
49.41, 8.7014722222222
Titel
Hochschule für Jüdische Studien
Literatur
Magall, Miriam: Ein Rundgang durch das jüdische Heidelberg, Heidelberg 2006, S. 85-91
Stationsbeschreibung

„…we-hagita bo Jomam wa-Lajla – und sinne darüber Tag und Nacht…“ (Josua 1:8)

Seit 1979 bereichert die Heidelberger „Hochschule für Jüdische Studien“ die deutsche wie europäische Wissenschaftslandschaft. Seit 2009 wird auch im Neubau Landfriedstraße 12 „Tag und Nacht“ gelernt…

Wenige Schritte von der Plöck entfernt, an gleichsam verstecktem Ort, findet sich die „Hochschule für Jüdische Studien“ (kurz: HfJS). 1979 in Trägerschaft des Zentralrats der Juden in Deutschland gegründet, ist sie die überhaupt erste (seit 1981) staatlich anerkannte jüdische Hochschule auf deutschem Boden – ein Status, wie er ihren Vorgängerinstitutionen in Breslau (1854-1938) und Berlin (1872-1942) stets versagt blieb. Was einst mit 16 Studierenden in der Hauptstraße 120 bzw. der Friedrichstraße 9 begann, entwickelte sich – in Kooperation mit der Universität Heidelberg – zur heute größten akademischen Einrichtung für Jüdische Studien in Deutschland mit diversen Bachelor- und Masterstudiengängen. 1995 erhielt sie das Promotionsrecht. 2009 wurde der Neubau in der Landfriedstraße 12 fertiggestellt, 2010 zog dort auch das „Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland“ (gegr. 1987) ein. Über den rein akademischen Rahmen hinaus wurde die HfJS, samt ihrer koscheren Mensa, zu einem neuen Zentrum jungen jüdischen Lebens in der Stadt – und zu einem Ort des hoffnungsvollen Miteinanders von jüdischen und nichtjüdischen Studierenden. Wie zur Mahnung befand sich einst nebenan, in der Landfriedstraße 14, eines von Heidelbergs „Judenhäusern“…

Adresse

Häusserstraße 10-12
69115 Heidelberg
Deutschland

Geo Position
49.404416666667, 8.6903611111111
Titel
„Villa Julius“
Literatur
Magall, Miriam: Ein Rundgang durch das jüdische Heidelberg, Heidelberg 2006, S. 92-108 und 146-159
Löslein, Barbara: Geschichte der Heidelberger Synagogen, Heidelberg 1992, S. 83-85.
Stationsbeschreibung

„Die Stadt hat uns ein sehr schönes Haus zur Verfügung gestellt…“ (Arthur Fuld, Brief aus Heidelberg, in: Aufbau vom 6. September 1946)

Seit 1. September 1946 war die jüdische Nachkriegsgemeinde in der „Villa Julius“, Häusserstraße 10-12, zu Hause – bis Anfang 1976. Im Januar 1994 kehrte sie an den alten Ort mit neuer Synagoge zurück.

Wer noch Zeit und Kraft hat, dem sei ein Abstecher in die Weststadt empfohlen: zur (dritten) Heidelberger Synagoge in der Häusserstraße. Nach langen Jahren des Wartens und Wanderns fand hier die jüdische Gemeinde mit über 500 Mitgliedern am 9. Januar 1994 ihr altes neues Zuhause. Selbstbewusst prägt der geschwungene Bau von Alfred Jacoby das heutige Straßenbild. An gleicher Stelle stand bis Dezember 1977 die „Villa Julius“: 1922 für den damaligen Direktor der BASF erbaut, wurde sie 1946 der neu gegründeten „Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg“ überlassen, die dort am 1. September ihr (zweites) Gemeindehaus samt Betsaal einweihte. Der New Yorker „Aufbau“ berichtete. Auch ein Altersheim fand hier von 1951-70 Platz. 1955 erwarb die Gemeinde Grundstück und Gebäude, gab dieses aber 1976 für einen geplanten Neubau auf, der dann erst 1992-94 verwirklicht wurde. Ganze 28 Jahre musste die Gemeinde mit zwei Provisorien leben: zunächst im Hinterhaus Rohrbacher Straße 18, ab Juni 1986 im „Darmstädter Hof Centrum“ (Sofienstraße 9). – Unweit der neuen Synagoge, in der Landhausstraße 20, steht die Landhausschule. Dort befand sich von 1935-38 ein eigener jüdischer Schulraum. An den letzten Lehrer, Hermann Durlacher (1893-1942?), erinnert ein „Stolperstein“ in der Hauptstraße 121.

 

Adresse

Rohrbacher Straße 115
69126 Heidelberg
Deutschland

Geo Position
49.3955, 8.69175
Titel
Jüdischer Friedhof – Bergfriedhof
Literatur
Magall, Miriam: Ein Rundgang durch das jüdische Heidelberg, Heidelberg 2006, S. 108-121
Stationsbeschreibung

„Ihr alle, die ihr des Weges zieht, schaut doch und seht, ob ein Schmerz ist wie mein Schmerz, den man mir angetan…“ (Klagelieder Jeremias 1:12)

An der jüdischen Trauerhalle auf dem Heidelberger Bergfriedhof erinnern gleich zwei Gedenktafel an die Opfer der Schoa. Dennoch bleibt dieser stille Ort ein „Haus des Lebens“ – von 1876 bis heute.

Ein Spaziergang auf den Spuren jüdischen Lebens sollte den vielleicht schönsten Friedhof Heidelbergs, die jüdische Abteilung auf dem Bergfriedhof, östlich der Rohrbacher Straße, nicht auslassen. Die Straßenbahn hält direkt vor dem Haupteingang, am Krematorium (1891) geht es ein paar Schritte nach rechts, dann grüßen auch schon drei Davidsterne an Tor und Trauerhalle. 1876 war hier – nach Beschwerden der Anwohner am Klingenteich – das vierte jüdische Begräbnisareal Heidelbergs angelegt worden. 1904 wurde es erstmals zum Hang hin erweitert, 1907 die Trauerhalle errichtet. 1940 musste ein Teil – zwangsweise – an die Stadt verkauft werden, 1954 einigte man sich auf einen gerichtlichen Vergleich. Heute ist die Fläche (etwa 112 Ar) von christlichen Gräbern umgeben – und von da auch bei geschlossenem Tor zugänglich. Ein Rundgang lohnt und erzählt viel über das Auf und Ab jüdischen Lebens, über den Tod hinaus, vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute. Inzwischen wird der Platz knapp: So weihte die wachsende Kultusgemeinde mit gut 450 Mitgliedern bereits am 22. September 2016 ihren nunmehr fünften Friedhof als Teil des städtischen Friedhofs im Stadtteil Handschuhsheim (Zum Steinberg 16) ein. Der Bau einer Trauerhalle ist geplant…

Autor
Johannes Valentin Schwarz

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