Hannah Arendt zeichnet sich durch ihre Aktualität in Bezug auf die gesellschaftliche Debatte und durch kontroverses Denken aus. Aufgrund einer Schenkung von persönlichen Gegenständen Arendts an das Deutsche Historische Museum, realisierte das DHM eine Ausstellung mit dem Titel „Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert“. Teile der Ausstellung sind online auf der Website des Museums veröffentlicht. In dieser werden ihre Person sowie das 20. Jahrhundert thematisiert, sie bietet die Möglichkeit ihrem subjektiven Blick auf diese Zeit zu folgen und ihr Leben kennenzulernen.

Bis heute wird Hannah Arendt als deutsch-jüdische-amerikanische Publizistin, politische Theoretikerin und Denkerin sowie Philosophin hoch angesehen. Über ihre Begrifflichkeiten wie „totale Herrschaft“ und „Banalität des Bösen“ wird noch heute diskutiert. Hannah Arendts persönliche Erfahrungen zur Zeit des NS-Regimes, ihre Flucht ins Ausland und der Aufbau eines neuen Lebens in den USA machen sie so besonders.

Beruf
Historikerin, Professorin, Philosophin
Geburtsdatum
14. Oktober 1906
Geburtsort
Linden, Hannover
Gender
Frau
Literatur
Young-Bruehl, Elisabeth: Hannah Arendt. Leben, Werk und Zeit. Erweiterte Ausgabe mit neuem Vorwort, 5. Auflage, Frankfurt am Main, Dezember 2018.
Sonstiger Name
Johanna Stern
Stationen
Titel
Kindheit und Jugend
Adresse

Lindener Marktplatz 2
30449 Hannover
Deutschland

Geo Position
52.366817, 9.715031
Stationsbeschreibung

Hannah (standesamtlicher Name: Johanna) Arendt wurde am 14. Oktober 1906 als einziges Kind von Paul Arendt und Martha, geb. Cohn in Linden, Lindener Marktplatz 2, bei Hannover geboren. Ihr Vater arbeitete als Ingenieur bei einem Elektrizitätsunternehmen in Hannover. Aufgrund einer schweren Krankheit musste er seinen Job kündigen und die Familie zog 1909 in das ostpreußische Königsberg, welche die Heimatstadt der Eltern war, zurück. Hannah Arendts Mutter hatte drei Jahre lang Französisch und Musik in Paris studiert und der musikalischen und sprachlichen Ausbildung ihrer Tochter große Bedeutung beigemessen. Paul Arendt besaß eine Bibliothek mit griechischen und lateinamerikanischen Klassikern, die Hannah später las.

Die Arendts waren jüdisch, aber nicht religiös. Trotzdem schickten sie Hannah mit ihren Großeltern in die Synagoge. Sie verbrachte viel Zeit mit ihrem Großvater väterlicherseits, besonders ab dem Zeitpunkt als ihr Vater erkrankte. Der Großvater beeindruckte sie mit seiner besonderen Fähigkeit, Geschichten zu erzählen. Im März 1913 verstarb ihr Großvater und im Oktober ihr Vater. Im selben Jahr wurde sie eingeschult und erhielt zusätzlich zweimal die Woche Religionsunterricht von Rabbi Vogelstein. Sie las sehr viel. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs verließen Hannah und ihre Mutter die Stadt und gingen zu Marthas Schwester nach Berlin, kehrten aber nach zehn Wochen zurück nach Königsberg. Einige Jahre später wurde sie in den von dem Studenten Ernst Grumach gegründeten Grumacher Kreis aufgenommen, in dem die Schüler*innen der höheren Klassen über Literatur und Philosophie sprachen und griechische Texte lesen konnten. Durch Grumach lernte Arendt ihre langjährige Freundin Anne Mendelsohn kennen. Hannah Arendt musste die Schule wegen Differenzen mit einem Lehrer kurz vor dem Abitur verlassen und studierte daraufhin einige Semester an der Universität Berlin. Nachdem sie nach Königsberg zurückkehrte, legte sie als externe Schülerin 1924 das Abitur ab.

Titel
Studienzeit
Adresse

Biegenstr.10
35037 Marburg
Deutschland

Geo Position
50.810248, 8.773963
Stationsbeschreibung

Mit Hilfe ihres Onkels Ernst Aron konnte Hannah Arendt 1924 ein Studium an der Universität Marburg beginnen. Dort studierete sie unter anderem Philosophie bei Martin Heidegger und Nicolai Hartmann und im Nebenfach evangelische Theologie. Heidegger und Arendt verliebten sich ineinander und gingen eine Liebesbeziehung ein. Hannah Arendt lebte aufgrund dieser Beziehung in Marburg und zog sich eher zurück, um diese geheim zu halten. Sie unterhielt Kontakte zu ihrem Kommilitonen Hans Jonas und zu ihren Königsberger Freund*innen. Die Beziehung zwischen Heidegger und Arendt blieb geheim, bis die große Arendt-Biographie von Elisabeth Young-Bruehl 1982 in Großbritannien und den USA erschien. Anfang 1926 beschloss Arendt, ihren Studienort zu wechseln und ging für ein Semester nach Freiburg. Danach studierte sie Philosophie in Heidelberg. Dort lernte Arendt viele neue Leute kennen wie z.B. Karl Jaspers, zu dem sie zeitlebens ein freundschaftliches Verhältnis hielt, und ihren späteren (ersten) Ehemann Günther Stern, der mit ihr gemeinsam studierte. Hannah Arendt beendete ihr Studium im Jahr 1929 mit ihrer Dissertation "Der Liebesbegriff bei Augustin". Darin untersuchte sie das Liebesverständnis des christlichen Philosophen und Kirchenlehrers Augustinus von Hippo (354-430). Sie untersuchte dabei das gespannte Verhältnis des Individuums zur Welt. Die Arbeit wurde durch Karl Jaspers mit 1-2 bewertet.

Titel
Flucht aus Deutschland
Adresse

Merkurstraße 3
14482 Potsdam
Deutschland

Geo Position
52.38457, 13.123222
Stationsbeschreibung

Hannah Arendt lebte in Potsdam, bis sie ihre Bekanntschaft mit Günther Stern (später Günther Anders) erneuerte. Sie heirateten in Nowawes (Babelsberg) im Jahr 1929 zogen anschließend nach Berlin. Arendt erkannte schon 1931, dass die Nationalsozialisten an die Macht kommen würden und dachte schon 1932 an die Emigration nach Frankreich. Allerdings entschied sie sich dazu zu bleiben und wurde politisch aktiv.

Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler 1933 forderte und unterstützte Arendt den aktiven Widerstand gegen die Nationalsozialisten und trat der Zionistischen Vereinigung für Deutschland bei, um die Judenverfolgung zu dokumentieren. Ihre Wohnung diente als Zwischenstopp für Flüchtlinge und Verfolgte. So rückte sie unter anderem in die Aufmerksamkeit der Gestapo (der Geheimpolizei des nationalsozialistischen Regimes). Während ihrer Recherche für den jüdischen Widerstand zur Vorbereitung des zionistischen Weltkongresses wurde sie auf dem Weg in die Staatsbibliothek Unter den Linden verhaftet und acht Tage von der Gestapo verhört. Durch glückliche Umstände wurde sie entlassen. Daraufin beschloss Hannah aus Deutschland zu fliehen. Sie reiste über Karlsbad, das seit dem 19. Jahrhundert ein Kurort war. Dort siedelten seit langem viele Deutsche und die Stadt verfügte über ein wichtiges Unterstützernetzwerk für Verfolgte. Von dort reiste sie weiter über Prag nach Genf. In der Schweiz blieb sie mehrere Monate, da sie mit Hilfe von Freunden Arbeit und Unterkunft fand. Aufgrund ihrer familiärer Beziehung, aber auch zur Unterstützung zionistischer Vereinigungen, zog es Hannah Arendt nach Paris. Als sie in Frankreich ankam, verfügte sie über keine Papiere, um sich auszuweisen.

Titel
Hannah Arendt in Paris
Adresse

Rue de la Convention
75015 Paris
Frankreich

Geo Position
48.845888, 2.277386
Stationsbeschreibung

Nach ihrer Flucht erreichte Hannah Arendt Paris im Jahr 1933. In Paris begegnete sie anderen deutschen Exilanten wie z.B. Walter Benjamin sowie ihrem späteren Mann, Heinrich Blücher. Während ihrer Zeit in Paris nahm Hannah die Arbeit bei der World Zionist Organization wieder auf. Des Weiteren hielt sie Vorträge über Antisemitismus vor verschiedenen Vereinigungen wie z.B. der Freien Deutschen Hochschule Paris. In den sieben Jahren, die sie in Paris verbrachte, arbeitete sie ebenfalls bei der Organisation Aliyah. Diese Organisation half jüdischen Jugendlichen nach Palästina zu fliehen. Aus diesem Grund begleitete Arendt 1935 eine Gruppe Jugendlicher nach Palästina, wo sie für drei Monate blieb und ihre historischen Kenntnisse zur Region erweiterte. Im Rahmen ihrer Studien besuchte sie unter anderem die Felsenstadt Petra. Ein Jahr nach ihrer Rückkehr nach Paris lernte Arendt Heinrich Blücher kennen, den sie 1940 heiratete, nachdem sie sich 1937 von ihrem vorherigen Mann Günther Stern scheiden ließ. Das Jahr 1937 wurde zudem auch durch den Verlust ihrer deutschen Staatsbürgerschaft geprägt.

Die Emigrationswelle aus Deutschland sowie die politischen Entwicklungen der 1930er Jahre führten zu einem zunehmenden Antisemitismus, der sich auch in Frankreich verstärkt ausbreitete und von Hannah Arendt aufmerksam und kritisch beobachtet wurde. Ab Weihnachten 1938 wohnte sie gemeinsam mit Heinrich Blücher in einer Wohnung in der Rue de la Convention. Zudem erwarteten sie nach den Ereignissen im Deutschen Reich - das Novemberpogrom in der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 - Arendts Mutter Martha in Paris. Nach der Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland, am 3. September 1939, wurden in Frankreich männliche deutsche Staatsbürger mit verdächtiger politischer Vergangenheit verhaftet. Heinrich Blücher wurde in Lager Villemalard interniert, wo er für nahezu zwei Monate verblieb und mit Hilfe der befreundeten Lotte Klenbort seine Freilassung erreichte. Daraufhin kehrte Heinrich gemeinam mit Hannah Arendt nach Paris zurück, wo sie am 16. Januar 1940 heirateten. Die Ehe ermöglichte ihnen später ein Not-Visum der Vereinigten Staaten zu erhalten, das nur an Alleinstehende oder Eheleute vergeben wurden.

Titel
Von Paris nach New York
Adresse

Impasse d'Ossau
64190 Gurs
Frankreich

Geo Position
43.273633, -0.739158
Stationsbeschreibung

Im Zuge des Kriegsgeschehens entschloss sich Frankreich am 5. Mai 1940, alle deutschen Männer und alleinstehende bzw. kinderlose Frauen zwischen 17 und 55 Jahren als „feindliche Ausländer“ zentriert in Lagern unterzubringen. Hannah Arendt musste sich am 15. Mai zur Pariser Sammelstelle, dem Vélodrome d’Hiver, begeben und wurde von dort am 23. Mai zusammen mit 2.364 anderen Frauen mit Bussen in das Lager Gurs überführt.

Das Lager Gurs befand sich im Süd-Westen Frankreichs, nahe der französisch-spanischen Grenze, und diente zuvor als Lager für Flüchtlinge des spanischen Bürgerkrieges und als Sammelstelle für Angehörige der Internationalen Brigaden. Ende Mai waren ca. 2.500 Menschen interniert, am Tag des Waffenstillstands, am 22. Juni 1940, waren es 9.771. Die meisten von ihnen waren Frauen, aber auch Kinder waren dabei. Die Bedingungen vor Ort waren schlecht, da die Inhaftierten keine Beschäftigung hatten, sich die hygienischen Bedingungen rasch verschlechterten und die Versorgung der Insassen mangelhaft war. Zudem blieben die Insassen über ihre Situation sowie das Kriegsgeschehen im Ungewissen, was Ängste und Verzweiflung schürte. Auch Hannah Arendt blieb davon nicht unberührt. Jedoch gelang es ihr, das Chaos der Tage nach der Niederlage Frankreichs zu nutzen und Entlassungspapiere zu erwirken. Gemeinsam mit ca. 200 anderen Frauen konnte sie so das Lager verlassen. Sie begab sich etwas weiter nördlich, nach Montauban, wo sie Freunde und Hilfe erwarten konnte. Der kleine Ort in Südfrankreich nahe Toulouse war aufgrund seiner liberalen politischen Führung ein zentraler Anlaufpunkt für Migrant*innen und Flüchtlinge.

Heinrich Blücher wurde im Camp Vernet untergebracht. Nach der Einnahme Paris‘ durch deutsche Truppen wurde dieses evakuiert. Als während eines Marsches nach Süden die Häftlinge von deutschen Soldaten beschossen wurden, ließen die französischen Wärter diese frei, um in unbesetzte Gebiete Frankreichs zu fliehen. So konnten sich Blücher und Arendt in Montauban wiedertreffen, wo sie bis Oktober 1940 lebten.

Zu diesem Zeitpunkt begann die Registrierung von Jüdinnen*Juden in den örtlichen Präfekturen. Dies bestärkte Hannah Arendt und ihren Mann, ihr Bemühen um eine Ausreise zu intensivieren. Dafür fuhren sie mehrfach nach Marseille, um ein Not-Visum für die USA zu erhalten. Es gelang ihnen sowohl ein Visum für die USA, als auch ein Ausreise- und Transitvisum für Spanien zu erhalten. Im Januar 1941 lockerte das Vichy-Regime kurzzeitig die Flüchtlingspolitik, was Hannah Arendt und ihr Mann nutzten, um mit dem Zug nach Lissabon zu reisen. Dort blieben sie für weitere drei Monate, bevor sie nach New York immigrieren konnten.

Titel
Leben in den USA – von der Staatenlosigkeit bis zum Tod einer US-Staatsbürgerin
Adresse

370 Riverside Drive
New York , NY 10025
Vereinigte Staaten

Geo Position
40.803768, -73.96887
Stationsbeschreibung

Nach der gelungenen Flucht aus dem Auffanglager Gurs emigrierte Arendt mit ihrem Ehemann und ihrer Mutter 1941 ohne eine Staatsbürgerschaft nach New York in die USA. Die Familie konnte zunächst durch ein geringes Stipendium der zionistischen Flüchtlingsorganisation überleben und sich so auf den Spracherwerb der englischen Sprache konzentrieren. Sie lernte die Sprache unter anderem während eines Aufenthaltes bei einer amerikanischen Familie. Noch im selben Jahr konnte Hannah Arendt politische Kolumnen für die deutsch-jüdische Wochenzeitschrift Aufbau mit dem Titel „This means You“ verfassen und sich so finanziell selbstständig absichern. So ehrgeizig Hannah Arendt schon immer war, hatte sie in den folgenden Jahren die verschiedensten Projekte und Arbeitsstellen. So war sie Forschungsleiterin der Conference on Jewish Relations, Cheflektorin im Salman Schocken Verlag und auch Direktorin der Jewish Cultural Reconstruction Organization zur Rettung jüdischen Kulturgutes.

Zehn Jahre nach Eintreffen in New York (1951) erhielt Hannah Arendt endlich die amerikanische Staatsbürgerschaft und war nicht mehr staatenlos. Auch beruflich ging es für sie weiter. Nach mehreren Gastvorlesungen an Eliteuniversitäten wie Princeton und Harvard erhielt sie eine Professur am Brooklyn College in New York. Diese Möglichkeiten entstanden mit Sicherheit auch auf Grund des Erfolgs verschiedener Publikationen, wie beispielsweise ihrem Hauptwerk "Origins of Totalitarianism" (auf Deutsch: "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft").

Mit am bekanntesten ist Arendt wohl bis heute noch durch ihre Berichterstattung über den sogenannten Eichmann-Prozess in Jerusalem für die Zeitschrift New Yorker. Ihre Beiträge werden weiterhin wegen ihrer Kritik am Verhalten der Judenräte sowie der Darstellung Adolf Eichmanns selbst und seiner Motive diskutiert. Diese Artikel wurden letztlich auch gebündelt in Buchform unter dem Titel „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht über die Banalität des Bösen“ gedruckt. Arendts Karriere ging weiter steil bergauf. Eine Professur an der University of Chicago, die Berufung an die New School for Social Research in New York und die Wahl zur Vizepräsidentin des Institute for Arts and Letters sind nur Ausschnitte ihrer weiteren Karrierestufen. Bis zu ihrem Tod wollte sie so leistungsfähig wie möglich bleiben und ließ sich so auch nicht von einem Herzinfarkt bremsen. Nach einer kurzen Pause lehrte und schrieb sie weiter. Am 4. Dezember 1975 starb sie jedoch an einem erneuten Herzinfarkt. Ihre Asche wurde neben der ihres Mannes, Heinrich Blücher, auf dem Friedhof des Bard College begraben.

Sterbedatum
4. Dezember 1975
Sterbeort
New York

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Autor
Schüler*innen des Hannah-Arendt-Gymnasium Potsdam
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