Dr. phil. Nathan Marcus Adler war ein deutsch-britischer Rabbiner und Oberrabbiner. Er vollzog sein Amt sowohl in den deutschen Städten Oldenburg und Hannover als auch in London. Dabei fungierte er im Herzogtum Oldenburg bis 1830 als Landesrabbiner, löste danach seinen Vater (Oberrabbiner des Britischen Reiches) in Hannover ab und wurde 1845 zum Chief Rabbi of the United Hebrew Congretations of the British Empire. Adler war bedeutsam als Vertreter einer vermittelnden Position zwischen starrer Orthodoxie und extremer Aufklärung. 

Adler war ein Gewinn für Oldenburg und die Stadt in gewisser Weise auch für ihn: Er setzte sich für die Gleichberechtigung der jüdischen Gemeinschaft ein und stand damit angesichts der bestehenden Ungleichheit vor einer großen Herausforderung. Ausgestattet mit einem starken Willen nahm er sich dieser Aufgabe an und schaffte beispielsweise 1829 als eine seiner ersten Amtshandlungen den sogenannten "Judeneid" ab.

Leo Trepp beschreibt Adler zusammenfassend: „Er war der Rabbiner Oldenburgs, und damit war er eben allen gleich und begegnete ihnen in dieser Weise.“ (Trepp 1973: 89).

Beruf
Rabbiner und Oberrabbiner
Geburtsdatum
15. Januar 1803
Geburtsort
Hannover
Gender
Mann
Literatur
Meyer, Enno, Das Oldenburger Landesrabbinat, in: Stadt Oldenburg (Hg.), Die Geschichte der Oldenburger Juden und ihre Vernichtung, Oldenburg 1988, S. 45-55.
Meyer, Enno, Synagoge und jüdischer Friedhof in Oldenburg, in: Stadt Oldenburg (Hg.), Die Geschichte der Oldenburger Juden und ihre Vernichtung, Oldenburg 1988, S. 56-60.
Meyer, Enno, Adler, in: Friedl. Hans et al. (Hg.), Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg, Oldenburg 1992, S. 12-14.
Trepp, Leo, Die Oldenburger Judenschaft. Bild und Vorbild jüdischen Seins und Werdens in Deutschland, Oldenburg 1973, S. 88-118.
https://www.lsjs.ac.uk (Internetseite der heutigen London School of Jewish Studies) (letzter Zugriff am 01.06.2019)
Stationen
Titel
Nathan Marcus Adlers Zeit vor Oldenburg
Adresse

Hausmannstraße 9-10
30159 Hannover
Deutschland

Geo Position
52.377541, 9.728216
Stationsbeschreibung

Nathan Marcus Adler wurde am 15. Januar 1803 in Hannover als Sohn des dortigen Landesrabbiners Marcus Bär geboren. Er besuchte die Rabbinerschule in Würzburg und erwarb bereits im jungen Alter von 19 Jahren das Rabbinatsdiplom. Parallel dazu studierte Adler in verschiedenen Städten und promovierte in Erlangen. Mit seinem Titel Dr. phil war Adler der erste deutsche Rabbiner mit Doktortitel in der Philosophie.

Der Weg nach Oldenburg wurde ihm durch den Landesfürsten in Oldenburg, Herzog Peter Friedrich Ludwig, geebnet. Dieser verstand sich als Landesvater und damit verpflichtet, seine Untertanen im Geist der Aufklärung zu erziehen, sowohl die Christen als auch die wenigen Jüdinnen*Juden. Um die Verhältnisse der Jüdinnen*Juden zu regeln, erließ er am 14. August 1827 eine landesherrliche Verordnung, die im Wesentlichen bestimmte, dass alles so bleiben sollte, wie es im 18. Jahrhundert schon gewesen war und dennoch eine Neuerung enthielt: Das Amt eines Landesrabbiners wurde geschaffen. Auf dieses bewarb sich dann nur ein Jahr später Nathan Marcus Adler.

Titel
Adler als Landesrabbiner in Oldenburg
Adresse

Mühlenstraße 5
26122 Oldenburg
Deutschland

Geo Position
53.139995, 8.216439
Stationsbeschreibung

Nach seiner Ausbildung an verschiedenen Orten in Deutschland und Polen wurde Nathan Marcus Adler am 26. November 1828 als Landesrabbiner in Oldenburg angenommen. Dabei wurde er nicht durch eine Prüfung, sondern durch ein Kolloquium zum Landesrabbiner in Oldenburg gewählt. Durch dieses konnte er (anders als bei einer Prüfung) nicht durchfallen, sodass sein Eintritt in das Amt als Landesrabbiner reine Formsache gewesen ist. Vor dem Kolloquium sollte Adler kein Wissen darlegen, sondern seine Persönlichkeit und sich selbst als Vertreter der Jüdinnen*Juden präsentieren. Nach seinem Antritt war zunächst die alte Nikolaikirche in Oldenburg zentraler Wirkungsort. Da dieser aber schnell nicht mehr als würdiger Ort für den Gottesdienst der Oldenburger Gemeinde gelten konnte, mietete diese für diesen Zweck ein Haus in der Mühlenstraße. Dort wurde dann eine Synagoge errichtet, welche feierlich durch Adler am 6. Juni 1829 eingeweiht wurde.

Adler schaffte in Oldenburg den sog. „Judeneid“ als eine seiner ersten Amtshandlungen ab. Von Beginn an war es Adler wichtig, die Tradition des Judentums aufrechtzuerhalten und gleichzeitig aufzuklären. Er wollte Gleichberechtigung für die Jüdinnen*Juden erreichen, in welcher sie als individuelle Personen sowie als Religionsgemeinschaft respektiert werden würden. Da über ganz Oldenburg verteilt Jüdinnen*Juden lebten, gehörte es zu Adlers Aufgaben, diese zusammenzuführen. Adler besaß einen großen Einfluss auf Gottesdienste, den Schulunterricht, beriet die Landesregierung und war für eine materielle Absicherung gegenüber dem Rabbinat mitverantwortlich. Er verfasste die Oldenburger Gemeindeordnung, auf welche er sich später auch in London zu berufen wusste. Am 1. August 1830 wurde Adler auf seinen Wunsch hin von seinem Amt entlassen. Sein Vater hatte sein Amt in Hannover niedergelegt. Da Adler bereits ein Amt in Hessen abgelehnt hatte, ging er seinem Ruf nun nach und beendete seine Zeit in Oldenburg. So zog es Adler nun nach Hannover, um als dortiger Landesrabbiner in die Fußstapfen seines Vaters zu treten.

Die Achtung, die Adler sich in Oldenburg durch sein Wirken als Landesrabbiner verschafft hatte, drückte sich auch noch nach Bekanntwerden seines Rücktritts darin aus, dass die Regierung ihn bat, einen Nachfolger vorzuschlagen. Adler entschied sich auf diesen Wunsch hin bereits im Juni 1830 für Samson Raphael Hirsch.

Titel
Adler als Oberrabbiner in London
Adresse

44A Albert Road
London
NW42SJ
Vereinigtes Königreich

Geo Position
51.583333333333, 0.2
Stationsbeschreibung

Im Jahr 1845 wurde Adler Oberrabbiner in London. In England war es seine Aufgabe, die Gemeinden zu organisieren – dabei folgte er seiner Erfahrung aus der Amtszeit in Oldenburg. Er war damit für die aschkenasischen, d.h. für die aus Nord-, Ost- und Mitteleuropa stammenden Jüdinnen*Juden zuständig und setzte 1847 einheitliche Gesetze für sie durch. Denn er war gegen ein Judentum, das sich dem Christentum angleichen sollte und stellte sich somit gegen entsprechende Reformbewegungen. 1853 gründete er das „Jews’ College“ (heute: „London School of Jewish Studies“). Dort wurden angehende Lehrer*innen, Kantor*innen und Rabbiner ausgebildet. 1859 gründete er das „Jewish Board of Guardians“, das sich um zugewanderte Menschen aus Deutschland und den Niederlanden kümmerte. Für Adler war eine Zusammenführung jüdischer Gemeinden wichtig, sodass er sich für die Einführung des Gesetzes „Synagogue Bill“ einsetzte, welches 1870 vom Parlament verabschiedet wurde und in welchem es um ebendiese Zusammenführung ging. Adler wurde in England der Schöpfer der „United Synagogue“, eines straffen Synagogenverbandes, dessen Einzelgemeinden völlig von der Gesamtvertretung und dem Oberrabbinat abhängig sind (ähnlich wie in Oldenburg). In dieser Synagogengemeinschaft vereinigte er schließlich die Mehrheit der Jüdinnen*Juden Großbritanniens. Die britische Gemeinschaft war und blieb modern, aber orthodox, ganz wie er sie auch im Herzogtum Oldenburg geschaffen hatte. Alder verfasste Werke in Hebräisch, und seine Predigten wurden oft gedruckt, sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch.

1879 übergab Adler im Alter von 76 Jahren seinem Sohn Hermann Adler seine Ämter. Adler selbst ging in den Ruhestand, blieb aber durch seine Einflussnahme auf das jüdische Leben besonders für Jüdinnen*Juden in Großbritannien bedeutend.

Sterbedatum
26. Januar 1890
Sterbeort
Brighton/England

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Autor
Tatjana Martinsons, Sarah Sophie Vierheller