Heinrich Hirschberg wurde am 24. Oktober 1895 in Żmigród (damals österreichisch Galizien) als Sohn des Eiergroßhändlers Eisig Hirschberg geboren. Die Familie sprach hochdeutsch und gehörte zu dem Teil der galizischen Jüdinnen*Juden, der sich dem deutschen Kulturkreis anschloss. Galizien war zu dieser Zeit von großer Armut beherrscht, und viele junge Jüdinnen*Juden suchten im nordwestlichen Deutschland nach einer besseren Existenz. Hirschberg blieb allerdings in Żmigród, bis er 1914 im Ersten Weltkrieg, damals als 19-Jähriger, zum Kaiserlichen und Königlichen (K.u.K.) Infanterie Regiment eingezogen wurde.

Beruf
Textil- und Kurzwarenhändler
Geburtsdatum
24. Oktober 1895
Geburtsort
Żmigród
Gender
Mann
Literatur
Hirschberg, Heinrich, Meine letzten Tage in Deutschland, in: Oldenburger Jahrbuch 85 (1985), S. 131-153.
Sonstiger Name
Henry Hirschberg
Stationen
Titel
Leben in Deutschland: Heirat und Existenzaufbau
Adresse

Staugraben 12
26122 Oldenburg
Deutschland

Geo Position
53.142926944444, 8.2149569444444
Stationsbeschreibung

Nach Auflösung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie wurde Galizien polnisch (1918/19). Hirschberg lehnte die Möglichkeit, polnischer Staatsbürger zu werden ab und ließ sich in Berlin vom Österreichischen Konsulat aus der Armee entlassen. Er ging nach Harburg, wo er seine spätere Ehefrau Rahel Gitel (später Gisela) Findling kennenlernte. 1919 heirateten die beiden und eröffneten noch im gleichen Jahr einen Großhandel mit Kurz- und Galanteriewaren in Oldenburg am Stau 1. Später erweiterten sie das Geschäft um Bürsten- und Stahlwaren.

Sein Schwager führte ein gleiches Geschäft im nahegelegenen Wilhelmshaven, welches später von Heinrichs Bruder Leo Hirschberg übernommen wurde. Beide Firmen entwickelten sich gut, und schon bald leistete sich Heinrich ein Mietshaus in der Schmalenstraße in Oldenburg. Später kaufte er ein großes Wohnhaus am Staugraben. Hirschberg wurde Mitglied des Synagogengemeinderates in Oldenburg und Vorsitzender der Ortsgruppe der Zionisten. Er bekam mit seiner Frau Gisela drei Kinder: Julius (geb. 1920), Paula (geb. 1922) und Hella (geb. 1931).

Titel
Erste Schwierigkeiten in Deutschland
Adresse

Staugraben 12
26122 Oldenburg
Deutschland

Geo Position
53.142926944444, 8.2149569444444
Stationsbeschreibung

Während sein Bruder Leo die polnische Staatsbürgerschaft besaß, war Heinrich Hirschberg staatenlos. Er beantragte mehrmals eine Einbürgerung, um die deutsche Staatsbürgerschaft für seine Familie und sich zu erhalten. Noch bevor sie Kinder hatten, startete Hirschberg den ersten Versuch im Jahr 1920.

Das Oldenburger Magistrat stellte zwar fest, dass er ein einwandfreies Geschäft besaß und auch finanziell gut aufgestellt war, aber durch seine zu kurze Aufenthaltsdauer konnte keine Einbürgerung erfolgen. Fünf Jahre später, 1925, versuchte Hirschberg erneut die Einbürgerung zu erwirken. Beim Oldenburger Stadtmagistrat wurde der Antrag befürwortet, da laut Gutachten die Familie völlig mit dem Leben in Deutschland „verwachsen“ war und die Kinder im „deutschen Sinne“ erzogen wurden. Es wurde im Gutachten erwähnt, dass Hirschberg ein gebildeter Mann mit einem einwandfreien Geschäft war, und Eigentümer eines Dreifamilienhauses. Dennoch wurde der Antrag vom Oldenburgischen Innenministerium abgelehnt, da eine Einbürgerung in der Regel erst infrage kam, wenn man 20 Jahre in Deutschland lebte.

Nach weiteren zwei Jahren versuchte Hirschberg erneut die Einbürgerung zu erwirken, indem er auf Präzedenzfälle verwies. Diesmal sagten sowohl das Oldenburger Stadtmagistrat als auch das Oldenburgische Innenministerium zu. 1929 erhielt Hirschbergs Familie die deutsche Staatsbürgerschaft, was einen Sonderfall darstellte, da sonst polnischen Jüdinnen*Juden, die nach dem Ersten Weltkrieg eingewandert waren, die Einbürgerung verweigert wurde.

Titel
Hirschbergs letzte Tage in Oldenburg
Adresse

Cloppenburger Str. 44
26133 Oldenburg
Deutschland

Geo Position
53.128595, 8.22109
Stationsbeschreibung

Nachdem bereits Hirschbergs Bruder Leo und dessen Familie nach Polen zurückkehren mussten, da sie die polnische Staatsbürgerschaft besaßen, wurde Heinrich Hirschberg am Morgen des 10. Novembers 1938 verhaftet. Da seine Töchter zu diesem Zeitpunkt krank waren, blieben Mutter und Kinder sowie das Hausmädchen von der Verhaftung verschont.

Zunächst ging es für Hirschberg zum Obdachlosen-Asyl und von dort mit etwa 40 Männern vorbei an der noch brennenden Synagoge, über die belebten Geschäftsstraßen, wie Haarenstraße, Lange Straße, Schloßplatz, Damm, zum Gefängnis. Schließlich wurde er mit den anderen Männern in kleinen Kellerräumen des Gefängnisses untergebracht, mit jeweils drei Männern pro Zelle. Am nächsten Morgen, nachdem einige ihre Sachen wiederbekommen hatten, schrieb Hirschberg Instruktionen auf einen Zettel für seine Frau, die sich hauptsächlich auf die geplante Auswanderung bezogen. Seine Auswanderungspapiere hatte er zu diesem Zeitpunkt zum Teil schon bei sich. Gegen Mittag wurden die Männer dann zum Bahnhof geführt. Auf dem Weg dorthin wurden sie von jugendlichen Wortführern angepöbelt. Unter unzumutbaren Bedingungen wurden die Männer über Bremen und Uelzen nach Sachsenhausen deportiert.

Titel
Tagebucheinträge über die Zeit im Konzentrationslager Sachsenhausen
Adresse

Straße der Nationen 22
16515 Oranienburg
Deutschland

Geo Position
52.764089, 13.260792
Stationsbeschreibung

In seinen Tagebucheinträgen schildert Hirschberg seine Erlebnisse während der Zeit im Konzentrationslager Sachsenhausen. Detailliert beschreibt er seine Ankunft im Konzentrationslager, den Weg zum Konzentrationslager und die Zeit in den Baracken. Nach Hirschbergs Angaben wurden die Gefangenen von den Bewachungsmannschaften des Konzentrationslagers geschlagen und gehetzt. Viele Alte und Kranke starben unter der Gewalt und wurden danach „[…] in einen offenen Bauernwagen hineingeworfen“ (Hirschberg 1985, S. 148). Während der Zeit in Sachsenhausen wurden die Gefangenen, laut Hirschberg, durchweg gepeinigt, beleidigt und menschenunwürdig behandelt. „Aber um uns kümmerten sich nur die SS-Leute, die uns hänselten, und uns erzählten, daß wir morgen alle erschossen werden. Ein anderer interessierte sich für den Zivilberuf des einzelnen. Für jeden Beruf, den man nannte, gab er seinen Kommentar. Ein Kaufmann war bei ihm ein Betrüger; ein Arzt – ein Mörder; ein Rechtsanwalt – ein Rechtsverdreher; ein Apotheker – ein Giftmischer; ein Schriftsteller – ein Hetzer, usw.“ (ebd.). Heinrich beschreibt weiter in seinem Tagebuch, dass die Gefangenen stundenlang in der Kälte warten mussten, bevor sie kalt duschen konnten, die Haare abrasiert bekamen und in ihre Baracken geführt wurden.

Heinrich schildert seinen Aufenthalt sehr detailreich und ausführlich. Durch die Hilfe eines einflussreichen Vetters konnte Heinrich das Konzentrationslager Sachsenhausen nach zwei Wochen verlassen.

Titel
Auswanderung in die USA
Adresse

unbekannt
Bridgeport, CT 06604
Vereinigte Staaten

Geo Position
41.187024, -73.191106
Stationsbeschreibung

Heinrich Hirschbergs Tagebucheinträge enden mit Seite 24. Er hatte diese im Nachhinein aufgeschrieben, da sein Psychiater ihm dazu geraten hatte. Nachdem Heinrich aus Sachsenhausen entlassen worden war, konnte er aufgrund eines einflussreichen Verwandten mit seiner Frau auf einem Schiff nach New York fliehen. Beide kamen Mitte Dezember 1938 in den USA an. Seine Töchter hielten sich zu diesem Zeitpunkt bereits dort auf. Zunächst zog die Familie in einen Vorort New Yorks; dort lebten sie etwa ein Jahr, später ging es nach Bridgeport, Connecticut.

Anders als Heinrichs Familie erging es seinem Bruder Leo und dessen Familie; sie wurden in Polen getötet.

Sterbedatum
unbekannt
Sterbeort
Bridgeport, Connecticut, USA

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Autor
Meike Rau, Anna Scherer