Bruno Wallheimer wurde am 04. Oktober 1899 in Oldenburg geboren. Er hatte vier Geschwister: Julius Max, Max, Else und Irma. Alle Brüder waren wie schon ihr Vater Hermann als Kaufmänner tätig. Bruno Wallheimer war Inhaber des Damenbekleidungsgeschäfts Hermann Wallheimer, was jedoch infolge der „Arisierung“ durch Peter Schütte ‚übernommen‘ wurde.

Wallheimer nahm aktiv am gesellschaftlichen Leben teil und engagierte sich bei in Oldenburg ansässigen Sportvereinen, insbesonders in den dortigen Tennisabteilungen. So war er Mitglied des VfB Oldenburg, des Oldenburger Tennisvereins (OTeV) sowie Vorsitzender der Oldenburger Schildgruppe, einem jüdischen Sportverein.

Die Einführung der „Nürnberger Gesetze“ wirkte sich auf seine nichteheliche Beziehung zu seiner christlichen Freundin Ottilie Auguste Tabina Kümmerle aus. Infolgedessen wurde er der „Rassenschande“ angeklagt, jedoch schließlich freigesprochen. Er floh in die Niederlande, wohin ihm Ottilie folgte. Im März 1938 heirateten die beiden in London. Eineinhalb Jahre nach der deutschen Besetzung der Niederlande wurde er in das Konzentrationslager Mauthausen deportiert, wo er im März 1942 starb.

Beruf
Kaufmann
Geburtsdatum
4. Oktober 1899
Geburtsort
Oldenburg
Gender
Mann
Literatur
Meyer, Enno, Die im Jahre 1933 in der Stadt Oldenburg i. O. ansässigen jüdischen Familien. Herkunft, berufliche Gliederung, späteres Schicksal, in: Oldenburger Jahrbuch 30 (1971).
Goertz, Dieter, Juden in Oldenburg 1930-1938. Struktur, Integration und Verfolgung, Oldenburg 1988.
Paulsen, Jörg. Erinnerungsbuch. Ein Verzeichnis der von der nationalsozialistischen Judenverfolgung betroffenen Einwohner der Stadt Oldenburg 1933-1945, Bremen 2001.
Peiffer, Lorenz/Wahlig, Henry, Juden im Sport während des Nationalsozialismus. Ein historisches Handbuch für Niedersachsen und Bremen, Göttingen 2012.
Schachtschneider, Matthias, 100 Jahre VfB Oldenburg. Eine Chronik, Oldenburg 1997.
Schachtschneider, Matthias, Oldenburger Sportgeschichte, Oldenburg 2006.
Shakespeare, William, Der Kaufmann von Venedig, Oldenburger Landestheater, Theaterzettel vom 11.09.1922 mit Werbung zu Wallheimers Geschäft (https://digital.lb-oldenburg.de/ihd/periodical/zoom/406630?query=wallheimer) (letzter Zugriff am 05.04.2019).
Töllner, Johannes-Fritz, Die jüdischen Friedhöfe im Oldenburger Land. Bestandsaufnahme der erhaltenen Grabsteine, Oldenburg 1983.
Wachtendorf, Günter, Oldenburger Häuserbuch. Gebäude und Bewohner im inneren Bereich der Stadt Oldenburg, Veröffentlichungen des Stadtarchivs Oldenburg Bd. 3, Oldenburg 1996.
Werkstattfilm e. V. (Hrsg.), Ein offenes Geheimnis. ‚Arisierung‘ in Alltag und Wirtschaft in Oldenburg zwischen 1933 und 1945, Katalog zur Ausstellung, Oldenburg 2001.
http://www.alemannia-judaica.de/oldenburg_synagoge.htm (letzter Zugriff am 09.01.2019)
http://www.online-ofb.de
http://www.taz.de/!1080241/ (letzter Zugriff am 09.01.2019)
http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de985314 (letzter Zugriff am 09.01.2019)
Amsterdam City Archives, Archivkarte Ottilie Auguste Tabina Kümmerle (https://archief.amsterdam/indexen/archiefkaarten_1939-1994/zoek/query.nl.pl?i1=1&a1=k%C3%BCmmerle&x=1&z=a#A01232_0476_0642 [letzter Zugriff am 07.03.2019]).
Amsterdam City Archives, Archivkarte Bruno Wallheimer (https://archief.amsterdam/indexen/archiefkaarten_1939-1994/zoek/query.nl.pl?i1=1&a1=wallheimer&x=1&z=a#A01232_0899_0341 [letzter Zugriff am 07.03.2019]).
Stationen
Titel
Die Familie Wallheimer
Adresse

Heiligengeiststraße 30
26121 Oldenburg
Deutschland

Geo Position
53.1439454, 8.2126528
Stationsbeschreibung

Am 4. Oktober 1899 wurde Bruno Wallheimer als jüngstes von fünf Kindern des Kaufmanns Hermann Heinemann Wallheimer (3. Mai 1861–23. August 1917) und seiner Frau Pauline Wallheimer, geb. Marxsohn (2. November 1864–27. Dezember 1932) in Oldenburg geboren. Die Familie zählte zu den ältesten der Stadt Oldenburg und war durch Verwandtschaftsverhältnisse mit weiteren in Oldenburg wohnhaften jüdischen Familien stark verbunden.

Bereits im Jahr 1852 gehörte das Haus in der Heiligengeiststraße 30 (früher Nr. 29), welches zuerst nur als Wohnhaus, später zudem durch Erweiterungs- und Umbauten auch als Geschäftsgebäude genutzt wurde, der Familie Wallheimer. In der Familie wurde es durch Erbfolge stets weitergegeben, sodass sowohl Hermann und Pauline Heinemann als auch ihre Kinder dort lebten.

Ebenso wie der Vater Hermann ergriffen die Söhne Bruno, Julius Max (31. Dezember 1893–1968) und Max (21. Juni 1896–24. Oktober 1916) den Beruf des Kaufmanns. Dieser verschlug Julius Max zunächst nach Bonn, später emigrierte er nach Südafrika. Bruno absolvierte eine Lehre zum Kaufmann und zog 1916 nach Frankfurt am Main. Anschließend leistete er seinen Wehrdienst im Ersten Weltkrieg und übernahm nach seiner Rückkehr das Damenmodegeschäft Hermann Wallheimer in Oldenburg. Max zog nach Hildesheim und wurde in den Kriegsdienst eingezogen, wovon er nicht zurückkehrte. Else (geb. am 14. Oktober 1890) war das älteste der fünf Kinder. Sie heiratete den Kaufmann Otto David, mit dem sie anschließend in Köln lebte. Am 01. Mai 1942 wurde sie im Vernichtungslager Chełmno ermordet. Irma (geb. am 23. Mai 1892) heiratete den Kaufmann Gustav Brandt. Ihr Todesdatum ist unbekannt.

Titel
Engagement im Sport
Adresse

Kranbergstraße 15
26123 Oldenburg
Deutschland

Geo Position
53.152649, 8.23551
Stationsbeschreibung

Schon in den 1920er Jahren konnte Oldenburg auf eine weitgefächerte Sportlandschaft zurückblicken. Es entstanden in den verschiedenen Ortsteilen Turn- und Sportvereine. Entsprechend des überwiegend positiven Kontaktes zwischen Jüdinnen*Juden und einem Großteil der Bevölkerung in Oldenburg bis in die 1920er und teils 1930er Jahre zählten auch viele Jüdinnen*Juden zu den Mitgliedern der Vereine. Die Integration dieser in die Sportvereine zeigte sich unter anderem durch ihr dortiges Engagement.

So auch bei Bruno Wallheimer, welcher einen erheblichen Beitrag zur Entwicklung der Tennisabteilungen der zwei Vereine VfB Oldenburg und OTeV leistete. Zuvor übernahm bereits sein Vater Hermann leitende Rollen in Oldenburger Sportvereinen. Bruno wurde wie sein Bruder Julius im Jahre 1919 in den VfB aufgenommen und war dort in der erfolgreichen Tennisabteilung als Obmann sowie als Sportler aktiv.

Bereits im Jahre 1922 konnte die Tennisabteilung des VfB eine eigene Tennisplatzanlage an der Kranbergstraße einweihen, was vor allem durch Brunos großzügige finanzielle Unterstützung möglich war. Durch regelmäßige Werbeanzeigen in der Vereinszeitung unterstützte er den Verein ebenfalls. Von einem namentlich nicht benannten Rezensenten wurde Bruno hochgradig für seinen Einsatz im Verein geehrt: „... Möge es vergönnt sein, ihn noch lange an der Spitze der Abteilung zu sehen, denn ich sage wohl nicht zuviel, wenn ich behaupte, daß die Interessen der Tennis-Abteilung bei ihm in besten Händen liegen“ (Schachtschneider 1997: 177).

1924 legte Bruno aus unbekannten Gründen sein Amt nieder und trat dem OTeV bei. Aufgrund seiner organisatorischen Fähigkeiten wurde er am 06. Mai 1927 zum Vorstandsmitglied ernannt. Im Dezember 1935 bekleidete Bruno das Amt des Vorsitzenden der Oldenburger Schildgruppe, einem jüdischen Sportverein, welcher aufgrund des Ausschlusses von Jüdinnen*Juden aus Sportvereinen nach 1933 gegründet wurde.

Titel
Das Damenbekleidungsgeschäft Hermann Wallheimer, Inh. Bruno Wallheimer
Adresse

Heiligengeiststraße 30
26121 Oldenburg
Deutschland

Geo Position
53.1439454, 8.2126528
Stationsbeschreibung

Die soziale Gliederung der Oldenburger Jüdinnen*Juden bestand im Wesentlichen aus drei sozialen Gruppen: Kaufleute der Innenstadt, Viehhändler und Schlachter sowie Händler. Die jüdischen Kaufleute des Einzel- und Großhandels führten in der Konfektionsbranche zwei Drittel der Damenkonfektion. Generell waren 40% der Kleidungsindustrie in jüdischem Besitz. In der Regel geschah der Verkauf über ein Geschäftshaus in der Innenstadt, so auch bei Bruno Wallheimer, welcher das angesehene Damenbekleidungsgeschäft Hermann Wallheimer in der Heiligengeiststraße 29 (heute Nr. 30) in Oldenburg betrieb. Benannt wurde das Geschäft nach seinem Vater Hermann.

Der im Alltag bestehende Antisemitismus potenzierte sich 1929 mit Beginn der Wirtschaftskrise und äußerte sich vor allem in antisemitischer Hetze gegen jüdische Einzelhändler*innen. Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler 1933 nahmen diese Übergriffe weiter zu und erhielten sogar eine gesetzliche Grundlage, welche rechtfertigte, dass der jüdischen Bevölkerung die materielle Grundlage durch staatlich organisierte Boykottaktionen genommen wurde. Ab 1933 wurde dazu der Begriff der „Arisierung“ in die Behördensprache eingeführt, welcher für den Raub des Vermögens der jüdischen Minderheit steht und gleichzeitig einen umfassenden Enteignungsprozess beschreibt. Dieser Prozess ist nicht nur als politischer, sondern zeitgleich als gesamtgesellschaftlicher Prozess zu verstehen, an welchem die Mehrheit der deutschen Bevölkerung beteiligt war.

In Oldenburg mussten durch dieses Vorgehen 60 Betriebe zwangsweise geschlossen oder an „arische“ Bewerber*innen verkauft werden. Die Profiteur*innen der Geschäftsübernahmen waren zumeist Oldenburger Geschäftsleute, welche die Chance, sich schnell zu bereichern, nutzten und die „Arisierung“ der Geschäfte stolz verkündeten. So auch im Fall der ‚Geschäftsübernahme‘ von Bruno Wallheimer am 09.01.1937 durch Peter Schütte. Diese wurde in einer „Übernahmeanzeige“ in der Zeitung bekanntgegeben.

Titel
Anklage und Untersuchungshaft
Adresse

Elisabethstraße 8
26135 Oldenburg
Deutschland

Geo Position
53.134413, 8.213996
Stationsbeschreibung

Am 15. September 1935 verkündete die nationalsozialistische Führung die „Nürnberger Gesetze“, welche unter anderem Regularien zur Beziehung von nicht-jüdischen und jüdischen Bürger*innen beinhalteten. In Folge dieser wurden sowohl Eheschließungen als auch der sexuelle Kontakt zwischen ihnen gesetzlich verboten und durch die Anklage der „Rassenschande“ unter Strafe gestellt.

Diese Anklage traf auch Bruno Wallheimer, denn er befand sich seit mehreren Jahren in einer unehelichen Beziehung mit der Christin Ottilie (geb. am 13. Mai 1910 in Osternburg), auch „Otty“ genannt. Wegen Brunos Bekanntheitsgrades wurde seine Anklage, welche eine unter mehreren dieser Art in Oldenburg war, in der Gesellschaft stark wahrgenommen. Beim gemeinsamen Spaziergang im Oldenburger Schlossgarten wurde Bruno Wallheimer festgenommen und befand sich anschließend vom 07. Dezember 1936 bis zum 12. Juli 1937 in Untersuchungshaft. Während dieser Zeit erhielt er Unterstützung vom Landesrabbiner Leo Trepp  sowie den Mitarbeiter*innen seines Geschäfts.

Bei der Hauptverhandlung waren sowohl seine Freundin Ottilie als auch der Landesrabbiner, obwohl diesem das Vernbleiben der Verhandlungen nahegelegt wurde, da man bei einem möglichen Freispruch Ausschreitungen befürchtete, als Zeug*innen der Unschuld von Bruno Wallheimer anwesend. Der jüdische Oldenburger Rechtsanwalt Ernst Löwenstein übernahm die Verteidigung Brunos.

Die Verhandlung endete infolge mangelnder Beweise mit einem Freispruch für Bruno Wallheimer, was beim Anklagegrund der „Rassenschande“ sehr selten vorkam. Unter den angeklagten Oldenburger Jüdinnen*Juden war er der einzige, welcher einen Freispruch erhielt. Auch befürchtete Ausschreitungen blieben aus. Somit konnte er im Anschluss an die Verhandlung durch die Unterstützung von Freund*innen mit einem Auto aus Deutschland fliehen, welches bereits vor dem Gerichtsgebäude bereitstand.

Titel
Die Zeit in den Niederlanden
Geo Position
52.360472, 4.864704
Stationsbeschreibung

Im direkten Anschluss an seinen Freispruch vor Gericht floh Bruno Wallheimer in die Niederlande. Einzelnen Quellen zufolge meldete er sich am 20. September 1937 zunächst nach New York ab, was sich jedoch nicht nachweisen lässt. Denkbar ist New York sowohl als tatsächlich geplanter Zielort als auch als gezielte Falschangabe zum Verbergen des neuen Aufenthaltsortes.

Belegt ist jedoch, dass er am 25. Februar 1938 einen Wohnsitz in Amsterdam, Overtoom 402 JS, bezog. Seine Freundin Ottilie folgte ihm kurze Zeit nach seiner Flucht ebenfalls in die Niederlande. Während eines Aufenthaltes in London heirateten sie am 19. März 1938. Anschließend lebte Ottilie ab dem 31. März 1938 mit Bruno gemeinsam in Amsterdam. Am 03. Juli 1939 zogen beide in die Overtoom 331 II um, doch die dortige gemeinsame Zeit währte nicht lange.

Mit dem Überfall und der deutschen Besetzung der Niederlande ab dem 10. Mai 1940 wurde das Leben für die dort lebenden Jüdinnen*Juden, welche in vielen Fällen wie Bruno aus Deutschland in die Niederlande geflüchtet waren zunehmend schwieriger. Die von den Nationalsozialist*innen organisierten Deportationen von Jüdinnen*Juden fanden vermehrt statt.

Am 24. September 1941 wurde auch Bruno gefangen genommen und in das Konzentrationslager Mauthausen deportiert. Dort starb er am 19. März 1942 um 06.50 Uhr einen „Freitod durch Einwirkung von Starkstrom“ (Paulsen 2001: 153). Ottilie wurde ebenfalls im Jahr 1941 inhaftiert und in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Nach der Befreiung kam sie 1945 zurück nach Oldenburg. 1953 wurde ihr das Haus in der Heiligengeiststraße 30 aufgrund eines Urteils des Landgerichts zurückübertragen.

Sterbedatum
19. März 1942
Sterbeort
Mauthausen

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