Eberswalde ist die Kreisstadt des Landkreises Barnim, fünfzig Kilometer nordöstlich von Berlin, umgeben von viel Wald und – wie im Stadtwappen zu sehen – sicherlich auch wilden Schweinen. Überregional wurde die Stadt tatsächlich durch ihre „Eberswalder Würstchen“ bekannt, doch hat ihre über 800-jährige Geschichte sehr viel mehr zu bieten. Von Anfang an waren Handel und Gewerbe bestimmend, und so lassen sich bis heute auch Spuren eines einst reichen jüdischen Lebens finden (schon um 1400 übrigens auch einige koschere Schlachter). Heute zählt Eberswalde knapp 40.000 Einwohner*innen – bis zur NS-Zeit gehörten gut 270 jüdische Gemeindemitglieder dazu. An sie erinnern gleich zwei Friedhöfe, das Synagogen-Denkmal in der Goethestraße sowie diverse Straßennamen und Stolpersteine. Wer Lust und Zeit hat, wird auch in der „Messingwerksiedlung“ im Stadtteil Finow (ehemals Heegermühle) rund um den Wasserturm und den Gustav-Hirsch-Platz fündig werden. Dieser Spaziergang beginnt im historischen Stadtkern von Eberswalde, am Marktplatz, und endet in der Nähe des Stadtmuseums. Ein zusätzlicher Abstecher zu einem der beiden jüdischen Friedhöfe, nach Norden bzw. Süden, zu Fuß oder mit dem Bus, lohnt in jedem Fall.

Adresse

Am Markt/Ecke Friedrich-Ebert-Straße
16225 Eberswalde
Deutschland

Dauer
90.00
Literatur
Alicke, Klaus-Dieter: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, Band I, Gütersloh 2008, Sp. 1038-1043.
Arendt, Ludwig u. Fischer, Irene: Eberswalde, in: Diekmann, Irene u. Schoeps, Julius H.: Wegweiser durch das jüdische Brandenburg, Berlin 1995, S. 256-259.
Arendt, Ludwig: Zur Geschichte der Eberswalder Synagogen-Gemeinde. Begleitheft zur Sonderausstellung im Stadt- und Kreismuseum „Schicksale jüdischer Bürger aus Eberswalde“, Berlin 1993.
Ausstellung „Weil sie Juden waren“ (1988) anlässlich des 50. Jahrestages der Pogromnacht in der St. Georgs-Kapelle.
Behring, Ellen: Eberswalder Gedenkbuch für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus: 1938 – 2008. 70 Jahre nach der Pogromnacht, Angermünde 2008.
Berger, Maria et al.: Synagogen in Brandenburg. Spurensuche, Berlin 2013.
Brocke, Michael et al.: Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer / DDR und Berlin), Berlin 1994.
Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Bd. 2, Bonn 1999.
Eschwege, Helmut: Geschichte der Juden im Territorium der ehemaligen DDR, Bd. 1, Dresden 1991.
Fischer, Ingrid: Eberswalde, in: Diekmann, Irene (Hg.): Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart, Berlin 2008, S. 52-84.
Giering, Hans-Peter: Die Maria-Magdalenen-Kirche in Eberswalde. Ein kleiner Kirchenführer, Eberswalde 2011.
Hoheisel, Horst u. Knitz, Andreas (ed.): Denkmal an die ehemalige Synagoge in Eberswalde, in: http://www.knitz.net (letzter Zugriff am 04.03.19).
Hübener, Kristina et al. (Hg.): Brandenburgischer Historischer Städteatlas Eberswalde, Berlin 2019.
Kaule, Martin: Brandenburg 1933-1945. Der historische Reiseführer, Berlin 2014.
Kessler, Judith u. Dämmig, Lara: Jüdisches im Grünen. Ausflugsziele im Berliner Umland, Teetz/Berlin 2007.
Kessler, Judith: Jüdische Spuren in… Eberswalde, in: http://www.jg-berlin.org/beitraege/details/juedische-spuren-in-eberswalde-i23d-2007-11-01.html (letzter Zugriff am 04.03.19)
Klamann, Sven: Festlicher Schlussakt für Baumsynagoge, in: Märkische Oderzeitung vom 09.11.2012.
Knufinke, Ulrich: Bauwerke jüdischer Friedhöfe in Deutschland, Petersberg 2007.
Kuchenbecker, Arnold: Das Judentum in Messingwerk, in: Eberswalder Jahrbuch für Heimat-, Kultur- und Naturgeschichte [des Vereins für Heimatkunde zu Eberswalde e.V.] 2001/2002, Eberswalde 2001, S. 190-196.
Kunger, Johann Wilhelm: Chronik von Neustadt-Eberswalde. Mit näherer Beschreibung der Umgegend und einer Sammlung Original-Urkunden dieser Stadt, Neustadt-Eberswalde 1841.
Masuch, Susanne: Eberswalde – Portrait einer Stadt. Anomietendenzen, Ordnungsbewegungen und die Entwicklung einer Zivilgesellschaft, Frankfurt/Main 2006.
Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung (ed.): „Wachsen mit Erinnerung“ – Baumsynagoge Eberswalde eingeweiht, in: http://www.brandenburg.de (letzter Zugriff am 04.03.19).
Schmidt, Rudolf: Geschichte der Stadt Eberswalde, Eberswalde 1994.
Schmidt, Rudolf: Zur Geschichte unserer heimischen jüdischen Gemeinden, Eberswalde 1929.
Schmook, Reinhard: Zum Umgang mit jüdischen Spuren im Oderbruch (Barnim – Lebus), 2007.
Stadt Eberswalde (Hg.): Eberswalde. Die verwandelte Stadt, Dresden 2015.
Stolpersteinverlegung in Eberswalde, in: http://www.eberswalde.de (letzter Zugriff am 04.03.19).
Strohmaier-Wiederanders, Gerlinde: Darstellungen von Juden an und in der St. Maria-Magdalenen-Kirche von Eberswalde, in: Witte, Markus u. Pilger, Tanja (Hg.): Mazel tov. Interdisziplinäre Beiträge zum Verhältnis von Christentum und Judentum. Festschrift anlässlich des 50. Geburtstages des Instituts Kirche und Judentum, Berlin 2012, S. 401-420.
Trieloff, Salka: Jüdische Bürger in Eberswalde. Interviews und Dokumente, Eberswalde 1993.
Villinger, Christoph: Ein kleiner Wald als Mahnmal. Wo einst die Eberswalder Synagoge stand, erinnert eine neue Gedenkstätte an die Pogrome vom 9. November 1938, in: taz.de vom 07.11.2013.
von Borries, Friedrich u. Fischer, Jens-Uwe: Heimatcontainer. Deutsche Fertighäuser in Israel. Suhrkamp, Frankfurt/Main 2009.
Weißleder, Wolfgang: Der gute Ort. Jüdische Friedhöfe im Land Brandenburg, Potsdam 2002.
Werner, Ellen: 13 neue Stolpersteine verlegt, in: Märkische Oderzeitung vom 28.04.2014.
Werner, Ellen: Baum-Synagoge, Doppelhelix oder Pocket-Park, in: Märkische Oderzeitung vom 07.05.2010.
Wolff, Kathrin (Projektleitung): Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Berlin 1992.
Länge
2.70
Stationen
Adresse

Am Markt / Ecke Friedrich-Ebert-Straße
16225 Eberswalde
Deutschland

Geo Position
52.83368, 13.821398
Titel
Marktplatz mit Rathaus
Literatur
Arendt, Ludwig: Zur Geschichte der Eberswalder Synagogen-Gemeinde, Berlin 1993, S. 10-15.
Fischer, Ingrid: Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart, Berlin 2008, S. 52-53 und 82.
Giering, Hanns-Peter: Die Maria-Magdalenen-Kirche in Eberswalde. Ein kleiner Kirchenführer, Eberswalde 2011.
Kessler, Judith u. Dämmig, Lara: Jüdisches im Grünen, Teetz/Berlin 2007, S. 42 und 44-45.
Strohmaier-Wiederanders, Gerlinde: Darstellungen von Juden an und in der St. Maria-Magdalenen-Kirche von Eberswalde, in: Witte, Markus u. Pilger, Tanja (Hg.): Mazel tov. Interdisziplinäre Beiträge zum Verhältnis von Christentum und Judentum [Festschrift], Berlin 2012, S. 401-420.
Stationsbeschreibung

Vom Dorf zur Stadt
Straßennamen erzählen die Geschichte von Eberswalde – auch die ihrer jüdischen Einwohner*innen.

800 Jahre Stadtgeschichte sind eine lange Zeit. Doch trotz aller Kriege und Brände, Verfall, Zerstörung und Wiederaufbau: Wer einen Blick auf den Stadtplan von Eberswalde wirft, wird südlich des Finowkanals – rechts und links der Breiten Straße – deutlich den kleinen mittelalterlichen Stadtkern rund um Marktplatz und Rathaus erkennen. So erzählen die Straßennamen auch heute noch die Geschichte Eberswaldes: vom unbefestigten Dorf am Fuße der „Ebersburg“ (um 1213) bis zur Verleihung des Stadtrechts (um 1275). Bald schon bot eine ringförmige Stadtmauer samt Wällen und Gräben Schutz. Ihr Verlauf lässt sich entlang der Bollwerk-, Mauer-, Schneider- und Goethestraße ablesen. Und mittendrin, zwischen Markt und Mauer, die Jüdenstraße. Sie zeugt von der Anwesenheit jüdischer Handelsfamilien spätestens seit Ende des 14. Jahrhunderts.

Adresse

Jüdenstraße / Ecke Breite Straße
16225 Eberswalde
Deutschland

Geo Position
52.833388888889, 13.821611111111
Titel
Mittelalterliche Jüdenstraße
Literatur
Arendt, Ludwig: Zur Geschichte der Eberswalder Synagogen-Gemeinde, Berlin 1993, S. 10-15.
Fischer, Ingrid: Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart, Berlin 2008, S. 52-53 und 82.
Kessler, Judith u. Dämmig, Lara: Jüdisches im Grünen, Teetz/Berlin 2007, S. 42 und 44-45.
Stationsbeschreibung

Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Eberswalde
Die Anfänge jüdischen Lebens in Eberswalde liegen in der Jüdenstraße – zwischen Markt und Mauer.

Im ältesten, heute leider verschollenen Stadtbuch von Eberswalde werden die ersten jüdischen Familien bereits für das ausgehende 14. Jahrhundert erwähnt, für das Jahr 1407 dann auch eine Jodenstraße. Demnach bestätigte der Rat der Stadt, dass das dortige „Haus bei den Steinen“ Eigentum des Hans Rosenthal sei. In unmittelbarer Nachbarschaft wurden damals vielleicht schon die ersten „Eberswalder Rindswürstchen“ verarbeitet, denn für das Jahr 1400 gibt es bereits Hinweise auf die koschere Schlachtung von Tieren. Ob hingegen bereits 1439 der erste Eberswalder Jude das Bürgerrecht erhalten hat, bleibt fraglich. In der Regel mussten allein schon für den Aufenthalt in einer Stadt teure Konzessionen erworben werden. Die Verfolgungen und Vertreibungen aus der Mark Brandenburg in den Jahren 1510 und 1571/73 setzten auch dem jüdischen Leben in Eberswalde ein vorläufiges Ende. Trotz des Kurfürstlichen Edikts von 1671 dauerte es noch ein Vierteljahrhundert, bis sich 1696 wieder eine jüdische Familie mit Schutzbrief in der Stadt niederlassen durfte. Seitdem wuchs die kleine Gemeinde, die 1751 zwar endlich einen eigenen Friedhof am Oderberger Weg anlegen durfte, nicht jedoch eine öffentliche Synagoge…

Adresse

Kreuzstraße 28
16225 Eberswalde
Deutschland

Geo Position
52.834138888889, 13.82175
Titel
Bethaus und Alte Synagoge in der Rosenstraße
Literatur
Arendt, Ludwig: Zur Geschichte der Eberswalder Synagogen-Gemeinde, Berlin 1993, S. 46-55, 67-74, 81-83 und Tafel 8.
Fischer, Ingrid: Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart, Berlin 2008, S. 52-53 und 82.
Kessler, Judith u. Dämmig, Lara: Jüdisches im Grünen, Teetz/Berlin 2007, S. 42 und 44-45.
Stationsbeschreibung

„An der Wand rechts … das Königliche Privilegium“
Die erste Betstube der Eberswalder Gemeinde befand sich in einem Hinterhofgebäude in der Rosenstraße 3. Dort konnte 1820 auch die erste öffentliche Synagoge eingeweiht werden.

Parallel zur Jüdenstraße, auf der anderen Seite des Rathauses, liegt die Kreuzstraße, ehemals Rosenstraße. Hier fanden sich seit dem 18. Jahrhundert die meisten jüdischen Wohnhäuser. Da öffentliche Synagogen verboten waren, traf man sich zunächst in privatem Kreis. Seit 1720 war dann von einem gemeinsamen Bethaus die Rede, für das – laut Gemeindeakten von 1776 – ein Hinterhofgebäude in der Rosenstraße 3 (heute Kreuzstraße 28) angemietet wurde. Die Zahl der Mitglieder wuchs, und so verhandelte man schon 1802 mit Stadt und König über einen Ausbau zur Synagoge. 1819 schließlich erwarb die jüdische Gemeinde das Grundstück. 1820 konnte im Hinterhof ein neuer Fachwerkbau eingeweiht werden, der 28 Männern und 20 Frauen Platz bot. „An der Wand rechts“, so berichtet der Chronist Bellermann 1829, „stehet in hebräischer Sprache auf einer großen Tafel das Königliche Privilegium; an den anderen Wänden die gewöhnlichen hebräischen Gebete; …“ Im Vorderhaus waren Lehrerwohnung und Ritualbad untergebracht, der Innenhof eignete sich bestens zum Feiern. Nach Einrichtung der Synagogenbezirke 1847 erwies sich jedoch auch diese Lokalität als zu klein. 1889 endlich wurde man am Schleifmühlenberg fündig.

Adresse

Goethestraße 9
16225 Eberswalde
Deutschland

Geo Position
52.832958, 13.818768
Titel
Neue Synagoge am Schleifmühlenberg mit Synagogendenkmal
Literatur
Arendt, Ludwig: Zur Geschichte der Eberswalder Synagogen-Gemeinde, Berlin 1993, S. 10-15.
Berger, Maria (Hg.): Synagogen in Brandenburg. Spurensuche, Berlin 2013, S. 100-101.
Fischer, Ingrid: Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart, Berlin 2008, S. 59-63, 67-70, 72-74 und 81.
Kessler, Judith u. Dämmig, Lara: Jüdisches im Grünen, Teetz/Berlin 2007, S. 42-43.
Stationsbeschreibung

„…denn mein Haus wird ein Haus des Gebets für alle Völker genannt.“ (Jesaja 56:7)
Im Dezember 1891 wurde die Neue Synagoge am Schleifmühlenberg eingeweiht. An ihre Zerstörung während des Novemberpogroms 1938 erinnert seit 2011/12 ein nachwachsendes Denkmal…

Die Synagogengemeinde Eberswalde wuchs. Ende des 19. Jahrhunderts gehörten ihr bereits ca. 200 Mitglieder aus 28 verschiedenen Ortschaften an. Pläne für ein neues Gotteshaus gab es schon lange, doch erst 1889 stimmte die Stadt dem Bauantrag für eine neue Synagoge am Schleifmühlenberg in der Bismarckstraße 9 (heute Goethestraße) zu. Ab Oktober 1890 wuchs dort – ähnlich der Neuen Synagoge in Berlin – ein schmucker dreikuppliger Bau im maurisch-byzantinischen Stil empor. Schon am 30. Dezember 1891 konnte er feierlich eingeweiht werden und prägte fast 47 Jahre das Stadtbild von Eberswalde. „Denn mein Haus wird ein Haus des Gebets für alle Völker genannt“ (Jesaja 56:7), prangte in hebräischen Lettern über dem Eingang. Und tatsächlich: Als am Sonntag, dem 16. August 1931, ein Blitz in die Synagoge einschlug und die Kuppel in Brand setzte, halfen auch die christlichen Nachbarn beim Löschen. Als am frühen Morgen des 10. November 1938 Angehörige der Eberswalder Sturmabteilung und Schutzstaffel ganz bewusst Feuer legten, half niemand mehr beim Löschen, auch die Feuerwehr nicht. Die Brandruine wurde zwangsverkauft und schon im Dezember geräumt. Seit 1966 erinnerte eine erste Gedenktafel vor Ort an das Schicksal der jüdischen Gemeinde und ihrer Synagoge. Erst 2011/12 wurden die alten Fundamente freigelegt. Seitdem rankt dort das Denkmal „Wachsen-mit-Erinnerung“ der Künstler Horst Hoheisel und Andreas Knitz empor.

Adresse

Karl-Marx-Platz
16225 Eberswalde
Deutschland

Geo Position
52.832257, 13.810492
Titel
Wohnhaus und Kanzlei Ludwig Sandberg
Literatur
Arendt, Ludwig: Zur Geschichte der Eberswalder Synagogen-Gemeinde, Berlin 1993, S. 98-105.
Fischer, Ingrid: Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart, Berlin 2008, S. 67-70, 72-74 und 81.
Kessler, Judith u. Dämmig, Lara: Jüdisches im Grünen, Teetz/Berlin 2007, S. 43-44.
Stationsbeschreibung

„Meine liebe Stadt Eberswalde“
1927 verlieh Eberswalde dem Stadtverordneten Ludwig Sandberg (1857-1936) das Ehrenbürgerrecht. Seit 1946 erinnert an ihn ein Straßenname – und seit 2014 auch ein Stolperstein in der Weinbergstraße 1.

Zu den Eberswalder Bürger*innen, die oft schon binnen weniger Wochen nach Machtübernahme durch die Nationalsozialist*innen ausgegrenzt, entrechtet, ihrer beruflichen Existenz beraubt, zur Auswanderung gezwungen oder schließlich in den Tod getrieben wurden, zählte auch Justizrat Ludwig Sandberg. 1857 in Breslau geboren, ließ er sich nach dem Jurastudium 1893 als Rechtsanwalt in Eberswalde nieder, wo er sich schnell einen Namen machte. Als Mitglied der Freisinnigen Volkspartei lieferte er sich 1897 ein berühmtes Rededuell mit August Bebel (SPD). Ab 1908 gehörte er durchgängig dem Eberswalder Stadtparlament an, lange als einziger Jurist. Allseits respektiert, erwarb sich Sandberg große Verdienste um „meine liebe Stadt Eberswalde“, wie er 1927 anlässlich der Verleihung des Ehrenbürgerrechts schrieb. Keine sechs Jahre später, im März 1933, verlor er sein Amt als Stadtverordneter, im April die Zulassung als Rechtsanwalt und musste sein Haus in der Weinbergstraße 1 aufgeben. Vergessen und vereinsamt nahm sich Sandberg am 29. Januar 1936 in seiner Wohnung in der Moltkestraße 21 (heute Schillerstraße) das Leben. Daran erinnert seit 2014 der nunmehr 37. Eberswalder Stolperstein. Bereits 1946 war – ein paar Schritte den Berg hoch, jenseits der Rudolf-Breitscheid-Straße (ehemals Kaiser-Friedrich-Straße) – die alte Augustastraße in Ludwig-Sandberg-Straße umbenannt worden. Das Ehrenbürgerrecht wurde Sandberg erst 1991 wieder zuerkannt.

Adresse

Kirchstraße 18
16225 Eberswalde
Deutschland

Geo Position
52.833305555556, 13.819527777778
Titel
Wohnhaus der Rabbinerfamilie Wolff
Literatur
Arendt, Ludwig: Zur Geschichte der Eberswalder Synagogen-Gemeinde, Berlin 1993, S. 76-79, 63-66, 84-90 und 104-107.
Fischer, Ingrid: Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart, Berlin 2008, S. 76-79.
Stationsbeschreibung

„Der erste Diener seiner Gemeinde“
Eberswaldes letzter Rabbiner Josef Wolff (1885-1977) wohnte in der Kirchstraße 18. Das Haus ist verschwunden – den ehemaligen Standort markieren seit 2013 vier Stolpersteine.

Wer heute in Eberswalde nach der Kirchstraße 18 sucht, muss zweimal hinschauen, denn im Bereich des neuen Paul-Wunderlich-Hauses (2007) fehlt ein Stück. Am Eingang zum Innenhof, Ecke Friedrich-Ebert-Straße, lag gleich rechts Haus Nr. 19, dahinter die Nr. 18. Im Pflaster davor wurden 2013 vier Stolpersteine für die letzte Eberswalder Rabbinerfamilie eingelassen: für Josef Wolff und seine Frau Ida sowie deren Kinder Betty und Erich. Seit 1925 wohnten sie hier im Haus der Jüdischen Gemeinde bis 1940. Den Eltern und Tochter Betty gelang die Flucht in die USA. Erich wurde 1941 in Kaunas erschossen. Als „erster Diener seiner Gemeinde“ war Wolff in sein Amt eingeführt worden, und in der Tat wurden es Jahre des Dienens und der Demütigung: Nach dem Synagogenbrand 1931 musste Wolff 1938 ein zweites Mal zusehen, wie das Gotteshaus in Flammen aufging. Und dieses Mal kam niemand, um den Brand zu löschen. Er wurde verhaftet und ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt, Ende 1938 jedoch wieder entlassen: In Eberswalde wurde noch seine Unterschrift zum Verkauf jüdischen Gemeindebesitzes gebraucht. Die Häuser Kirchstraße 18 und Schneiderstraße 14 wurden zu „Judenhäusern“ bestimmt, von wo man 1942 die letzten jüdischen Bürger*innen Eberswaldes deportierte. Die Jüdische Gemeinde wurde im Herbst 1942 aufgelöst.

Adresse

Kirchstraße 20-21 / Ecke Friedrich-Ebert-Straße
16225 Eberswalde
Deutschland

Geo Position
52.833694444444, 13.819444444444
Titel
Wohn- und Geschäftshaus der Familie Goldschmidt
Literatur
Arendt, Ludwig: Zur Geschichte der Eberswalder Synagogen-Gemeinde, Berlin 1993, S. 115-122.
Fischer, Ingrid: Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart, Berlin 2008, S. 76-79 und 81.
Kessler, Judith u. Dämmig, Lara: Jüdisches im Grünen, Teetz/Berlin 2007, S. 43-44.
Stationsbeschreibung

„Motto: Das alte Glück im neuen Heim“ (Anzeige des Kaufhauses S. Goldschmidt, März 1911)
Im Wohn- und Geschäftshaus Kirchstraße 20/21 waren einst die Goldschmidts zu Hause – bis 1939. Heute erinnert Eberswalde gleich mehrfach an das sozial engagierte Ehepaar, auch im Museum um die Ecke.

Vor dem Haus Kirchstraße 20/21 erinnern zwei Stolpersteine samt Gedenktafel an eine weitere jüdische Familie, die sich in Eberswalde wegen ihres sozialen Engagements hohes Ansehen erwarb: das Ehepaar Emma und Salomon Goldschmidt. 1874 in Posen geboren, eröffnete der junge Kaufmann 1901 einen ersten Weißwarenladen in der Breiten Straße 28. Schon bald erweiterte er sein Sortiment zum Warenhaus, das 1908 in die Kirchstraße 19 umzog, drei Jahre später in die Nr. 20 gegenüber. In einer Anzeige zur Eröffnung am 18. März 1911 („Motto: Das alte Glück im neuen Heim") dankte Goldschmidt für alles „Vertrauen und Wohlwollen“. Selbst kinderlos, versuchte das Ehepaar durch Spenden an Familien und soziale Einrichtungen, darunter das Waisenhaus des Vaterländischen Frauenvereins, die Notstände in der Stadt zu lindern. In ihrem Haus hatte auch der Verein für jüdische Geschichte und Literatur seinen Sitz – bis August 1938, als das Geschäft arisiert wurde. Tief enttäuscht zogen die Goldschmidts 1939 nach Berlin, 1942 wurden sie nach Theresienstadt deportiert. Salomon überlebte und starb 1951 einsam und erblindet in der Schweiz. Noch 1949 nahm er mit Verwunderung zur Kenntnis, dass die ehemalige Junkerstraße fortan seinen Namen tragen sollte. Heute erzählt eine Medienstation im Museum Eberswalde (Steinstraße 3) vom Leben und Wirken der Familie Goldschmidt. Ein Besuch lohnt.

Adresse

Oderberger Straße / Ecke Breite Straße
16225 Eberswalde
Deutschland

Geo Position
52.842777777778, 13.823777777778
Titel
Optional: Alter Jüdischer Friedhof
Literatur
Arendt, Ludwig: Zur Geschichte der Eberswalder Synagogen-Gemeinde, Berlin 1993, S. 15-17 und Tafel 2-3.
Brocke, Michael et al.: Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer / DDR und Berlin), Berlin 1994, S. 315-318.
Fischer, Ingrid: Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart, Berlin 2008, S. 53-54, 57 und 79-80.
Kessler, Judith u. Dämmig, Lara: Jüdisches im Grünen, Teetz/Berlin 2007, S. 45-46.
Weißleder, Wolfgang: Der gute Ort. Jüdische Friedhöfe im Land Brandenburg, Potsdam 2002, S. 56-57.
Stationsbeschreibung

„Jedoch müssen die Juden ihren Kirchhof auf eigene Kosten einzäunen“ (Kaufvertrag mit dem Eberswalder Magistrat, Dezember 1751)
Das „Judengehege“ am Oderberger Weg (1751) ist der älteste erhaltene jüdische Friedhof Eberswaldes. Die Zeit des Nationalsozialismus überstand er relativ unbeschadet – nicht jedoch die Zeit danach…

Wer nach diesem Spaziergang noch Zeit und Kraft hat, dem sei ein Abstecher zum ältesten jüdischen Friedhof Eberswaldes an der Oderberger Straße empfohlen. Er liegt heute auf dem Gelände des Martin-Gropius-Krankenhauses, ist jedoch – gleich nach der Kreuzung Breite Straße – durch ein kleines Tor im Zaun öffentlich zugänglich. Wo einst der mittelalterliche jüdische Friedhof gelegen haben könnte, ist unbekannt. Die nach 1696 wieder zugelassenen Schutzjuden mussten ihre Toten zunächst im 17 Kilometer entfernten Biesenthal bestatten. Nach jahrelangen Verhandlungen stimmte der Magistrat nur durch einen dringenden Notfall im Winter 1751 dem Verkauf eines kleinen Grundstücks weit vor der Stadt, noch hinter der St. Georgs-Kapelle, zu. Das Areal am Oderbergischen Weg, im Volksmund „Judengehege“ genannt, musste auf eigene Kosten eingezäunt werden. Es wurde 1851 erweitert und 1862 mit einer Ziegelsteinmauer umgeben. Die offizielle Grundbucheintragung erfolgte erst 1925. Versteckt auf dem Gelände der damaligen „Landesirrenanstalt“, überstand der Friedhof die Zeit des Nationalsozialismus nahezu unbeschadet, wurde jedoch zu DDR-Zeiten stark in Mitleidenschaft gezogen und erst nach 1988/90 wiederhergestellt. Von den wenigen erhaltenen Grabsteinen datiert der älteste auf das Jahr 1784.

Adresse

Freienwalder Straße / Höhe Saarstraße
16225 Eberswalde
Deutschland

Geo Position
52.827166666667, 13.837333333333
Titel
Optional: Neuer Jüdischer Friedhof
Literatur
Arendt, Ludwig: Zur Geschichte der Eberswalder Synagogen-Gemeinde, Berlin 1993, S. 15-17 und Tafel 2-3.
Brocke, Michael et al.: Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer / DDR und Berlin), Berlin 1994, S. 315-318.
Fischer, Ingrid: Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart, Berlin 2008, S. 53-54, 57 und 79-80.
Kessler, Judith u. Dämmig, Lara: Jüdisches im Grünen, Teetz/Berlin 2007, S. 45-46.
Knufinke, Ulrich: Bauwerke jüdischer Friedhöfe in Deutschland, Petersberg 2007, S. 271-273.
Weißleder, Wolfgang: Der gute Ort. Jüdische Friedhöfe im Land Brandenburg, Potsdam 2002, S. 56-57.
Stationsbeschreibung

„Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe sind die Leitsterne, die uns hinübergeleiten in ein besseres Leben.“ (Josef Wolff, Rede zur Einweihung der Trauerhalle, November 1929)
Der Neue Jüdische Friedhof wurde 1911 an der Freienwalder Straße, neben dem kommunalen Waldfriedhof, angelegt. Heute ist davon nur noch ein gründlich aufgeräumtes Restareal übrig…

Der neue Jüdische Friedhof liegt stadtauswärts an der Freienwalder Straße, Höhe Saarstraße, links neben dem Zugang zum kommunalen Waldfriedhof. Vom Markt aus empfiehlt sich der Bus bis zur Haltestelle Freienwalder Straße. 
Nachdem sich die Jüdische Gemeinde seit 1881 vergeblich um eine Erweiterung ihres alten Friedhofs bemüht hatte, konnte sie 1911 endlich ein neues Gelände im Süden Eberswaldes, neben dem Waldfriedhof, erwerben. Erste Beerdigungen fanden vermutlich ab 1914 statt, darunter auch die von 18 im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten. 1920 berichtete die Presse von einer Schändung des Friedhofs. Nach Jahren der Planung konnte am 10. November 1929 eine eigene, beeindruckende Friedhofshalle durch Rabbiner Josef Wolff feierlich eingeweiht werden. Im Zweiten Weltkrieg schwer getroffen, wurde die Ruine nach 1945 abgetragen. Der entsprechende Teil des Friedhofs musste schon Anfang 1939 zwangsverkauft werden. Über Schändungen während der NS-Zeit gibt es widersprüchliche Angaben, nach 1945 sind diese jedoch mehrfach dokumentiert. Vor und nach 1990 wurde auf dem verbliebenen Restareal gründlich „umgeräumt“: Die 53 noch erhaltenen Grabsteine stehen heute aufgereiht an der Ost- und Südseite des Friedhofzauns.

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Autor
Johannes Schwarz

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