Die „Bernsteinstadt“ Ribnitz-Damgarten, zwischen Rostock und Stralsund am Eingang zur Ferienregion Fischland-Darß-Zingst gelegen, zählt heute mit ihren gut 15.000 Einwohner*innen zum Landkreis Vorpommern-Rügen. Historisch gesehen handelt es sich um zwei Städte, die erst 1950 (zwangsweise) zu einem Gemeindeverbund zusammengelegt wurden. Geografisch trennt sie bis heute die sumpfige Recknitz als „Grenzfluss“: Ribnitz im Westen, erstmals 1233 urkundlich erwähnt, gehörte zum Herzogtum Mecklenburg. Damgarten im Osten, 1258 mit Lübischem Stadtrecht bewidmet, war Teil des Herzogtums Pommern und stand von 1648 bis 1815 unter schwedischer, danach unter preußischer Herrschaft. In beiden Städten, die kaum vier Kilometer voneinander entfernt liegen, finden sich spätestens seit dem 18. Jahrhundert auch Spuren jüdischen Lebens, jedoch unter sehr unterschiedlichen Bedingungen. Während es in Damgarten wohl nie mehr als 26 jüdische Einwohner*innen (1849) gab, die formal zur Gemeinde in Stralsund gehörten, prägte die Ribnitzer Synagogengemeinde die Stadt nachhaltig. Um 1865 erlebte sie mit über 100 Mitgliedern ihre Blütezeit. So beginnt dieser Spaziergang im historischen Stadtkern von Ribnitz, am Markt.

Adresse

Am Markt
18311 Ribnitz-Damgarten
Deutschland

Dauer
50.00
Literatur
Attula, Axel (Hrsg.), Festschrift 775 Jahre Ribnitz – 750 Jahre Damgarten. Beiträge zur neueren Stadtgeschichte, Ribnitz-Damgarten 2008.
Behnke, Jana, Zur Entwicklung der Stadt Ribnitz unter den Bedingungen der faschistischen Diktatur 1933-1945, Diplomarbeit Universität Rostock, Rostock 1987, S. 66-72.
Behnke, Jana, Auf den Spuren jüdischen Lebens in Ribnitz – ein Stadtrundgang, in: Passgänge – diesseits und jenseits der Recknitz, Heft 3, Ribnitz-Damgarten 2017, S. 30-39.
Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Band II, Bonn 1999, S. 460-461.
Donath, Leopold, Geschichte der Juden in Mecklenburg. Von den ältesten Zeiten (1266) bis auf die Gegenwart (1874). Auch ein Beitrag zur Kulturgeschichte Mecklenburgs, Leipzig 1874.
Eschwege, Helmut, Geschichte der Juden im Territorium der ehemaligen DDR, Band III, Dresden 1991, S. 1150 u. 1076-1079.
Hirsch, Heinz, Spuren jüdischen Lebens in Mecklenburg, Schwerin 2006.
Kasten, Bernd, Verfolgung und Deportation der Juden in Mecklenburg 1938–1945, Schwerin 2008, S. 54-55.
Kühl, Paul, Geschichte der Stadt und des Klosters Ribnitz in Einzeldarstellungen, Neubrandenburg 1933, S. 526-533.
Rösel, Eleonore, Ribnitz-Damgarten, in: Wegweiser durch das jüdische Mecklenburg-Vorpommern, Irene Dieckmann (Hg.), Potsdam 1998, S. 181–194.
Rösel, Eleonore, Spurensuche, Jüdisches Leben in Ribnitz und Umgebung, Kükenshagen 1996.
Salinger, Gerhard, Zur Erinnerung und zum Gedenken. Die einstigen jüdischen Gemeinden Pommerns, Band I, New York 2006, S. 115-118.
Wilhelmus, Wolfgang, Juden in Vorpommern, Schwerin 2007.
Wolff, Kathrin, Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Berlin 1992, S. 47-49.
Länge
3.20
Stationen
Adresse

Am Markt
18311 Ribnitz-Damgarten
Deutschland

Geo Position
54.243885, 12.431256
Titel
Marktplatz
Stationsbeschreibung

„…daß er sich in Unserer Stadt Ribnitz wohnhaft niederlassen … möge“ (Herzoglicher „Schutzbrief“ von 1811)
Die ersten Ribnitzer Schutzjuden kamen um 1753 in die Stadt – durften aber nur als Hausierer übers Land ziehen.

Seit der Stadtgründung 1233 war und blieb der Ribnitzer Markt mit der Stadtkirche St. Marien Mittelpunkt des öffentlichen Lebens. Mehrfach wurde der Platz umgestaltet, so nach dem Stadtbrand von 1759 oder zuletzt 2007, als der Bernsteinfischer-Brunnen eingeweiht wurde. Der Handel spielte für die Grenzstadt im Nordosten Mecklenburgs stets eine wichtige Rolle. So wundert es nicht, dass sich hier auch jüdische Familien niederließen, die zuvor freilich einen herzoglichen Schutzbrief erwerben mussten. Ob dies bereits im ausgehenden Mittelalter noch vor dem Sternberger Hostienschänderprozess von 1492 der Fall war, ist umstritten. Nachweislich lebten jedoch 1753 die drei Schutzjuden Isaack Levin, Behrend Hirsch und Salomon Isaack in Ribnitz. Schon 1755 wurde auf ihren Antrag hin ein erster Friedhof angelegt. Obwohl die kleine jüdische Gemeinde bis um 1800 auf sieben Familien anwuchs, blieben die Möglichkeiten zum Erwerb des Lebensunterhaltes beschränkt: Noch 1811 bestimmte ein Schutzbrief für Joseph Simon, dass dieser, „ohne einen offenen Laden zu halten, den Hausirhandel durch Packentragen aufs platte Land […] treiben“ oder „die öffentlichen Jahrmärkte beziehen […] möge“. In keinem Fall aber sollte eine Konkurrenz für die Ribnitzer Kaufleute entstehen.

Adresse

Büttelstraße 6a
18311 Ribnitz-Damgarten
Deutschland

Geo Position
54.244408, 12.431177
Titel
Synagoge Ribnitz
Literatur
Attula, Axel, Zur Synagoge der Stadt Ribnitz und dem Verbleib ihres Inventars, in: 775 Jahre Ribnitz – 750 Jahre Damgarten. Beiträge zur neueren Stadtgeschichte, Ribnitz-Damgarten 2008, S. 367–370.

Stationsbeschreibung

„Da aber nichts Brennbares in dem Bauwerk vorhanden war, reagierte der Tempel nicht auf diesen Angriff.“ (Artikel im Stadt- und Landboten, 11. November 1938)
Seit 1803 kam die Ribnitzer Gemeinde zum Gottesdienst in der Büttelstraße zusammen – bis 1906. Fünfzehn Jahre später wurde das alte Synagogengebäude versteigert und Anfang 1939 abgerissen.

Über Jahrzehnte hatte sich die kleine jüdische Gemeinschaft in privaten Räumen zu Gebet und Gottesdienst getroffen. 1803 waren genügend Spendengelder zusammen, um in der Büttelstraße 6 eine eigene Synagoge zu errichten: ein „schlichter quadratischer Bau“ im Fachwerkstil, der 1853 mit neuen Fenstern versehen und verputzt wurde. 1846 erhielt die Synagogengemeinde eine eigene Israelitische Gemeindeordnung. Doch schon nach 1865 schrumpfte die Zahl der Mitglieder aufgrund der allgemeinen Abwanderung rapide – von über 100 auf 16 Personen im Jahr 1925. Auch Gottesdienste wurden nach dem Tod des letzten Vorbeters und Lehrers, Dr. Joseph Strauß (1837-1906), nicht mehr abgehalten. Um wenigstens die Friedhöfe unterhalten zu können, entschied man sich 1921 zur öffentlichen Versteigerung der Synagoge. Mit Ausnahme der Torarollen wurde das Inventar vermutlich noch vor 1933 verkauft. Bereits Anfang 1938 drängte die Stadt auf einen Abriss des baufälligen Gebäudes, nun in Besitz des Ribnitzer Bauunternehmers Falk. Ein Brandanschlag am 10. November scheiterte aus Mangel an brennbaren Materialien, was auch die Presse notierte. 1939 wurde die ehemalige Synagoge abgerissen und auf ihren Grundmauern das heutige Gebäude als Transformator-Station mit Geschäftszimmer und Wohnung errichtet.

Adresse

Lange Straße 40
18311 Ribnitz-Damgarten
Deutschland

Geo Position
54.242936, 12.432965
Titel
Kaufhaus Julius Salomon
Literatur
Behnke, Jana, Auf den Spuren jüdischen Lebens in Ribnitz – ein Stadtrundgang, in: Passgänge – diesseits und jenseits der Recknitz, Heft 3, Ribnitz-Damgarten 2017, S. 30-39.
Stationsbeschreibung

„Damen-Jackets […] Kinder-Konfektion, hervorragend – schick und billig – empfiehlt Julius Salomon.“ (Geschäftsanzeige im Ribnitzer Stadt- und Landboten, 1908)
In der Langen Straße 40 eröffnete der Ribnitzer Bürger Julius Salomon 1901 eines der führenden Textilgeschäfte der Stadt.

Das 19. Jahrhundert brachte auch für die jüdische Gemeinschaft in Ribnitz die rechtliche Gleichstellung und die damit verbundene gesellschaftliche Anerkennung, was nicht selbstverständlich war. Wie in vielen Mecklenburger Landstädten folgte aber einer kurzen Blüte nach 1850 schon bald die Abwanderung. Um 1925 waren nur noch fünf jüdische Familien in Ribnitz ansässig, die jedoch über die Jahre als geachtete Bürger fest in der Öffentlichkeit und im Wirtschaftsleben der Stadt verankert waren. Zu ihnen gehörten Julius Salomon (1870-1921) und seine Frau Jenny geb. Rosenberg (1874-1944). 1901 war der junge Kaufmann in das Ribnitzer Bürgerbuch eingetragen worden, erwarb das Haus Lange Straße 40 und eröffnete dort 1902 ein schon bald florierendes Textilgeschäft. Die Familie mit den drei Kindern Heinrich (1901), Alfred (1902) und Anita (1907) zog kurz darauf in die Nizzestraße 22 um. Geschäft und Haus in der Langen Straße wurden vor 1914 einem Nachfolger übergeben. Als Julius Salomon 1921 früh verstarb, richtete sich die Witwe einen Kurzwarenladen in der Nizzestraße ein. Anfang der 1930er Jahre verließen die Kinder Ribnitz. Kurz danach bekam auch Jenny Salomon die Repressalien der neuen nationalsozialistischen Machthaber zu spüren. 1939 wurde sie zur Aufgabe ihres Ladens gezwungen, das Haus verblieb jedoch noch in ihrem Besitz.

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Lange Straße 13
18311 Ribnitz-Damgarten
Deutschland

Geo Position
54.242815, 12.436583
Titel
Praxis Dr. Bruno Joseph
Literatur
Behnke, Jana, Auf den Spuren jüdischen Lebens in Ribnitz – ein Stadtrundgang, in: Passgänge – diesseits und jenseits der Recknitz, Heft 3, Ribnitz-Damgarten 2017, S. 30-39.
Stationsbeschreibung

„Zum Wohle der Menschheit“ (Paul Kühl, Geschichte der Stadt und des Klosters Ribnitz, 1933)
Ganze 49 Jahre lang wirkte Sanitätsrat Dr. med. Bruno Joseph (1861-1934) in Ribnitz und Umgebung. Auch heute ist er noch vielen Menschen bekannt.

Eine über die Grenzen der Stadt hinaus gleichermaßen bekannte wie geschätzte Persönlichkeit war Dr. Bruno Joseph. 1885 ließ er sich mit seiner Frau Bertha geb. Salomon (1871-1933) als Landarzt in Ribnitz nieder. Hier wurden auch die Töchter Helene (1893-1948) und Annemarie (1895-1989) geboren. Ab 1898 diente das eigene Backsteinhaus in der Lange Straße 13, heute Recknitz-Apotheke, als Wohnung und Praxis, in die 1919 sein Schwiegersohn, Dr. Ludwig Thron (1889-1964), eintrat. Ab 1912 engagierte sich Dr. Joseph auch in der Ribnitzer Bürgerschaft. Als Stadtverordnetenvorsteher (1919-27) begleitete er wichtige Bauvorhaben wie das Wasserwerk oder die Kanalisation. Von 1906 bis 1933 stand er der kleinen Jüdischen Gemeinde vor, die zuletzt, wie der Stadtchronist Paul Kühl vermerkte, „weder Rabbiner noch Tempel, also auch keine Gottesdienste mehr hat […]“. Auch persönlich begann für Bruno Joseph nun eine bittere Zeit: Im Januar 1933 verstarb seine Frau, und noch kurz vor seinem eigenen Tod am 10. Juni 1934 wurde ihm die Zulassung als Impfarzt entzogen. Seine Tochter Helene emigrierte in die USA, Annemarie überlebte in „privilegierter Mischehe“ mit Dr. Thron – als einzige Jüdin in Ribnitz. Auf dem gemeinsamen Grabstein sind auch die Namen von Bertha und Bruno Joseph zu finden.

Adresse

Nizzestraße 22
18311 Ribnitz-Damgarten
Deutschland

Geo Position
54.241182, 12.436646
Titel
Wohnhaus Jenny Salomon
Stationsbeschreibung

„Sie werden hierdurch aufgefordert, […] mit Ihrer Rassegenossin Frau Salomon in deren Wohnung zusammenzuziehen. Der Bürgermeister“ (Anordnung vom 24. Mai 1941)
Im Mai 1941 wurde das Haus Nizzestraße 22 zum sogenannten Judenhaus erklärt. Seit 2011 erinnert ein Stolperstein an seine ehemalige Besitzerin, Jenny Salomon geb. Rosenberg (1874-1944).

Zu Beginn der NS-Zeit wohnten nur noch wenige jüdische Familien in Ribnitz. Eine Liste der Stadtverwaltung von 1935 zählte, nach Lesart der Nürnberger Rassengesetze, gerade einmal zehn „Voll-“ bzw. „Halbjuden“. Wer konnte, wanderte aus, so auch Jenny Salomons Tochter Anita, die im Juli 1937 samt Familie nach Palästina ging. Die 64-jährige Mutter blieb allein in der Nizzestraße 22 zurück. Ende 1938 war sie damit eine von vier jüdischen Frauen, die noch in Ribnitz lebten. In der Nacht des Novemberpogroms 1938 wurden die Scheiben ihres Ladens zertrümmert, bald darauf musste sie diesen aufgeben. Auf Anordnung des Ribnitzer Bürgermeisters, Walter Wegner, wurde ihr Haus Ende Mai 1941 zum „Judenhaus“ bestimmt. Fortan hatte sie sich die drei kleinen Zimmer im Erdgeschoss mit Paula Moses und Emmy Lichenheim zu teilen. Systematisch wurden nun die sozialen Kontakte der drei Frauen unterbunden. Paula Moses wurde am 10. Juli 1942 über Rostock mit dem ersten Sammeltransport nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Jenny Salomon und Emmy Lichenheim mussten Ribnitz am 11. November 1942 mit dem Frühzug nach Rostock verlassen. Von Berlin aus wurden beide nach Theresienstadt deportiert. Jenny Salomon starb dort am 3. April 1944. Ihr Haus wurde über das Finanzamt Rostock verkauft.

Adresse

Am Bleicherberg
18311 Ribnitz-Damgarten
Deutschland

Geo Position
54.240966, 12.435135
Titel
Alter Jüdischer Friedhof und Höhere Bürgerschule am Rosengarten
Literatur
Borchert, Jürgen u. Klose, Detlef, Was blieb… Jüdische Spuren in Mecklenburg, Berlin 1994, S. 79.

Brocke, M. et al., Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), Berlin 1994, S. 289 u. 574-575.
Stationsbeschreibung

„Ein Friedhof von 50 Fuß im Quadrat“
Bereits 1755 wurde vor den Toren von Ribnitz ein erster jüdischer Friedhof angelegt. Direkt daneben spielen heute Schüler*innen der Grundschule Theodor Bauermeister.

Ein paar Schritte Richtung Stadtmitte liegt der Bauermeisterplatz, benannt nach dem ersten Direktor der Höheren Bürgerschule, die 1874 ihr neues Domizil am Rosengarten bezog. Bis 2003 war hier das Richard-Wossidlo-Gymnasium untergebracht, danach zog die Grundschule Theodor Bauermeister ein. Wer heute rechts neben dem alten Hauptgebäude, entlang des Fußweges Richtung Stadtkulturhaus, über den Schulzaun schaut, wird kaum vermuten, dass sich dort der erste jüdische Friedhof von Ribnitz befand. Auf Antrag der drei Schutzjuden Behrend Hirsch, Salomon Isaack und Isaack Levin war der kleinen Gemeinde durch herzogliche Verordnung vom 16. Januar 1755 und gegen Zahlung von 20 Reichstalern „ein Friedhof von 50 Fuß im Quadrat vor dem Marlower Thor auf dem niedergefallenen Wall“ zugewiesen und noch im selben Jahr fertiggestellt worden. Nach dem Bau der Höheren Bürgerschule (1872-74) wurde lange über eine Verlegung des Friedhofs gestritten. Erst 1885 konnte die Jüdische Gemeinde ein zweites Areal auf dem neuen städtischen Friedhof am Schleusenberg einweihen. Der alte Friedhof wurde mehrfach geschändet und schließlich nach 1938 auf Veranlassung der NS-Behörden samt Mauer eingeebnet. Das Grundstück wurde 1996 an den Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern rückübereignet.

Adresse

Mühlenberg
18311 Ribnitz-Damgarten
Deutschland

Geo Position
54.239649, 12.426734
Titel
Neuer Jüdischer Friedhof und Gedenkstätte am Schleusenberg
Literatur
Borchert, Jürgen u. Klose, Detlef, Was blieb… Jüdische Spuren in Mecklenburg, Berlin 1994, S. 79.
Brocke, M. et al., Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), Berlin 1994, S. 289 u. 574-575.
Stationsbeschreibung

„Den in Ribnitz sowie allen durch die Wirrnisse der Zeit 1933/45 fern der Heimat verstorbenen jüdischen Bürgern unserer Stadt zum Gedenken.“
An kaum einem Ort wird die wechselvolle Geschichte von Integration und Ausgrenzung, Erinnern und Vergessen deutlicher als auf einem jüdischen Friedhof – auch am Ribnitzer Schleusenberg.

Das Jahr 1869 brachte der jüdischen Bevölkerung in Ribnitz, wie im ganzen Norddeutschen Bund, die volle rechtliche Gleichstellung, die mit der gesellschaftlichen Integration meist Hand in Hand ging. Dies zeigte sich auch gut 15 Jahre später: Auf der Suche nach einem zweiten jüdischen Friedhofsareal entschied man sich bewusst für eine Anbindung an den neuen städtischen Friedhof am Schleusenberg – gegen den Protest des Oberkirchenrats. 1885 wurde die jüdische Abteilung westlich der Trauerhalle, von einer Mauer umgeben, eingeweiht. Die letzte Bestattung fand im November 1927 statt. Danach verwilderte das Grundstück, da die kleine jüdische Gemeinde kaum mehr für die Pflege aufkommen konnte. Nach mehrfachen Schändungen (u.a. 1924 und 1932) wurde der Friedhof nach 1938 „beräumt“, 1968 schließlich ganz aufgelöst und mit christlichen Gräbern neu belegt.

Erst 1996 erfolgte die Rückübertragung. Heute sind nur noch Teile der Mauer erhalten, dazu drei ältere Grabsteine (1831, 1842 und 1850) vom ersten jüdischen Friedhof. Zusammen mit einem Granit-Obelisken aus dem Jahr 1988 wurde daraus in der äußersten südwestlichen Ecke eine kleine Gedenkstätte gestaltet, zu Ehren der „verstorbenen jüdischen Bürger unserer Stadt“. 2007 wurde auch diese geschändet.

Adresse

Neuhöfer Straße 14
18311 Ribnitz-Damgarten
Deutschland

Geo Position
54.241115, 12.422338
Titel
Wohnhaus Paula Moses
Stationsbeschreibung

„Ich weiss, dass die Jüdin schon viel durchgemacht hat, […]“ (Vernehmungsprotokoll Bertha Thomas, 12. November 1941)
Schon Anfang 1939 musste die Kriegerwitwe Paula Moses geb. Zadek (1883-1942) ihr Haus in der Neuhöfer Straße 14 verkaufen. 1942 wurde sie nach Auschwitz deportiert.

Über die Familie Moses ist wenig bekannt. Der Vater, Wolf genannt Wilhelm, war kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges 1918 gefallen. Die Mutter Paula zog daraufhin mit ihren Söhnen Kurt (geb. 1911) und Henry (geb. 1914) von Osnabrück nach Ribnitz. Ohne Beruf schlug sich die Witwe durch. 1924 ertrank Henry beim Spielen im Bodden. Um 1925 bezog die Familie mit der pflegebedürftigen Großmutter das Haus in der Neuhöfer Straße. Kurt wurde Buchhalter und trat wie seine Mutter der SPD bei. Mehrfach wurde er angefeindet, so auch am 1. Mai 1933, als SA-Leute das Ribnitzer Gewerkschaftshaus stürmten. 1934 emigrierte er nach Palästina. Die Mutter blieb allein zurück und war den Repressalien durch Staat und Stadt ausgeliefert. 1939 zwang sie eine Sondersteuer zum Verkauf des eigenen Hauses. Zwar konnte sie noch kurze Zeit im Anbau (einst Waschküche) wohnen, dann musste sie zu Jenny Salomon in die Nizzestraße ziehen. Ende 1941 mussten selbst langjährige Bekannte wie die 81-jährige Bertha Thomas ihre Kontakte abbrechen. Eine böswillige Strafanzeige wegen „Nichttragens des Judensterns“ konnte durch die mutige Zeugenaussage der Bäckersfrau abgewendet werden. Doch schon am 10. Juli 1942 wurde Paula Moses der Gestapo in Rostock überstellt und von dort nach Auschwitz deportiert.

Adresse

Lange Straße 80
18311 Ribnitz-Damgarten
Deutschland

Geo Position
54.243425, 12.428453
Titel
Kaufhaus Hermann Lichenheim und Stolperstein Emmy Lichenheim
Literatur
Behnke, Jana, Auf den Spuren jüdischen Lebens in Ribnitz – ein Stadtrundgang, in: Passgänge – diesseits und jenseits der Recknitz, Heft 3, Ribnitz-Damgarten 2017, S. 30-39.

Stationsbeschreibung

„Lichenheim & Pincus. Lange Straße Nr. 111. Gegr. 1855. Manufaktur- und Modewaren. Nur beste Qualitäten“ (Geschäftsanzeige im Ribnitzer Stadt- und Landboten, 1908)
In der Langen Straße 80 schrieb die Familie Lichenheim fast 75 Jahre lang Ribnitzer Firmengeschichte. 1942 wurde Emmy Lichenheim (1871-1944) als letzte nach Theresienstadt verschleppt.

Zurück über das Rostocker Tor endet dieser Spaziergang vor dem Haus Lange Straße 80, einem Neubau, der heute die Apotheke am Bodden beherbergt. Noch bis 1967 stand hier das Geschäfts- und Wohnhaus der Familie Lichenheim, die seit 1855 in Ribnitz ansässig war. Der Firmengründer, Hermann Lichenheim (1830-1917), war ein geachteter Bürger, Mitglied der Schützenzunft (1877 sogar Schützenkönig) und bis 1906 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde. Sein Manufakturwarengeschäft, ergänzt durch einen gut laufenden Kohlehandel, wurde von seinem Sohn Louis (1861-1927) und dessen Frau Emmy geb. Lychenheim weitergeführt. Deren Sohn Max (1901-82) wurde Jurist. Kurz vor seiner Promotion an der Universität Rostock zur „Erbenberechtigung in Ribnitz“ sah sich die Mutter und Witwe zur Geschäftsaufgabe gezwungen: Mit einem Totalausverkauf endete am 3. Oktober 1930 die fast 75-jährige Firmengeschichte. Während Max 1939 nach Shanghai emigrierte, verblieb Emmy Lichenheim in Ribnitz, musste jedoch im gleichen Jahr ihr Haus verkaufen und 1941, auf Anordnung des Bürgermeisters, in die Nizzestraße ziehen. Am 11. November 1942 wurde sie über Rostock nach Berlin und schließlich nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 8. Mai 1944 starb.

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Autor
Johannes Valentin Schwarz

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