Elisabeth Wust hatte den Spitz-Namen Lilly.
Lilly hat am 27. November 1942 Felice Schragenheim in Berlin kennengelernt.
Felice war damals erst 20 Jahre alt.
Die beiden Frauen haben sich ineinander verliebt.
Am 25. März 1942 haben sie sich verlobt.
Es war aber keine richtige Verlobung.
Denn eine Frau durfte damals nicht eine andere Frau heiraten.
Wenig später hat Felice zu Lilly gesagt:
Ich bin Jüdin.
Darauf hat Lilly geantwortet:
Dann sind wir jetzt erst recht zusammen!
Felice ist dann zu Lilly gezogen.
Felice hat angegeben:
Lilly ist krank.
Deshalb braucht sie eine Haushalts-Hilfe.

Am 21. August 1944 haben die Nazis Felice entdeckt.
Wer waren die Nazis?
Nazi ist die Abkürzung für National-Sozialist.
Viele National-Sozialisten waren Mitglied in der politischen Partei NSDAP.
NSDAP ist die Abkürzung für National-Sozialistische Deutsche Arbeiter-Partei.
Ab dem Jahr 1933 gab es nur noch die NSDAP.
Andere Parteien waren verboten.
Sehr viele Deutsche waren Nazis:
Viele waren Mitglied in der NSDAP.
Und viele fanden die Ideen der NSDAP gut.
Sie dachten:
Nicht alle Menschen sind gleich viel wert.
Manche Menschen sind weniger wert.
Zum Beispiel Jüdinnen und Juden.
Deshalb haben die Nazis Jüdinnen und Juden verfolgt und ermordet.
Im Jahr 1945 haben die Nazis den Krieg verloren.
Danach wurde die Partei NSDAP verboten.
Trotzdem gab es in Deutschland noch Nazis.

Die Nazis haben Felice in ein so genanntes Juden-Sammel-Lager gebracht.
Im Jahr 1994 ist das Buch mit dem Titel Aimée und Jaguar von Erica Fischer erschienen.
Im Buch geht es um die Liebes-Geschichte von Lilly und Felice.
Sie haben sich Aimée und Jaguar genannt.
Erica Fischer hat für ihr Buch die Berichte von Lilly verwendet.
Und Berichte von anderen Leuten der damaligen Zeit.
Im Jahr 1998 wurde das Buch verfilmt.

Geburtsdatum
9. März 1922
Geburtsort
Berlin
Gender
Frau
Literatur
Fischer, Erica, Aimée & Jaguar. Eine Liebesgeschichte, Berlin 1943. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1995
Fischer, Erica, Das kurze Leben der Jüdin Felice Schragenheim. „Jaguar“, Berlin 1922 – Bergen-Belsen 1945. Mit Fotos von Christel Becker-Rau. dtv, München 2002.
Stationen
Titel
Kindheit
Adresse

Auguste-Viktoria-Straße 106
14193 Berlin
Germany

Geo Position
52.490965, 13.289808
Stationsbeschreibung

Dr. Albert Schragenheim war der Vater von Felice.
Dr. Albert Schragenheim hat Erna Karewski geheiratet.
Die Heirat fand während einem Front-Urlaub im 1. Welt-Krieg statt.
Front-Urlaub bedeutete damals:
Ein Mann musste im Krieg als Soldat dienen.
Ab und zu hatte er Urlaub und durfte zu seiner Familie reisen.
Albert war Zahn-Arzt und Erna war Zahn-Ärztin.
Deshalb haben sie nach dem Krieg eine gemeinsame Praxis in der Flensburger Straße eröffnet.
Die Flensburger Straße liegt im Berliner Viertel Tier-Garten.
Sie haben in der Auguste-Viktoria-Straße 106 gewohnt.
Im Jahr 1920 wurde ihre erste Tochter Irene geboren.
Am 9. März 1922 wurde ihre zweite Tochter Felice Rachel geboren.
Ihre Familie hat sie so genannt:
Lice, Fice oder Putz.
Felices Onkel war der bekannte Schrift-Steller Lion Feuchtwanger.
Die Freunde der Familie waren sozialistische und moderne Jüdinnen und Juden.
Trotzdem war Felices Vater traditions-bewusst.
Traditions-bewusst bedeutet:
Ihm waren die jüdischen Gebräuche wichtig.
Am 4. Mai 1930 ist die Familie von einem Urlaub nach Berlin zurückgefahren.
Dabei hatten sie einen Auto-Unfall.
Das Auto hat sich überschlagen.
Felices Mutter ist bei dem Unfall gestorben.
Felices Vater hat 2 Jahre später seine Sprech-Stunden-Hilfe Käte Dinnah Hammerschlag geheiratet.
Käte war damals erst 19 Jahre alt.
Am 16. März 1935 ist auch Felices Vater gestorben.
Er hatte einen Herz-Infarkt.
Danach ist Käte mit den Schwestern Irene und Felice in die Sybel-Straße gezogen.
Die Sybel-Straße liegt im Berliner Viertel Charlottenburg.

Zu einem Fest-Tag der Nazis hat Albrecht Schragenheim ein Ehren-Kreuz für Kriegs-Teilnehmer bekommen.
Die Nazis haben seinen Namen auf der Urkunde falsch geschrieben.

Felice hatte schon mit 13 Jahren keine Eltern mehr.
Sie fand bei ihren Freundinnen Hilfe.
Felice war sehr beliebt.
Sie hatte viele Ideen.
Und hat schöne Gedichte geschrieben.
Ihre Gedichte waren im modernen Stil geschrieben.
Man sagte im Stil von der Dichterin Mascha Kaléko.
Die Gedichte haben Felices Mit-Schülerinnen gut gefallen.

Felice verbrachte ihre Frei-Zeit gern im Schwimm-Bad Halensee.
Dort redete sie mit Freundinnen über verschiedene Dinge.

Titel
"Ja, eine Schulbank, die kann viel erzählen"
Untertitel
Schulzeit
Adresse

Lassenstraße 16-20
14193 Berlin
Germany

Geo Position
52.485207, 13.276376
Stationsbeschreibung

Von 5 bis 10 Jahren hat Felice die Kleist-Schule in der Levetzow-Straße 34 besucht.
Im Zeugnis standen genügende und gute Leistungen.
Nach den Oster-Ferien im Jahr 1933 ist sie auf das Bismarck-Lyceum in Grunewald gegangen.
Im Jahr 1933 kamen auch die Nazis in Deutschland an die Macht.
Von da an mussten alle Schülerinnen und Schüler zu Beginn jeder Schul-Stunde den Hitler-Gruß machen.
Das Bismarck-Lyceum war besonders.
Denn der Schul-Leiter Dr. Friedrich Abée mochte Hitler nicht.
Deshalb mussten die Kinder den Hitler-Gruß nicht machen.
Felice war eine gute Schwimmerin. Sie konnte 75 Minuten lang schwimmen.
Dafür hat sie das Dauer-Schwimmer-Zeugnis vom Wellen-Bad am Luna-Park bekommen.
Das Wellen-Bad lag an der Bornimer Straße 11-13 im Berliner Viertel Halensee.

Die Nazis haben damals entschieden:
Jüdinnen und Juden dürfen nicht mehr in öffentliche Frei-Bäder gehen.
Aber Felice und ihre Freundinnen haben sich nicht an das Verbot gehalten.
Sie sind trotzdem ins Schwimm-Bad gegangen.

In ihrer Zeit am Lyceum hat Felice angefangen, Gedichte zu schreiben.
Über ihren Klassen-Lehrer Walther Gerhardt hat sie im März 1937 geschrieben:
Herr Gerhardt, gerecht und pünktlich,
stets nach Wahrheit strebend.
Für kleine Schwächen auch ein Herz am rechten Ort,
beim Übersetzen an den Worten klebend,
leb er im Herzen seiner Schüler fort!

Am 15.11.1938 war Felices letzter Schul-Tag.
Das war 6 Tage nach den November-Pogromen.
Im November 1938 waren die November-Pogrome.
Während der November-Pogrome haben die Nazis viele jüdische Einrichtungen zerstört.

Titel
Fluchtversuche
Adresse

Kurfürstendamm 102
10711 Berlin
Germany

Geo Position
52.498201, 13.295513
Stationsbeschreibung

Im Jahr 1939 mussten die Schwestern Irene und Felice mit ihrer Stief-Mutter Käte aus der Wohnung in der Sybel-Straße ausziehen.
Sie sind zu Kätes Eltern gezogen.
Auch sie waren jüdisch.
Sie hatten ein kleines Hotel am Kur-Fürsten-Damm 102.
Im selben Jahr ist Felices Schwester Irene nach London ausgewandert.
Am Anfang hat sie dort in einem Kranken-Haus gearbeitet.
Irene ist nicht mehr nach Deutschland zurückgekommen.

Auch Felice möchte auswandern.
Sie möchte in die USA auswandern.
Deshalb hat sie nach einem Visum gefragt.
Ein Visum ist eine Genehmigung, um in ein bestimmtes Land zu reisen.
Felice kann nicht auswandern, weil die Schiffe nur noch selten gefahren sind.
Felice hat sich trotzdem auf ihre Ausreise vorbereitet:
Mitte März 1939 hat sie einen Englisch-Kurs abgeschlossen.

Am 21. August 1941 hat Felice einen Brief bekommen.
Darin stand:
Sie können nach Barcelona reisen.
In wenigen Tagen geht es los.


Aber einen Tag später hat Felice wieder einen Brief bekommen.
Und zwar von der Reichs-Vereinigung der Juden.
Darin stand:
Leider können sie doch nicht ausreisen.
Denn die Auswanderung von Frauen und Männern im Alter vom 18. bis zum 46. Lebens-Jahr ist jetzt verboten.


Was bedeutet Reichs-Vereinigung der Juden?
Im Jahr 1939 haben die Nazis beschlossen:
Es darf keine jüdischen Verbände und Gemeinden mehr geben.
Es darf nur noch die Reichs-Vereinigung der Juden geben.
Alle Jüdinnen und Juden mussten Mitglied sein.

Titel
"Wenn mit schweren Schwingen / ein dunkler Schatten droht..."
Untertitel
Zwangsarbeit in der Flaschenverschlussfabrik
Adresse

Claudiusstraße 14
10557 Berlin
Germany

Geo Position
52.521402, 13.344756
Stationsbeschreibung

Ab dem Sommer 1941 hat Felice für kurze Zeit bei dem Arzt Dr. Kurt Hirschfeld gewohnt.
Die Wohnung lag in der Claudius-Straße 14.
Schon wenige Monate danach ist sie zu ihrer Groß-Mutter Hulda Karewski gezogen.
Zusammen mit ihrer Groß-Mutter wollte Felice zu ihren Verwandten in die USA ziehen.
Die Verwandten waren im Jahr 1936 ausgewandert.
Denn sie hatten Angst vor den Nazis.

Im Oktober hat Felice einen Brief vom Berliner Arbeits-Amt für Juden bekommen:
Darin stand, dass sie zur Zwangs-Arbeit musste.
Vom 9. Oktober 1941 hat Felice für 1 Jahr in einer Flaschen-Verschluss-Fabrik gearbeitet.
Sie hatte den Namen C. Sommerfeld & Co.
Die Flaschen-Verschluss-Fabrik lag in der Strom-Straße 47.

Felice musste jeden Tag über 8 Stunden arbeiten.
Ihre Aufgabe:
Sie wickelte Draht um Flaschen-Verschlüsse.

Während der Nazi-Zeit durften Jüdinnen und Juden nur zu bestimmten Zeiten ihre Lebens-Mittel einkaufen.
Wegen ihrer Arbeit hat Felice eine Sonder-Genehmigung bekommen:
Sie durfte auch zu anderen Zeiten ihre Lebens-Mittel einkaufen.
Dafür blieb ihr 1 Stunde.

Felices guter Freund Fritz Sternberg wurde in ein Konzentrations-Lager gebracht.
Auch Felices Groß-Mutter und deren Bruder Julius Philipp wurden in ein Konzentrations-Lager gebracht.
Was bedeutet Konzentrations-Lager?
Die Nazis haben sogenannte Konzentrations-Lager errichtet.
Die Abkürzung für Konzentrations-Lager ist KZ.
Die Jüdinnen und Juden waren Gefangene in den KZs.
Sie mussten dort schwer arbeiten.
Die Nazis haben viele Jüdinnen und Juden in den KZs ermordet.

Das war am 6. August 1942.
Sie wurden nach Theresienstadt gebracht.
Anfang Oktober 1942 hat Felice einen Brief bekommen:
Auch sie soll in ein Konzentrations-Lager gebracht werden.
Felice holte zusammen mit ihrer Freundin Inge Wolf all ihre Sachen aus der Wohnung in der Claudius-Straße.
Felice hat dann einen Abschieds-Brief geschrieben.
Darin schreibt sie:
Ich werde mich umbringen.
Aber in Wirklichkeit hat sich Felice versteckt.
Sie hat sich bei Freundinnen und Freunden versteckt.
Ihre Sachen hat sie verkauft.
So hatte sie Geld für das tägliche Leben.
Felice hat zusammen mit Inge einen falschen Ausweis geschrieben.
Ihr Name lautete auf dem falschen Ausweis Barbara F. Schrader.

Titel
Aimée & Jaguar
Untertitel
Kennenlernen von Lilly Wust
Adresse

Hardenbergstraße 29
10623 Berlin
Germany

Geo Position
52.505918, 13.334785
Stationsbeschreibung

Im ehemaligen Café Berlin haben sich Elisabeth Wust und Felice Schragenheim kennengelernt.
Inge Wolf hatte das Treffen organisiert.
Felice lebte damals bei Inge Wolf.

Elisabeth hatte den Spitz-Namen Lilly.
Elisabeth erinnerte sich auch noch mit 80 Jahren an Felices Kleidung bei ihrem 1. Treffen:
Felice trug ein rost-rotes Kostüm.

Felice hatte sich zu der Zeit vor den Nazis versteckt.
Sie benutzte auch einen falschen Ausweis.
Darauf stand der Name Barbara F. Schrader.
Und so stellte sich Felice mit dem Nach-Namen Schrader vor.
Aus der Bekanntschaft entwickelte sich schnell eine Freundschaft:
Lilly hat oft Frauen eingeladen:
Felice, Inge und andere Freundinnen.

Lilly war damals verheiratet.
Ihr Mann Günther war kaum zuhause.
Außerdem war es für beide Ehe-Partner normal, dass sie auch andere Partnerinnen oder Partner hatten.
Die beiden waren sich aber einig:
Wir müssen uns beide um die 4 Kinder kümmern.

Ende Februar 1943 gab es ein gemeinsames Abend-Essen.
Dabei waren:
• Günther
• Inge
• Lilly
• Felice
Lilly hat gesehen, wie ihr Mann Inge geküsst hat.
Dabei hat Inge eigentlich Frauen geliebt.
Lilly war verwirrt.
Sie ist in die Küche gegangen.
Dort hat Felice Lilly an sich gezogen.
Felice wollte Lilly küssen.
Am Anfang wollte Lilly keine Beziehung zu Felice.
Aber einen Monat später war Lilly sehr verliebt in Felice.
Am 25. März haben sie sich verlobt.
Danach haben sie sich Spitz-Namen gegeben.
Lilly hatte den Namen Aimée.
Und Felice hatte den Namen Jaguar.
Jaguar hat für Aimée folgendes Gedicht geschrieben:
Von deinem Mund …
Wie kommt das bloss, ich habe keine Lust,
je wieder fortzugehen als Vagabund.
Nur etwas hätt ich furchtbar gern gewusst:
Wie träumt es sich an deiner Brust von deinem Mund?

Titel
"Jetzt erst recht! Jetzt erst recht!"
Untertitel
Zusammenleben mit Lilly Wust
Adresse

Friedrichshaller Straße 23
14199 Berlin
Germany

Geo Position
52.476183, 13.291407
Stationsbeschreibung

Im März 1943 hatte Lilly eine Entzündung im Kiefer.
Sie musste deshalb ins Kranken-Haus.
Danach ist Felice zu Lilly gezogen.
Sie hat gesagt:
Ich muss der kranken Lilly im Haushalt helfen.
Später hat sie gesagt:
Ich muss mich um die 4 Kinder kümmern.
Aber in Wirklichkeit wollte Felice einfach nur bei Lilly sein.
Felice und Lilly haben sich Liebes-Briefe geschrieben.
Felice war jeden Tag am Kranken-Bett von Lilly.

Lilly hat in dieser Zeit ihre sexuelle Orientierung zum 1. Mal entdeckt.
Erst im Jahr 1991 hat sie darüber geschrieben:
Ich hatte bei meinen Männern überhaupt nichts davon.
Die Männer hatten ihre Freude.
Und ich fühlte mich benutzt.
Bei Felice war es anders.
Es war komplett:
Liebe und Sexualität.
Da gab es keine Trennung.


Schon einen Tag nach Felices Einzug hat Lilly mit ihrem Mann gesprochen.
Lilly wollte sich scheiden lassen.
Aber Lillys Mann war mit der Scheidung nicht einverstanden.
Lillys Mann wollte, dass sie nach außen hin wie eine Familie waren.
Er schlug vor:
Wir können uns zu Hause treffen.
Wir essen nicht mehr zusammen.
Und wir schlafen nicht mehr zusammen.
Aber wir wohnen zusammen.
Kurz darauf sagte Felice zu Lilly:
Ich bin Jüdin.
Ich muss mich vor den Nazis verstecken.

Lilly war kurz schockiert.
Dann antwortete sie:
Jetzt erst recht!

Im Sommer 1943 hat Felice eine letzte Möglichkeit bekommen:
Sie hätte vor den Nazis ins Ausland fliehen können.
Aber Felice hat sich dagegen entschlossen.
Sie ist in Berlin geblieben.

Titel
"Felice, ich liebe dich! Welch ein Gefühl, das sagen zu können!"
Untertitel
Die Scheidung von Günther Wust
Adresse

Littenstraße 16/17
10179 Berlin
Germany

Geo Position
52.5189, 13.412874
Stationsbeschreibung

Lilly hat immer wieder mit ihrem Mann gestritten, weil sie sich scheiden lassen wollte.
Ihr Mann Günther hat schon seit einiger Zeit bei seiner Freundin Liesel gewohnt.
Auch Liesel wollte, dass Günther sich scheiden lässt.
Lilly hatte mit Günther nichts mehr gemeinsam.
Sie war seit dem 2. April symbolisch mit Felice verheiratet.
Symbolisch bedeutet hier:
Sie haben unter sich ausgemacht, dass sie heiraten.
Es war aber keine richtige Heirat.
Denn eine Frau durfte damals nicht eine andere Frau heiraten.
Schließlich war Günther mit der Scheidung einverstanden.
Die beiden älteren Kinder haben danach bei Günther gewohnt.
Die beiden jüngeren Kinder sind bei Lilly geblieben.

Am 12. Oktober 1943 haben sich Lilly und Günther offiziell scheiden lassen.
Damals gab es bei einer Scheidung immer eine schuldige Person.
Die schuldige Person war dann am Scheitern von der Ehe schuld.
Manchmal waren auch beide Ehe-Leute schuldig.
Günther sagte vor der Scheidung zu Lilly:
Du musst einverstanden sein, dass du auch schuldig bist.
Sonst verrate ich deine Beziehung zu Felice.

Bei der Scheidung sagte Lilly:
Ich bin auch schuld am Scheitern von der Ehe.
Denn ich wollte keine weiteren Kinder haben.

Lilly war damit auch schuld am Scheitern von der Ehe.
Die Richter nannten das so:
Sie hat sich dem Nachwuchs für den Führer verweigert.
Mit Führer war Adolf Hitler gemeint.
Er war der Chef von den Nazis.
Frauen sollten damals viele Kinder bekommen.
Damit die Kinder den Nazis dienen konnten.
Zum Beispiel als Soldaten.

Am Tag von der Scheidung hat Felice an Lilly gedacht.
Sie hat ihr ein Gedicht geschrieben:
Da hab ich versprochen, in Ewigkeit
dir immer und überall beizustehen,
und schon bei der ersten Schwierigkeit
musst du doch ganz alleine gehen.


Zur gleichen Zeit hat Felices Schwester Irene geheiratet.
Sie hat in London geheiratet.
Ihr Mann war der Berliner Fritz Cahn.
Seit dem Ende vom Jahr 1942 konnten sich Felice und Irene wieder Briefe schreiben.
Sie konnten sich die Briefe über eine alte Schul-Freundin schicken.

Aber damals gab es eine Zensur.
Zensur bedeutet:
Auf der Post haben die Nazis die Briefe gelesen.
Erst wenn sie mit den Briefen einverstanden waren:
Dann konnten die Briefe verschickt werden.

Auch die Briefe von Felice und Irene wurden zensiert.
Deshalb brauchten die Briefe manchmal 2 Wochen, bis sie ihr Ziel erreichten.

Im Sommer 1944 konnte Felice bei der Essener National-Zeitung arbeiten.
Die Zeitung hatte auch Arbeits-Plätze in Berlin.
Felice arbeitete dort unter falschem Namen.
Sie sagte:
Ich bin Lillys Schwägerin.
Felice nahm den Namen von Lillys Schwägerin an.
Ihre Aufgabe bei der Zeitung war das Stenographieren von Berichten.
Stenographie ist eine Kurz-Schrift.
Mit der Stenographie konnte man schnell schreiben.
Heute benutzt man Stenographie nur noch selten.
Denn man kann heute mit Computern schnell schreiben.

Titel
"Sie brauchen gar nicht erst zu leugnen. Sie sind die Jüdin Schragenheim."
Untertitel
Abführung und Deportation
Adresse

Schulstraße 78
13347 Berlin
Germany

Geo Position
52.555227, 13.370908
Stationsbeschreibung

Am 21. August 1944 sind Lilly und Felice vom Baden in der Havel zurück nach Hause gekommen.
In ihrer Wohnung haben schon Gestapo-Beamte auf Felice gewartet.
Gestapo war die Abkürzung für Geheime Schutz-Polizei.
Die Gestapo war die Polizei von den Nazis.

Felice wurde befragt.
Danach haben sie die Gestapo-Beamten mitgenommen.
Die Gestapo hatte herausgefunden, dass Felice Jüdin war.
Die Gestapo hat Felice in ein sogenanntes Juden-Sammel-Lager gebracht.
Das Juden-Sammel-Lager war in der Schul-Straße.
Das Juden-Sammel-Lager war im jüdischen Kranken-Haus.
Lilly hat Felice im Juden-Sammel-Lager besucht.
Sie hat ihr Liebes-Briefe mitgebracht.
Felice hat in einem offiziellen Brief geschrieben:
Lilly bekommt meinen ganzen Besitz.

Am 7. September 1944 konnte Lilly Felice zum letzten Mal besuchen.
Einen Tag später wurde Felice ins Konzentrations-Lager Theresienstadt gebracht.
Am 15. September 1942 war dort schon Felices Groß-Mutter gestorben.
Im Oktober 1944 wurde Felice nach Auschwitz gebracht.
Kurz darauf musste sie zu Fuß nach Groß-Rosen gehen.
Hier musste sie zusammen mit anderen Jüdinnen Panzer-Fallen graben.
Aber es war sehr kalt.
Es hatte -18 Grad.
Deshalb konnten die Frauen keine Panzer-Fallen mehr graben.

Am Abend hat Felice den anderen Frauen Geschichten erzählt.
Die Geschichten waren sehr unterhaltsam.
Deshalb mochten die anderen Frauen Felice.

Dann hat Felice Scharlach bekommen.
Scharlach ist eine ansteckende Krankheit.
Man hat Fieber und starke Hals-Schmerzen.
Felice ist in ein Kranken-Haus gekommen.
Dort konnte sie Briefe an Lilly schreiben.
Sie hat auch Briefe von Lilly bekommen.
Jeden Tag hat Felice auf Briefe von Lilly gewartet.
Aber manchmal sind keine Briefe angekommen.
Felice hat aufgeschrieben:
Gestern ist nichts gekommen.
Und heute?
Heute bestimmt:
Ich möchte dir so viel schreiben, meine Eva dolorosa.


Eva dolorosa war ein anderer Spitz-Name für Lilly.

Titel
"Immer Deine / F." - Ein Leben ohne Jaguar
Untertitel
Tod und Nachlass
Adresse

Lindenstraße 9-14
10969 Berlin
Germany

Geo Position
52.503109, 13.393009
Stationsbeschreibung

Am 3. Januar 1945 hat Lilly die letzte Nachricht von Felice bekommen.
Am Ende von ihrem Brief schreibt Felice:
Immer denken an mich.
Und beten für den tapferen Sehnsuchts-Vollen.


Felice ist im März 1945 gestorben.
Das hat jedenfalls Martin Feuchtwanger aufgeschrieben.
Martin war der jüngere Bruder von Lion Feuchtwanger.
Lion Feuchtwanger war Felices Onkel.
Er war ein bekannter Schrift-Steller.

Man weiß nicht genau, wie Felice gestorben ist.
Vielleicht musste sie sehr lange bei großer Kälte zu Fuß gehen.
Auf ihrem Toten-Schein steht:
Felice ist am 31. Dezember 1944 gestorben.
Sie ist an Embolie gestorben.
Bei einer Embolie verstopft ein Blut-Gefäß.
Das Blut kann dann nicht mehr durch das Blut-Gefäß fließen.
Wahrscheinlich ist Felice aber gar nicht an Embolie gestorben.

Nach dem Ende vom Krieg hat Lilly nach Felice gesucht.
Aber sie hat sie nicht gefunden.
Lilly hat Felices Gedichte in ihr Tage-Buch kopiert.
Das Tage-Buch nannte sie Tränen-Büchlein.

Im Jahr 1950 hat Lilly nochmal geheiratet.
Sie hat Willi Beimling geheiratet.
Damit wollte sie die Zukunft von ihren Kindern absichern.

Willi hat Lilly nicht erlaubt, Besuch zu bekommen.
Lilly war unglücklich.
Deshalb hat sie sich 3 Jahre später von ihm scheiden lassen.

Die folgenden Jahre lebte sie in sehr bescheidenen Verhältnissen.
Das bedeutet:
Sie hatte nicht viel Geld.
Trotzdem hat sie 3 ihrer Söhne unterstützt:
Sie konnten an der Universität studieren.

Im Jahr 1981 hat Lilly das Bundes-Verdienst-Kreuz am Bande bekommen.
Lilly war da schon 61 Jahre alt.
Das Bundes-Verdienst-Kreuz am Bande ist eine Auszeichnung.
Lilly hat die Auszeichnung bekommen, weil sie Felice bei sich aufgenommen hatte.
Und ihr damit geholfen hatte.
Denn Felice wurde damals von den Nazis verfolgt.

Anfang der 90er Jahre hat Lilly ihre Geschichte der Schrift-Stellerin Erica Fischer erzählt.
Aus den Berichten hat Erica Fischer ein Buch geschrieben.
Das Buch hat den Titel Aimée und Jaguar.
Im Jahr 1998 wurde das Buch verfilmt.

Lilly hat alles von Felice gesammelt:
• Briefe
• Bilder
• Geschenke
Insgesamt sind es 2 Koffer voll.
Lillys Sohn Eberhard Wust hat diese 2 Koffer dem Jüdischen Museum Berlin gegeben.
Das war nach dem Tod von seiner Mutter.
Seine Mutter ist am 31. März 2006 gestorben.

Heute gibt es einen Stolper-Stein für Felice Schragenheim.
Der Stolper-Stein liegt in der Friedrichshaller Straße 23.
Was sind Stolper-Steine?
Der Künstler Gunter Demnig hat die Stolper-Steine im Jahr 1992 erfunden.
Stolper-Steine sind kleine Gedenk-Tafeln aus Messing.
Sie sind im Boden eingelassen.
Stolper-Steine liegen meistens vor den Wohnungen der Opfer von den Nazis.
Auf den Stolper-Steinen stehen die Namen von den Opfern.  

Sterbedatum
1945
Sterbeort
dem KZ Bergen-Belsen (Todesmarsch)

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Autor
Constantin Köhler
Leichte Sprache
An