Neo-Orthodoxie

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Ab dem Jahr 1900 gab es für die meisten deutschen Jüdinnen und Juden ständig Veränderungen.
Davor hatten die Jüdinnen und Juden Bürger-Rechte erworben.
Aber ab dem Jahr 1814 wurden Jüdinnen und Juden wieder zu Bürgerinnen und Bürgern 2. Klasse.
Aber unter den Jüdinnen und Juden hielt eine gute Stimmung zur Veränderung an.
In ganz Deutschland bildeten sich verschiedene Gruppen:
Allen voran waren die Reformierten.
Die Reformierten glaubten an Reformen.
Reform bedeutet Erneuerung.
Die Reformierten wollten:
Das Judentum soll zu einer deutschen Religion werden.
Die Reformierten wollten die Gottes-Dienste verändern:
• der Ablauf der Gottes-Dienste sollte anders werden
• die Gottes-Dienste sollten kürzer werden
• die Gebete und Gesänge sollten in deutscher Sprache sein
• die Gesänge sollten mit Orgel-Begleitung sein

Die Reformierten wollten auch die jüdischen Religions-Gesetze ändern.
Die Gesetze sollten lockerer werden.
Einige Gebete sollten abgeschafft werden.
Zum Beispiel das Gebet zur Wiederherstellung des Tempels.
Einige Reformierte wollten sogar den Schabbat auf den Sonntag verlegen.
So dass der jüdische und der christliche Feier-Tag am gleichen Tag war.

Der Begründer der Neo-Orthodoxie Rabbiner Samson Raphael Hirsch hat von 1808 bis 1888 gelebt.
Er war anderer Meinung als die Reformierten.
Er sagte:
Die Tora ist der Maßstab für das jüdische Volk.
Gleichzeitig fand er gut, dass sich die Jüdinnen und Juden emanzipiert haben.
Emanzipation bedeutet hier:
Die Jüdinnen und Juden haben sich dafür eingesetzt, dass sie die gleichen Rechte bekommen.
In einem Punkt war Hirsch einer Meinung mit den Reformierten:
Gläubige Jüdinnen und Juden sollten studieren, weil sie dadurch leichter einen guten Beruf fanden.
Diese Meinung fanden viele Jüdinnen und Juden im Osten von Europa nicht richtig.
Aber Hirsch wollte das Judentum sehr verändern.
Er stellte die wichtige Frage:
Wie kann das deutsche jüdische Volk in 2 Kulturen leben:
Der deutschen Kultur und der jüdischen Kultur.
Diese Frage ist auch heute noch für andere Religionen wichtig.
Hirsch wollte den Israel-Mensch.
Also Jüdinnen und Juden, die in der Mitte der Gesellschaft waren.
Die in 2 Kulturen gleichzeitig leben.
Und die sich in den 2 Kulturen gut auskennen.
Und die sich den 2 Kulturen zugehörig fühlen.

Hirsch hat viele Bücher geschrieben.
Sein wichtigstes Buch heißt:
Die 19 Briefe über das Judenthum.
Es ist im Jahr 1836 erschienen.
In diesem Buch geht es um die bisherige Orthodoxie.
Orthodox bedeutet:
Jüdinnen und Juden folgen genau den Regeln der Heiligen Bücher.

Außerdem geht es im Buch um eine neue Idee:
Die Jüdinnen und Juden sollen die Tora achten, aber auch eine Verbindung zur nicht-religiösen Welt aufbauen.
Diese neue Idee heißt auf Hebräisch:
Tora im Derech Eretz.

Viele Jüdinnen und Juden fanden die Idee gut.
Auch der Geschichts-Wissenschaftler Heinrich Graetz.
Er wollte von dem Rabbiner Samson Raphael Hirsch lernen.
Hirsch war der Meinung:
Die Jüdinnen und Juden sollten die jüdischen Vorschriften befolgen.
Und sie sollten Deutsch sein.
Das konnte man gut miteinander vereinbaren.
Hirsch verstand die Heiligen Bücher so:
Die Jüdinnen und Juden haben auch Pflichten in der nicht-religiösen Welt.
Das stand in den Texten vom Propheten Jeremia.
Und in einem Abschnitt in den Sprüchen der Väter.
Diese beiden Texte sind religiöse Texte.
Für Hirsch gehörte also zur religiösen Pflicht:
• das Studium der Tora
• nicht-religiöse Bildung
• Patriotismus
Patriotismus bedeutet:
Stolz auf sein eigenes Land sein.

Die neue Idee von Hirsch war also:
Jüdinnen und Juden sollen Religion und Nicht-Religion verbinden.
Diese neue Idee wurde zur zentralen Lehre in der Neo-Orthodoxie.
Und bald auch zur zentralen Lehre der gesamten Orthodoxie.
Im Jahr 1876 hat Hirsch im Preußischen Landtag ein Gesetz durchgesetzt.
Das Gesetz hieß Austritts-Gesetz.
Im Austritts-Gesetz geht es um Folgendes:
Orthodoxe Jüdinnen und Juden konnten aus den Gemeinden austreten, die zu liberal waren.
Schon im Jahr 1850 hat man in Frankfurt eine orthodoxe Synagoge für ausgetretene orthodoxe Jüdinnen und Juden gebaut.
Die Synagoge war in der Schützen-Straße.
Hirsch wurde der Rabbiner von der Synagoge.
Um das Jahr 1900 entstand dann ein neues Gebäude.
Es hatte den Namen Friedberger Anlage.
Es war damals eine der bedeutendsten Synagogen in Europa.
Ansonsten gab es nur an wenigen Orten in Deutschland Synagogen für ausgetretene Jüdinnen und Juden.
Bis zur Nazi-Zeit gab es in Deutschland hauptsächlich Einheits-Gemeinden.
In den Einheits-Gemeinden waren liberale und orthodoxe Synagogen.
Beide Gemeinden folgten jeweils ihren verschiedenen Gebräuchen.
Aber sie benutzten bestimmte Gemeinde-Einrichtungen zusammen.
Zum Beispiel Fried-Höfe.

Hirsch gründete auch Schulen.
In den Schulen bekamen die Kinder eine religiöse und eine nicht-religiöse Ausbildung.
Außerdem hat Hirsch eine Ausbildungs-Stätte für Lehrerinnen und Lehrer gegründet.
Im Jahr 1873 hat Hirsch das Berliner neo-orthodoxe Rabbiner-Seminar errichtet.
Dort wurden Rabbiner ausgebildet.
Die Rabbiner bekamen eine religiöse und eine nicht-religiöse Ausbildung.
Am Ende von der Ausbildung hatten sie den Titel:
Doktor-Rabbiner.
Denn die Rabbiner hatten eine religiöse Ausbildung gemacht.
Und sie hatten nebenbei noch eine Doktor-Arbeit in einem nicht-religiösen Fach an einer nicht-religiösen Universität geschrieben.
Eine Doktor-Arbeit ist ein Text über ein wissenschaftliches Thema. t
Eine Doktor-Arbeit ist mehrere 100 Seiten lang.

Der Lehrer Esriel Hildesheimer hat das Reform-Judentum noch bekämpft.
Die Lehrer nach ihm waren jedoch offen für die Zusammen-Arbeit mit den Liberalen.
Einer der bedeutendsten Studenten am Rabbiner-Seminar war Nehemia Nobel.
Nehemia Nobel hat in den Jahren 1871 bis 1922 gelebt.
Er war Rabbiner an der orthodoxen Synagoge am Börne-Platz in der Frankfurter Einheits-Gemeinde.
Die Idee der Frankfurter Einheits-Gemeinde:
Orthodoxe Jüdinnen und Juden sollten nicht aus der Gemeinde austreten.
Sie sollten in der Einheits-Gemeinde auch das orthodoxe Judentum leben können.
Nobel fand den Religions-Philosophen Franz Rosenzweig gut.
Deshalb hat er Rosenzweig zum Leiter des Jüdischen Lehr-Hauses in Frankfurter gemacht.
Ein zweiter großer Rabbiner vom Rabbiner-Seminar war Josef Carlebach.
Josef Carlebach hat in den Jahren 1883 bis 1942 gelebt.
Er war Rabbiner in Altona in der Nähe von Hamburg.
Danach war er Rabbiner in Hamburg selbst.
Carlebach hat eine Rabbiner-Ausbildung am orthodoxen Rabbiner-Seminar gemacht.
Außerdem hat er ein natur-wissenschaftliches Studium an der Universität gemacht.
Der berühmte Natur-Wissenschaftler Max Planck war einer seiner Lehrer.
Carlebach war berühmt für seine interessanten Vorträge.
Darin ging es auch um wissenschaftliche Erkenntnisse.
Leute aus Hamburg und von weiter weg haben seine Vorträge angehört.
Carlebach hat bei Rosenzweigs berühmtem Buch mitgeschrieben.
Das Buch hat den Titel:
Stern der Erlösung.
In dem Buch geht es nicht um das orthodoxe Judentum, sondern um moderne Philosophie.
Carlebach war auch Rabbiner der Haupt-Synagoge in Hamburg.
Heute ist der Platz nach ihm benannt.
Er heißt Joseph-Carlebach-Platz .
In den 1930er Jahren haben sich die Reformierten und die orthodoxen Jüdinnen und Juden gut verstanden.
Einmal pro Woche haben sie gemeinsam Gottes-Dienst gehalten.
Für die liberalen Jüdinnen und Juden gab es auch ein Rabbiner-Seminar.
Es war die Hoch-Schule für die Wissenschaft des Judentums.
Leo Trepp war ein Student an dieser Hoch-Schule.
Leo Trepp lebte in den Jahren 1913 bis 2010.
Er war der letzte Landes-Rabbiner in Oldenburg.
Nach dem Krieg kam er regelmäßig nach Deutschland zurück.
Denn nach dem Krieg gab es die deutsche Neo-Orthodoxie gar nicht mehr.
Aber Leo Trepp hat Vorträge über die Neo-Orthodoxie gehalten.
Für seine Vorträge haben sich Jüdinnen und Juden sowie Nicht-Jüdinnen und Nicht-Juden interessiert.

Bild
Samson Raphael Hirsch, der Begründer der Neo-Orthodoxie – Hermann Struck, Porträt Samson Rafael Hirsch, ca. 1900 - 1940, Lithografie, 23 x 19 cm; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jens Ziehe
Fassettenwert
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Ab dem Jahr 1900 gab es für die meisten deutschen Jüdinnen und Juden ständig Veränderungen.
In ganz Deutschland bildeten sich verschiedene Gruppen:
Allen voran waren die Reformierten.

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